HAT DER ARBEITNEHMER ZUM ZWECK DER GROSSEN PILGERFAHRT (HADSCH) GEGENÜBER DEM ARBEITGEBER EINEN ANSPRUCH AUF URLAUB UND/ODER UNBEZAHLTE FREISTELLUNG?
Kurzantwort: Der Arbeitnehmer darf seinen Urlaub grundsätzlich auch z.B. 4 Wochen am Stück nehmen, um zur großen Pilgerfahrt zu fahren. Er muss den Urlaub jedoch frühzeitig einreichen. Reicht der noch verfügbare Urlaub nicht aus, könnte der Arbeitnehmer unbezahlte Freistellung beantragen, soweit keine betrieblichen Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.
Arbeitnehmer, die gemäß § 4 Bundesurlaubsgesetz mindestens schon sechs Monate in einem Arbeitsverhältnis standen, haben in jedem Kalenderjahr nach §1 Bundesurlaubsgesetz Anspruch auf die Gewährung eines bezahlten Erholungsurlaubs. Wann dieser Urlaub genommen wird, ist grundsätzlich erstmal dem Arbeitnehmer überlassen,1 so dass er grundsätzlich gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Urlaub zum Zweck der großen Pilgerfahrt (Hadsch) haben kann. Der Arbeitgeber kann gemäß §7 Absatz 1 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers nur dringende betriebliche Belange, wie etwa personelle Engpässe oder arbeitsintensive Zeiten,2 oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang haben, entgegensetzen. Daher sollten Arbeitnehmer den Urlaubswunsch so früh wie möglich einreichen, damit der Arbeitgeber seinen Betrieb auf den Urlaub einstellen kann. In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass bei Urlaubsbegehren aufgrund religiöser Gründe „dringende Belange“ des Arbeitgebers nicht ausreichen, um den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers abzulehnen, weil der Arbeitnehmer mittelbar aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit aus Artikel 4 Grundgesetz besonderes geschützt wird.3 Der Arbeitgeber müsse nach dieser Auffassung in eine nicht „hinnehmbare Versorgungslücke“ oder in eine „existenzielle Notlage“ geraten, damit er dem Arbeitnehmer den Urlaub verwehren darf.4
Reicht der noch verfügbare Urlaub des Arbeitnehmers nicht aus, um an der Hadsch teilzunehmen, kann der Arbeitnehmer im Rahmen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß §242 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. dem Arbeitsvertrag im Lichte des Grundrechts auf Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Grundgesetz ein berechtigtes Interesse an einer unbezahlten Freistellung geltend machen, soweit die betrieblichen Belange des Arbeitgebers dem nicht entgegenstehen.5
1 BeckOK, ArbR/Lampe, 48. Ed. 1.6.2018, BUrlG, § 7 Rn. 1, 8.
2 BeckOK, ArbR/Lampe, 48. Ed. 1.6.2018, BUrlG, § 7 Rn. 10.
3 Schneider, Anspruch auf „Religionsurlaub“?- Die Frage nach den Auswirkungen religiöser bzw. weltanschaulicher Überzeugungen auf das Arbeitsverhältnis, in: ArbRAktuell 2016, S. 298 (299); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG-Komm., 14. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 52.
4 Schneider, Anspruch auf „Religionsurlaub“?- Die Frage nach den Auswirkungen religiöser bzw. weltanschaulicher Überzeugungen auf das Arbeitsverhältnis, in: ArbRAktuell 2016, S. 298 (299f.); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG-Komm., 14. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 52.
5 Vgl. Hoevels, Islam und Arbeitsrecht, 2003, S. 200.