DARF DER RICHTER EINER ZUHÖRERIN IM GERICHTSSAAL DAS TRAGEN DES KOPFTUCHES VERBIETEN?
Kurzantwort: Der Richter darf einer Zuhörerin im Gerichtssaal das Tragen des Kopftuches nicht verbieten, wenn das Kopftuch aus religiösen Gründen getragen wird und die Zuhörerin als Person erkennbar bleibt.
Der Richter ist gemäß § 176 Gerichtsverfassungsgesetz mit der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung beauftragt. Er darf daher während der Sitzung jedes Verhalten verbieten, das dem Ansehen und der Würde des Gerichts widerspricht.1 Dazu gehört auch das Verbot des Tragens unangemessener Kleidung.2 Das Tragen des Kopftuches aus religiösen Gründen ist allerdings im Rahmen der Religionsfreiheit gemäß Artikel 4 des Grundgesetzes geschützt und grundsätzlich kein Verhalten, das das Ansehen und der Würde des Gerichts widerspricht. Nach der Rechtsprechung ist deshalb ein entsprechendes Verbot unzulässig, wenn das Kopftuch aus religiösen Gründen getragen wird und auszuschließen ist, dass dadurch zugleich die Missachtung gegenüber dem Richter oder anderen Anwesenden ausgedrückt werden soll und der Zuhörer als Person identifizierbar bleibt.3
1 BeckOK, GVG/Walther, 1. Ed. 1.6.2018, GVG, § 176, Rn. 8.
2 BVerfG, Beschluss v. 27.06.2006, Az. 2 BVR 677/05, Rn. 18.
3 BVerfG, Beschluss v. 27.06.2006, Az. 2 BVR 677/05, Rn. 20.