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Beten auf der Arbeit?

DARF EIN ARBEITNEHMER AUF DER ARBEIT BETEN?

Kurzantwort: Arbeitnehmer haben in der Regeln ein Recht, auf der Arbeit zu beten. Gebetsort und Gebetszeiten sollten jedoch mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden.

Wird das Beten auf der Arbeit nicht bereits durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder ausdrücklich im Einzelarbeitsvertrag geregelt, was in der Regel nicht der Fall ist, beurteilt sich das Beten auf der Arbeit nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer ein sogenanntes Direktionsrecht gemäß § 106 Gewerbeordnung, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann.1 Der Arbeitnehmer kann allerdings nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme mittelbar aus dem Grundrecht auf Religionsfreiheit gemäß Artikel 4 Grundgesetz ein berechtigtes Interesse am Beten geltend machen, sofern er plausibel darlegen kann, dass er das Gebet während der Arbeitszeit bzw. der Pause für sich als verbindlich ansieht.2

Kann die Verrichtung des Gebets nicht durch eine geeignete Pausenregelung ermöglicht werden, kommt auch ein Beten  innerhalb der Arbeitszeit in Betracht.3 Nach der Rechtsprechung kann eine kurze Gebetspause zur Erfüllung einer religiösen Verpflichtung ein subjektives Leistungshindernis nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch darstellen.4 Das kurzzeitige Beten während der Arbeitszeit könne als eine Arbeitsverhinderung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ angesehen werden.5 Soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist, kann der Arbeitnehmer daher außerhalb seiner Pause während der Arbeitszeit, soweit er es als religiös verbindlich ansieht, das Gebet verrichten, ohne einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt zu verlieren. Der Arbeitnehmer hat dabei jedoch im Lichte seines Direktionsrechts gemäß § 106 Gewerbeordnung auf die betrieblichen Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.6 So darf der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nicht ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber verlassen.7 Selbst wenn es sich nur um ein kurzzeitiges Gebet handele, sei nach der Rechtsprechung grundsätzlich eine vorherige Abmeldung (im Sinne einer Anzeigepflicht) erforderlich.8 Denn der Arbeitgeber soll anhand der von ihm einzuschätzenden betrieblichen Erfordernisse den Zeitpunkt des Gebetes innerhalb des religiös vorgegebenen Rahmens selbst bestimmen können.9

Auch im Hinblick auf den Ort des Gebets sollte sich der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber absprechen, insbesondere um betriebliche Störungen vorzubeugen sowie berechtigte Einwände von anderen Mitarbeitern, nicht zwangsweise mit dem Gebet konfrontiert werden zu müssen, berücksichtigen zu können (siehe zur Reichweite der negativen Religionsfreiheit: hier).


LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 80.

2 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 83.

3 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 83.

4 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 88

5 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 88; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Aufl. 2017, § 97 Rn. 8.

6 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 89.

7 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 89.

8 Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 3 Rn. 493.

9 LAG Hamm, Urteil v. 26.02.2002, Az. 5 SA 1582/01, Rn. 90.

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