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Keine Einbürgerung der Ehefrau bei Mehrehe

VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW 

Sachverhalt
Die Klägerin war syrische Staatsangehörige und besaß eine Niederlassungserlaubnis.1 Sie war Mutter von drei Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit, deren Vater sie in Syrien als zweite Ehefrau standesamtlich geheiratet hatte und der auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß.2 Die Klägerin beantragte die Einbürgerung, die der Beklagte unter Verweis auf die Mehrehe ablehnte.3 Dagegen wendete sich die Klägerin.4

Gründe
Die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 10 StAG auf Einbürgerung, weil die Gewährleistung der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse aufgrund der Mehrehe in Zweifel zu ziehen sei.5 Die Klägerin sei zwar nicht selbst mit mehreren Partnern verheiratet, doch sie sei Teil einer Mehrehe.6 Dies sei zwar nicht direkt vom Wortlaut der Norm erfasst, andererseits von diesem auch nicht ausgeschlossen.7 Dem Gesetzgebungsverfahren ließe sich jedoch der Zweck der Regelung, eine Unvereinbarkeit von Mehrehen mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu postulieren, entnehmen.8 Das Gesetz bezwecke somit die Beachtung des Grundsatzes der Einehe, mithin den Schutz des Instituts der Ehe.9 Dieses wäre nicht nur durch denjenigen angegriffen, der mit mehreren Ehegatten verheiratet sei, sondern durch sämtliche Beteiligte einer Mehrehe.10 Dass nicht der Schutz einer möglicherweise in einer Mehrehe gefangenen Frau maßgeblich sei, werde auch mit Blick auf § 30 Abs. 4 AufenthG bestätigt, der im Vergleich zu § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG keine Härtefallregelung enthalte.11 In der deutschen Gesellschaft werde die Ehe weiterhin als Einehe verstanden.12 Dies finde durch den § 172 StGB, der die Mehrehe von Deutschen unter Strafe stelle, und durch den Ehebegriff des Art. 6 Abs. 1 GG seine rechtliche Verankerung.13 Bei einer Mehrehe, die nur einem Geschlecht möglich sei, sei die gesellschaftliche Ächtung außerdem durch den Art. 3 Abs. 2 GG gestützt.14

Einordnung in die Rechtsprechung
Bei der Auslegung des Begriffs „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse” folgt das vorliegende Urteil der Rechtsprechung des BVerwG.15 Auch im Urteil des BVerwG wurde entschieden, dass die gesellschaftlich-kulturelle Prägung des Grundsatzes der Einehe und dessen rechtliche Verankerung diese zu einem Teil deutscher Lebensverhältnisse macht, in die sich der Einbürgerungsbewerber einzuordnen hat.16 Somit ist seit der Gesetzesänderung des § 10 StAG eine Einbürgerung bei eingegangener Mehrehe nicht mehr möglich.17


1 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 1.

2 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 2.

3 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 3.

4 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 10 f.

5 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 18, 20, 22f.

6 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 25.

7 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 26.

8 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 28 f.

9 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 44.

10 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 44.

11 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 45.

12 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 47.

13 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 47.

14 VG Greifswald v. 19.04.2021 - 2 A 258/21 HGW, Rn. 47.

15 BVerwG v. 29.05.2018 – 1 C 15.17.

16 BVerwG v. 29.05.2018 – 1 C 15.17, Rn. 24.

17 Vgl. VG Karlsruhe v. 08.05.2013 - 4 K 1419/11; VGH Mannheim v. 25.4.2017 – 12 S 2216/14.

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