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Aufnahme von Lichtbildern ohne Kopftuch im Rahmen erkennungsdienstlicher Maßnahmen

VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252 

Sachverhalt
Eine kopftuchtragende Muslimin wendet sich im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen eine erkennungsdienstliche Maßnahme, soweit sie darin zur  Aufnahme von Lichtbildern im gänzlich unverschleierten Zustand, also ohne ihr Kopftuch, verpflichtet wurde.1

Gründe
Das VG Würzburg sah die Klage als begründet an und hob den Bescheid bzgl. der erkennungsdienstlichen Maßnahme im unverschleierten Zustand auf.2 Zwar lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen im Allgemeinen vor.3 Doch die Anordnung der Aufnahme von Lichtbildern im unverschleierten Zustand erweise sich  aufgrund der fehlenden Begründung dieser konkreten Maßnahme und eine fehlende Berücksichtigung der Religionsfreiheit der Muslimin bei der Entscheidung für die Anordnung als ermessenfehlerhaft und mangels Erforderlichkeit als unverhältnismäßig.4 Die Klägerin habe substantiiert darlegen können, dass das Tragen des Kopftuches bei ihr religiös motiviert sei, mithin dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuzuordnen sei.5 Da dies von der Beklagten beim Auswahlermessen nicht berücksichtigt worden sei, liege ein Ermessenausfall vor und der Bescheid sei materiell rechtswidrig.6 Zudem liege, wie die Beklagte behauptet, kein Nachschieben von Gründen gem. § 114 Satz 2 VwGO vor, denn dies setzte voraus, dass das Ermessen vorher bereits ausgeübt wurde.7 Es lasse sich des Weiteren nicht aus den Akten entnehmen, dass die Klägerin jemals in der Öffentlichkeit oder während einer Tat ohne ihr Kopftuch gesehen worden wäre,8 weshalb die Aufnahme von Lichtbildern im unverschleierten Zustand zur Identifizierung unverhältnismäßig sei.9

Einordnung in die Rechtsprechung
Aus dem Urteil folgt, dass die Verhältnismäßigkeit der Aufnahme von Lichtbildern ohne Kopftuch vor allem von der Frage abhängt, ob die betroffene Muslima zuvor in der Öffentlichkeit oder während einer Straftat ohne Kopftuch gesehen wurde. Obgleich dies in der Praxis nicht ohne Weiteres feststellbar ist, handelt es sich um ein relatives klares und damit brauchbares Kriterium. Im Übrigen steht das Urteil im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Maßnahme.10 Insbesondere nach einem Beschluss des BVerwG ist bei der Beurteilung der Notwendigkeit der maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung.11


1 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 1 f., 8.

2 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 18 f., 45.

3 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 20.

4 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 21, 28.

5 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 31 f.

6 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 34, 38.

7 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 36 f.

8 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 43.

9 VG Würzburg v. 18.05.2018 – W 9 K 18.252, Rn. 44.

10 Vgl. BVerwG v. 27.06.2018 – 6 C 39/16 VG, Rn. 22; BVerwG v. 23.11.2005 – 6 C 2/05, Rn. 22, VG des Saarlandes v. 29.03.2017 – 6 K 1127/15.

11 BVerwG v. 14.07.2014 – 6 B 2/14, Rn. 5.

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