© Chris Howey/Shutterstock.com

Verfassungstreue eines in der MJD aktiven Lehrers

VGH Bayern v. 25.02.2014 - 3 ZB 12.143 

A. Sachverhalt
Der Kläger bewarb sich um eine Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe bei der Beklagten.1 Im Rahmen des Einstellungsverfahrens forderte die Beklagte die staatliche Personalakte des Klägers zur Einsichtnahme an.2 Diese enthielt einen Bericht des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, in dem Bezüge des Klägers zur Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD), zum Islamischen Zentrum München (IZM) und zur Muslimischen Jugend Deutschlands (MJD) dargestellt wurden.3 In einem Auskunftsersuchen teilte die Kriminalpolizei der Beklagten mit, dass der Kläger die Ideologie der Muslimbruderschaft (MB) vertrete und muslimische Jugendliche in deren Sinn schule.4 Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe aufgrund von Zweifeln an seiner Verfassungstreue ab.5 Dagegen suchte der Kläger erfolglos Rechtsschutz vor dem VG München.6

B. Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. Zunächst könne die Zulassung nicht damit begründet werden, dass das VG nicht berücksichtigt habe, dass sich die MJD, bei der der Kläger aktiv sei, gegen Gewalt und Rassismus sowie für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz engagiere und für ihre Jugendarbeit einen Preis vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten habe.7 Denn das VG habe keine Schlüsse aus der Mitgliedschaft des Klägers in der MJD gezogen.8 Vielmehr habe das VG seine Bewertung auf das konkrete Verhalten des Klägers im Rahmen seiner persönlichen MJD-Tätigkeit, wie das Verfassen einer sog. SWOT-Analyse und die Verwendung eines Trainingsprogramms mit verfassungswidrigem Inhalt gestützt.9

Des Weiteren könne die Zulassung nicht damit begründet werden, dass das VG dem Kläger aufgebeben habe, seine Verfassungstreue zu beweisen, obwohl das Gericht auf die Überprüfung der vom Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt sei.10 Das VG habe dem Kläger bloß Gelegenheit gegeben, Umstände darzutun, die möglicherweise nur ihm bekannt seien und die Eignungsprognose des Dienstherrn in einem anderen Licht erscheinen ließen.11

Darüber hinaus sei es ohne Belang, dass die auf dem Computer des Klägers befindlichen verfassungswidrigen Dokumente von einer Vielzahl von neutral zu beurteilenden Dokumenten umrahmt seien.12 Außerdem rechtfertige allein das kritische Informieren und Lesen der zahlreichen Dokumente zu islamistischer Literatur auf dem Laptop des Klägers zwar keine Zweifel an dessen Verfassungstreue.13 Diese Zweifel seien allerdings in der Gesamtschau mit anderen Umständen, wie etwa die vom Kläger selbst verfasste SWOT-Analyse, sehr wohl gerechtfertigt.14

Die Einschätzung des VG, dass der Kläger nicht nur selbst dem Gedankengut der MB nahe stehe, sondern dieses im Rahmen seiner Jugendgruppe lehre und weitergebe, sei nachvollziehbar, da der Kläger in seiner SWOT-Analyse eine Diskreditierung fürchte, wenn dieses Gedankengut „aufgedeckt” werde.15 Sofern das VG eine Nachricht aus dem Jahr 2003 zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2010 berücksichtigt habe, sei dies gerechtfertigt, da keine zuverlässige Abkehr des Klägers davon erkennbar sei, insbesondere da er weiterhin Veranstaltungen für die MJD organisiere, zu denen er Referenten mit eindeutigem Bezug zur IGD und MB einlade.16 Das VG habe zu Recht aus der wiederholten Tätigkeit des Klägers als Übersetzer der Freitagspredigt im IZM geschlossen, dass der Kläger eine Vertrauensposition im IZM genieße, sowie sich in den Dienst des IZM und damit letztlich von IGD und der MB gestellt habe.17 Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger aus dem IZM schon nach einigen Monaten ausgetreten sei, da es sich hierbei um einen formalen Akt gehandelt habe und der Kläger das IZM weiterhin regelmäßig besuche, Freitagspredigen übersetze und eine Jugendgruppe betreue.18

C. Einordnung in die Rechtsprechung
Das vorliegende Urteil ist Teil einer Reihe von Urteilen zur Verfassungstreue von Lehramtsbewerbern im Beamtenverhältnis. Obwohl sich die Lehramtsbewerber in all diesen Urteilen aktiv in verfassungsfeindlichen Organisationen engagierten, d.h. Versammlungen organisierten, Flugblätter schrieben oder Reden hielten, bewerteten die Gerichte unterschiedlich, ob dieses Verhalten Zweifel an der Verfassungstreue begründete.

In einem Urteil hat das BVerwG – im Gegensatz zur Vorinstanz19 – entschieden, dass die Zweifel an der Verfassungstreue einer Lehramtsbewerberin, die in Verbindung mit der Kommunistischen Partei Deutschlands und dem Kommunistischen Studentenverband stand und sich aktiv für diese einsetzte, begründet waren.20 In einem ähnlichen Urteil entschied das BVerwG, dass dasselbe für eine Lehramtsbewerberin gilt, die dem Marxistischen Studentenbund der Hochschule angehörte und sich für diese aktiv engagierte sowie Mitglied bei der Deutschen Kommunistischen Partei Mitglied war und sich von dieser bei der Bundestagswahl als Kandidatin aufstellen lassen hatte.21

Der VGH Baden-Württemberg entschied, dass ein Lehramtsbewerber trotz vorgeworfener herausgehobener Funktion in einer linksextremistischen Gruppe einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Einstellung in den Schuldienst im Beamtenverhältnis hatte.22 Dies begründete das Gericht damit, dass der Lehramtsbewerber beweisen konnte, dass er nicht gewaltbereit war und die vom Beklagten angeführten Vorfälle nicht beweisen würden, dass er aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten war.23

Das VG Darmstadt sah einen Ablehnungsbescheid des Schulamtes für rechtswidrig an, da dem Lehramtsbewerber trotz aktivem Engagement in der Antifaschistischen Initiative A-Stadt kein persönliches Verhalten bewiesen werden konnte, das mit der erforderlichen Evidenz und Dichte geeignet war, Zweifeln an der Verfassungstreue zu begründen.24


1 VG München, 11.01.2012 – M 5 K 10.2856, Rn. 6.

2 VG München, 11.01.2012 – M 5 K 10.2856, Rn. 8.

3 VG München, 11.01.2012 – M 5 K 10.2856, Rn. 8 f.

4 VG München, 11.01.2012 – M 5 K 10.2856, Rn. 11.

5 VG München, 11.01.2012 – M 5 K 10.2856, Rn. 17.

6 VG München, 11.01.2012 – M 5 K 10.2856, Rn. 24 f., 36.

7 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 5 f.

8 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 8.

9 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 8.

10 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 11.

11 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 12 f.

12 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 14.

13 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 22.

14 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 22.

15 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 26-32.

16 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 51, 53.

17 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 55-59.

18 VGH Bayern v. 25.02.2014 – 3 ZB 12.143, Rn. 61.

19 VGH Bayern v. 28.07..1978 - 54 III 77.

20 BVerwG v. 27.12.1980 – 2 C 38/79, Rn. 3-8, 25, 42-45.

21 BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1975 – II C 68.73, Rn. 3 f., 47.

22 VGH Baden-Württemberg v. 13.03.2007 – 4 S 1805/06, Rn. 24, 34.

23 VGH Baden-Württemberg v. 13.03.2007 – 4 S 1805/06, Rn. 50, 52.

24 VG Darmstadt v. 02.08.2007 – 1 E 1247/06, Rn. 6, 8, 21, 24, 38 ff.

Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies. Durch Nutzung dieser Seite stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.