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Kopftuchverbot im Fitnessstudio

LG Bremen v. 21.06.2013 - 4 S 89/12

Sachverhalt
Eine kopftuchtragende Muslimin legte Berufung gegen ein Urteil des AG Bremen-Blumenthal ein, wonach ein aus Sicherheitsgründen erlassenes Kopftuchverbot in einem Fitnessstudio keine diskriminierende Handlung darstellt.1

Gründe
Das LG Bremen wies die Berufung als unbegründet zurück.2 Die Klägerin habe nicht ausreichend Indizien für die Benachteiligung wegen einer Religionszugehörigkeit dargelegt und bewiesen, so dass keine Beweislastumkehr gemäß § 22 AGG begründet werden würde.3 Für eine solche Beweislastumkehr wäre erforderlich, dass eine Gesamtbetrachtung aller bewiesenen Indizien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Benachteiligung i.S.d. § 3 AGG aus einem nach § 1 AGG unzulässigem Grund vermuten lasse.4 Somit treffe die Beklagte die Beweislast, dass kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze vorliege, wenn es der Klägerin gelinge, ausreichend Indizien für die unzulässige Benachteiligung zu beweisen.5

Ein Indiz ergebe sich nicht daraus, dass die Klägerin das Fitnessstudio schon vorher ohne Vorfälle besucht habe.6 Die Praxis im Fitnessstudio könne sich nämlich ändern und das anfangs gute Verhältnis zur Beklagten spreche sogar gegen eine Diskriminierung wegen der Religionszugehörigkeit.7 Auch das Angebot der Beklagten zur Streitbeilegung 150 Euro an die Klägerin zu zahlen, begründe kein Indiz, da dieses explizit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht angeboten worden sei und andernfalls jedes gegenseitige Nachgeben im Rahmen von Vergleichsverhandlungen bei Rechtsstreitigkeiten innerhalb des AGG gleichzeitig mit einer Beweislastumkehr einhergehen würde.8 Des Weiteren ergebe sich kein Indiz daraus, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten keine Reglung zum Kopftuch, wohl aber zu anderen Bekleidungsstücken wie Schmuck, beinhalte, denn es könne nicht erwartet werden, dass jedes erdenkliche Kleidungsstück mit Gefährdungspotential ausdrückliche erwähnt werde.9 Schließlich ergebe sich keine Benachteiligung daraus, dass sich die Beklagte dahingehend geäußert habe, andere Gäste fühlten sich gestört und die Klägerin möge das Kopftuch abnehmen, denn dadurch hätten die Gäste und die Beklagte nicht die Klägerin in ihrer Religion benachteiligen wollen, sondern lediglich auf das Kopfbedeckungsverbot aufmerksam gemacht.10

Ein Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG liege nicht vor, da die Grundrechte lediglich in das AGG hineinstrahlen würden, in diesem Rechtsstreit zwischen Bürgern aber nicht weiter greifen würden.11

Einordnung in die Rechtsprechung
Im Unterschied zu den Sachverhalten in anderen Verfahren, in denen es um Kopftuchverbote ging, so etwa OLG Celle12 und LAG Rheinland-Pfalz,13 hat sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich diskriminierend geäußert. Als Grund für das Kopftuchverbot im Fitnessstudio hat sie lediglich eine Gesundheitsgefahr angeführt. Diese dem Anschein nach neutrale Begründung hat das LG Bremen ohne Weiteres akzeptiert, obwohl sie im Lichte der Anerkennung von Sporthijabs im Profisport zweifelhaft erscheint. So ist nach den offiziellen Regeln des Internationalen Handballverbandes das Tragen von Sporthijabs ausdrücklich erlaubt.14 Im Gegensatz dazu reichte dem ArbG Berlin in einer Entscheidung aus 2012 die Aufforderung, das Kopftuch abzulegen, nicht nur als Indiz für die Beweislastumkehr, sondern auch für die Annahme einer Diskriminierung.15 Dort stellte das Gericht fest, dass das “Kopftuch […] nicht ein gewöhnliches Kleidungs- oder Schmuckstück dar[stellt], bei welchem der Ausbilder aus Gründen der Arbeitssicherheit, der Ästhetik, der Gleichbehandlung oder der Normsetzung im Rahmen einer Kleiderordnung das Ablegen begehren könnte.”16


1 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 1; AG Bremen-Blumenthal v. 30.01.2012 -  42 C 1005/10.

2 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 2.

3 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 2.

4 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 3.

5 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 2.

6 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 4.

7 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 4.

8 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 5.

9 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 6.

10 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 8.

11 LG Bremen v. 21.06.2013 – 4 S 89/12, Rn. 11.

12 OLG Celle v. 13.02.2014 - 13 U 37/13.

13 LAG Rheinland-Pfalz v. 16.12.2019 - 3 Sa 132/19.

14 Vgl. Appendix 2, IV. Guidelines and Interpretations, IX Rules of the a) Indoor Handball, 1 March 2022.

15 ArbG Berlin v. 28. März 2012 – 55 Ca 2426/12.

16 ArbG Berlin v. 28. März 2012 – 55 Ca 2426/12 –, Rn. 33.

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