© Faiz Zaki/Shutterstock.com

Kopftuchverbot im Lehramtsreferendariat

BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07

Sachverhalt
Eine muslimische Referendarin, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trug, beantragte mit ihrer Revision das Urteil der Vorinstanz das  die Ablehnung ihrer Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt bestätigt, aufzuheben. Zudem beantragte sie die Berufung des beklagten Landes insoweit zurückzuweisen, dass dieses verpflichtet wird, unter Beachtung der Rechtsauffassung des BVerwG über ihren Antrag neu zu entscheiden.1

Gründe
Der Revision der Klägerin wurde aufgrund der Verletzung des Grundrechts auf freie Berufswahl gemäß Art. 12 Abs. 1 GG stattgegeben. Ihr stehe ein Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrages auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses zu.2 Die Rechtsauffassung des OVG, wonach der § 59b Abs. 4 S. 5 BremSchulG auch auf Referendare uneingeschränkt anwendbar sei, werde Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht.3 Denn der § 59b Abs. 4 S. 5 BremSchulG, der Lehrkräften jedes äußere Erscheinungsbild, das den Schulfrieden durch Verletzung der staatlichen Neutralität gefährden könnte, verbietet,4 versperre diesen den Zugang zu dem von ihnen gewählten Lehrerberuf ohne zureichenden Grund.5 Zwar könne die Klägerin nach einer entsprechend beendeten Ausbildung aufgrund der Regelung des Landesgesetzgebers nicht in den Beamtendienst des Landes Bremen übernommen werden,6 hieraus folge jedoch nicht, dass ihr auch ohne Weiteres der Zugang zur Ausbildung verwehrt werden könne.7 Der Staat habe ein Ausbildungsmonopol,8 denn die beendete staatliche Ausbildung sei der Maßstab für die berufliche Qualifikation auch an Privatschulen.9 Das Verbot verhindere somit den Abschluss ihrer Berufsausbildung, mithin eine Einstellung außerhalb des öffentlichen Dienstes,10 wo das religiös motivierte Kopftuchtragen als beamtenrechtlicher Eignungsmangel bedeutungslos sei.11 Folglich sei der Zugang zum Vorbereitungsdienst unerlässlich, um dem Grundrecht der freien Berufswahl ausreichend Rechnung zu tragen.12 Eine gesetzliche Einschränkung der Berufswahlfreiheit sei nur dann zulässig, wenn sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend erforderlich sei.13 Ein solches Gemeinschaftsgut sei die Vermeidung religiös-weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen.14 Allerdings bestünden erhebliche Unterschiede zwischen dauerhaft tätigen Lehrkräften und Referendarinnen, die nur vorübergehend im öffentlichen Schulwesen tätig seien und bei denen nicht der pädagogische Auftrag, sondern die Berufsausbildung im Mittelpunkt stehe.15 Deshalb sei es unverhältnismäßig ihnen dieselben Verhaltenspflichten aufzuerlegen wie Lehrkräften.16 Vielmehr müsse bei Referendarinnen ein weniger strenger Maßstab angelegt werden, so dass eine konkrete Gefährdung des religiös-weltanschaulichen Schulfriedens verlangt werden müsse, um das Kopftuchtragen zu verbieten.17 Eine verfassungskonforme Auslegung des § 59b BremSchulG in dieser Hinsicht sei geboten und auch möglich.18

Einordnung in die Rechtsprechung
Die Entscheidung des BVerwG stellt die erste Aufweichung der Kopftuch -I- Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 200319 dar und den ersten Schritt in Richtung Kopftuch -II-, in dem das BVerfG im Jahr 201520 die landesrechtlichen Verbote endgültig auch für verbeamtete Lehrkräfte dahingehend verfassungskonform auslegte, dass das Tragen eines Kopftuchs nicht pauschal, sondern allenfalls bei einer konkreten Gefährdung der widerstreitenden Verfassungsgüter verboten werden darf.


1 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 1-8

2 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 9.

3 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 11.

4 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 10.

5 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 11.

6 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 15.

7 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 16.

8 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 18.

9 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 19.

10 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 17, 18.

11 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 19.

12 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 16.

13 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 20.

14 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 21.

15 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 21.

16 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 22.

17 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 22.

18 BVerwG v. 26.06.2008 – 2 C 22.07, Rn. 24 f.

19 BVerfG v. 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02.

20 BVerfG v. 27.01.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10.

Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies. Durch Nutzung dieser Seite stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.