© Tobias Arhelger/Shutterstock.com

Entlassung eines Polizisten wegen „gelikter“ rechter und muslimfeindlicher Beiträge

OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23 

Sachverhalt
Der Antragsteller, ein 21-jähriger Kriminalkommissaranwärter, folgte einer Reihe von Instagram-Accounts der „Neuen Rechten“ und drückte mehrfach seine Zustimmung zu Beiträgen aus, die u.a. Muslime verschmähten und verunglimpften.1 Daraufhin entließ das Land Berlin den Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und ordnete die sofortige Vollziehung an, da sein Verhalten nicht den an seine Eignung zu stellenden Anforderungen gerecht werde.2 Der Antragsteller wendete sich an das VG Berlin, das den Entlassungsbescheid für rechtswidrig hielt und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wiederherstellte.3 Dagegen legte der Antragsgegner Beschwerde beim OVG Berlin-Brandenburg ein.

Gründe
Die Beschwerde hatte Erfolg.4 Nach § 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG müssten Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten und nach § 101 S. 2 LBG müssten sich Polizeivollzugskräfte für den Schutz dieser Grundordnung einsetzen.5 Dies umfasse auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten.6 Nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 33 Abs. 5 GG unterlägen Beamte einer politischen Treuepflicht, die erfordere, dass sie den Staat und seine geltende Verfassungsordnung nicht nur formal bejahen, sondern sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.7 Der Dienstherr müsse beurteilen, ob begründete Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten auf Widerruf bestünden und demnach die beamtenrechtliche Eignung fehle.8 Dabei sei es ausreichend, dass der Dienstherr die Zweifel auf äußere Verhaltensweisen des Betroffenen von hinreichendem Gewicht stütze und wertend auf mögliche darin zum Ausdruck kommende innere Einstellungen schließe.9 Somit seien Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung nicht nötig sowie eine äußerlich beanstandungsfreie Erfüllung dienstlicher Aufgaben nicht entscheidend.10 Zudem könnten sich Zweifel an der Verfassungstreue nicht nur durch Einzeltatsachen von hinreichendem Gewicht, sondern auch durch mehrere Tatsachen, die erst in ihrer Gesamtheit hinreichend schwer wiegen, ergeben.11 Folglich habe der Antragsgegner richtigerweise für seine Bewertung die äußeren Verhaltensweisen des Antragstellers nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtschau gewürdigt und sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, den Antragsteller zu entlassen.12 Schließlich habe der Antragsgegner auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend mit dem fiskalischem Interesse des Landes Berlin begründet und es bestehe kein widerstreitendes öffentliches Interesse an einer Fortzahlung der Anwärterbezüge, da das Beamtenverhältnis auf Widerruf der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung diene.13

Einordnung in die Rechtsprechung
Das Urteil ist Teil einer Serie von gerichtlichen Entscheidungen der letzten Zeit, die Entlassungen von Polizeibeamten auf Widerruf wegen Zweifel an der Verfassungstreue aufgrund deren Zustimmung zu rechtsextremen Inhalten zum Gegenstand haben.

So entschied das VG Düsseldorf in zwei Fällen, dass es rechtmäßig war, Polizeibeamte aus dem Widerrufsbeamtenverhältnis zu entlassen bzw. nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, da sie in einer WhatsApp-Chatgruppe rassistische und fremdenfeindliche Bilder sowie Bilder, die die Gewalt- und Willkürherrschaft Hitlers verharmlosten, versandten.14 Dabei betonte das VG Düsseldorf, dass die Polizei in ganz besonderem Maße auf ihr Ansehen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger angewiesen sei und auch Minderheiten sich für ihren Schutz auf die Unvoreingenommenheit der Polizei verlassen können müssen.15 In einem anderen Fall bestätigte das OVG Bremen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte eines Beamten im Feuerwehrdienst, das aufgrund des Versands von Bildern und Textnachrichten mit eindeutig nationalsozialistischen, rechtsextremen und rassistischen Inhalten ausgesprochen wurde.16

Davon zu unterscheiden sind Fälle der bloßen passiven Teilnahme an WhatsApp-Gruppen, bei denen der Polizeibeamte etwa aufgrund der großen Zahl an Nachrichten die wenigen nationalsozialistischen Beiträge nicht einmal wahrnimmt.17 In Fällen bloßer Passivität kann nach der Rechtsprechung jedoch dann Zweifel an der charakterlichen Eignung aufkommen, wenn häufig beanstandungswürdige Nachrichten in der Gruppe vorkommen und diese deutlich den Chat prägen.18

Die hohen Anforderungen an die Verfassungstreue von Beamten stehen im Einklang mit den in der Literatur vertretenen Ansichten.19


1 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 1 f.

2 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 2.

3 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 3; VG Berlin v. 21.02.2023 – 26 L 15/23.

4 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 1.

5 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 5.

6 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 5.

7 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 5.

8 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 6 f.

9 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 7.

10 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 7, 11.

11 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 9.

12 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 8 f., 12.

13 OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023 – OVG 4 S 11/23, Rn. 14.

14 VG Düsseldorf v.  25.07.2023 – 2 K 2957/23; VG Düsseldorf v. 25.07.2023 – 2 K 8330/22.

15 VG Düsseldorf v.  25.07.2023 – 2 K 2957/23, Rn. 27, 30; VG Düsseldorf v. 25.07.2023 – 2 K 8330/22, Rn. 38, 48; vgl. auch OVG Bremen v. 10.5.2023 – 2 B 298/22, Rn. 78; VG Freiburg v. 23.3.2021 – 3 K 2383/20, Rn. 28, 41, 45, 50.

16 OVG Bremen v. 10.5.2023 – 2 B 298/22.

17 OVG Münster v. 25.03.2021 – 6 B 2055/20, Rn. 20 ff.

18 OVG NRW v. 25.03.2021 – 6 B 2055/20, Rn. 53; OVG Münster v. 25.03.2021 – 6 B 2055/20, Rn. 44.

19 Voßkuhle, NVwZ 2022, 1841, 1844; Keller, jurisPR-ITR 18/2015 Anm. 4, D; Masuch, NVwZ 2021, 520 ff.

Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies. Durch Nutzung dieser Seite stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.