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Befreiung eines Jungen vom koedukativen Schwimmunterricht

VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12

Sachverhalt
Der muslimische Antragsteller begehrte im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Befreiung gemäß § 43 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW vom koedukativ erteilten Schwimmunterricht.1 Ihm sei es nicht gestattet seinen Körper zu zeigen oder andere Körper zu betrachten.2 Nach dem von ihm vorgerbachten Koranvers müsse er seine Augen vor leicht bekleideten Frauen niederschlagen.3

Gründe
Das VG sah bereits keinen Anordnungsanspruch, weshalb es den Antrag ablehnte.4 Ein Anspruch auf Unterrichtsbefreiung gemäß § 43 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW sei nur dann gegeben, wenn ein wichtiger Grund hierfür nachvollziehbar dargelegt sei und die grundgesetzlich gewährleistete Glaubensfreiheit und der mit Verfassungsrang ausgestattete staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag im konkreten Einzelfall durch zumutbare Maßnahmen nicht zu einem schonenden Ausgleich geführt werden könnten.5 Dabei trage der Antragsteller die Darlegungslast für einen Gewissenskonflikt,6 dem er hier nicht hinreichend nachgekommen sei.7 Nach seinem Vorbringen sei er gehalten aufgrund des von ihm vorgebrachten Koranverses seinen Blick beim Anblick des anderen Geschlechts zu senken.8 Es sei nicht nachvollziehbar dargetan, weshalb dies im Schwimmunterricht unmöglich sei. Der Antragsteller nehme auch am Sportunterricht teil, an dem seine Mitschüler ebenfalls leicht bekleidet teilnehmen würden. So wie offensichtlich im Sportunterricht auch dürfte das Senken des Blickes im Schwimmunterricht für den Antragsteller kein Problem darstellen.9 Zwar könne der Blick nicht ständig gesenkt bleiben, jedoch müsse er dies auch nicht, da die Schüler überwiegend im Wasser seien und der Anblick unbekleideter Körper insoweit bereits eingeschränkt sei.10 Selbst bei Annahme eines Gewissenskonfliktes zu Gunsten des Antragstellers sei die Teilnahme am Schwimmunterricht ihm zumutbar.11 Da er auch in anderen Bereichen der Öffentlichkeit und in der Schule mit leicht bekleideten Personen konfrontiert sei und es ihm offensichtlich hier möglich sei, das zitierte Gebot einzuhalten, sei ihm dies auch im Schwimmunterricht zumutbar.12 Somit sei der Eingriff in die Religionsfreiheit in einem angemessenen Verhältnis zum staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag.13 Dabei seien die Lehrkräfte jedoch angehalten, pädagogisch dahingehend auf die Mitschüler einzuwirken, dem Antragsteller mit Toleranz zu begegnen und unziemliche Gesten und Berührungen zu unterlassen.14

Einordnung in die Rechtsprechung
Die Entscheidung befindet sich im Einklang mit später ergangenen Entscheidungen des BVerwG aus 201315 und des BVerfG aus 2016,16 bei denen es um die Frage ging, ob es einer Schülerin zumutbar ist, mit Burkini am Schwimmunterricht teilzunehmen. Im Ergebnis verwiesen die Gerichte auch dort auf Situationen außerhalb des Schwimmunterrichts, denen die Schülerin ausgesetzt war, insbesondere dem sonstigen Sportunterricht, an dem die Schülerin teilnahm, so dass die Richter keine schlüssige Darlegung einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Religionsfreiheit zu sehen vermochten.


1 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 2 ff.

2 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 15.

3 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 16.

4 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 3.

5 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 6.

6 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 10.

7 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 14.

8 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 18.

9 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 19.

10 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 19.

11 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 23 ff.

12 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 25.

13 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 26.

14 VG Köln v. 20.11.2012 – 10 L 1400/12, Rn. 25.

15 BVerwG v. 11.09.2013 – 6 C 25.12.

16 BVerfG v. 08.11.2016 – 1 BvR 3237/13.

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