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Rechtsurteile

Vornamensänderung aufgrund der Konvertierung zum Islam

Bei einer Vornamensänderung müssen das Interesse der Person an der Vornamensänderung und das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Vornamens miteinander abgewogen werden. Zwar ist dem Interesse einer Person, die zum Islam konvertiert ist und einen islamischen Vornamen führen will, im Lichte des Art. 4 GG, ein besonderes Gewicht beizumessen. Dennoch vermag dieses Interesse nicht das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Vornamens zu übersteigen, wenn die in Frage stehende Person in Strafhaft ist und im Schuldnerverzeichnis aufgeführt ist, aufgrund dessen an seiner Identifizierung ein großes öffentliches Interesse besteht. (Leitsatz der Redaktion)


Urteil:

I. Die Klage wird abgewiesen. […]

 

Zum Sachverhalt:

 

Gegenstand des Verfahrens ist die vom Kläger beantragte Änderung seines Vornamens von ... in ...

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Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 31. Juli 2001 weist für den am ... geborenen Kläger für den Zeitraum von 1983 bis 1998 16 Eintragungen auf. Letztmals wurde der Kläger durch Urteil des Landgerichts Konstanz vom 6. November 1998, rechtskräftig seit 24. März 1999 […] zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Der Kläger befindet sich seit dem 6. Februar 1998 in Haft. Der Kläger wurde nicht zum 2/3 – Zeitpunkt am 24. Januar 2003 entlassen. Das Strafende ist für den 26. Mai 2005 vorgesehen.

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Der Kläger ist nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO vom 25. Januar 2002 im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Neu-Ulm, Stand 27. März 2002, eingetragen.

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Am 22. März 2002 beantragte der Kläger bei der Gemeinde seines Wohnsitzes vor der Inhaftierung die Änderung seines Vornamens von ... in ..., wobei ... der Rufname sein soll. Zur Begründung führte er an, im Jahr 1997 zum Islam konvertiert zu sein und dabei den Vornamen ... angenommen zu haben. Am 20. Dezember 2001 sei er aus der evangelischen Kirche ausgetreten.

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Die Gemeinde leitete den Antrag an die zuständige Kreisverwaltungsbehörde weiter. Mit Schreiben vom 16. Mai 2002 ergänzte der Kläger die Begründung für seinen Antrag auf Änderung des Vornamens. Er werde seit seinem Übertritt zum Islam von jedem nur noch mit seinem ... Namen angesprochen. Er wünsche daher, dass diese Namensänderung auch amtlich vollzogen werde. Die Haftstrafe bzw. der Eintrag im Schuldnerverzeichnis könnten dem nicht entgegenstehen. Bei einer Heirat stehe es ihm schließlich auch frei, den Nachnamen seiner Ehefrau anzunehmen, was erheblich gravierender sei, als die Änderung des Vornamens. Darüber hinaus führe die Namensänderung auch im Bundeszentralregister und im Schuldnerverzeichnis zu einer entsprechenden Berichtigung. Schließlich müsse die beantragte Änderung des Vornamens gerade auf Grund des besonderen Schutzes der Religionsfreiheit möglich sein.

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Nach vorheriger Anhörung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 2002 den Antrag des Klägers auf Änderung des Vornamens ab.

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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis und der noch andauernden Strafhaft überwiege im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Vornamens das schutzwürdige Interesse des Klägers an der Änderung des Vornamens. Ein wichtiger Grund, der die Namensänderung rechtfertige, sei nicht gegeben.

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In der mündlichen Verhandlung am 29. April 2003 machte der Kläger erstmals geltend, dass er seine bisherigen Vornamen als Belastung empfinde. So habe er den Vornamen ... nach einem früh verstorbenen Kind seiner Großmutter und den Namen ... nach einem ehemaligen Freund seiner Patentante erhalten. Auf Grund dessen und weil er als nicht eheliches Kind von seiner Großmutter nie ganz akzeptiert worden sei, habe er das Gefühl gehabt, nie einen eigenen Namen zu besitzen. Dies habe ihn daran gehindert, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Eigenständigkeit habe er zum ersten Mal gespürt, als er zum Islam übergetreten sei. Er sei stolz auf den von ihm selbst ausgesuchten Vornamen. […]

 

Gründe:

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[…] Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Änderung seines Vornamens von ... in ... zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).

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Der Vorname darf nach § 11 des Namensänderungsgesetzes (NamÄndG), § 3 Abs. 1 NamÄndG nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Die für die Entscheidung erheblichen Umstände sind nach § 3 Abs. 2 Halbsatz 1 NamÄndG von Amts wegen festzustellen. Bei dem Begriff "wichtiger Grund" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt […].

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Das in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit steht der gesetzlichen Forderung, Vornamen nur aus wichtigem Grund zu ändern, nicht entgegen […]. Die Führung des Vornamens ist der freien Disposition des Träger des Namens entzogen. Der subjektive Wunsch allein, einen anderen Vornamen führen zu wollen, reicht für eine Änderung nicht aus. Es ist vielmehr - ebenso wie bei Familiennamen – eine Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Interessen vorzunehmen. Ein eine Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG liegt vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung sprechenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt […]. Davon ist auch bei der Prüfung des auf die Änderung eines Vornamens gerichteten Antrags auszugehen. Von der Änderung des Familiennamens unterscheidet sich die Änderung des Vornamens aber insoweit, als den öffentlichen Interessen, die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, ein geringeres Gewicht zukommt, als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens […]. Das spiegelt sich auch in der Regelung in Nr. 62 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen […] wieder.

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Soweit der Kläger als Grund für die beantragte Änderung des Vornamens die Zugehörigkeit zum Islam nennt, ist nach Maßgabe der oben dargelegten Kriterien im Rahmen einer Interessenabwägung im Einzelfall davon auszugehen, dass jedenfalls derzeit das Interesse des Klägers an der Änderung des Vornamens das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Vornamens nicht überwiegt.

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Da der Kläger seinen Antrag auf seinen islamischen Glauben stützt, kommt dem Begehren des Klägers im Lichte des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG ein besonderes Gewicht zu. Das Grundrecht erklärt die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses für unverletzlich. Der Grundsatz der Religionsfreiheit umfasst dabei nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Dabei sind nicht nur Überzeugungen, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen, durch die Glaubensfreiheit geschützt. Vielmehr umfasst sie auch die religiösen Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation eine ausschließlich religiöse Reaktion zwar nicht zwingend fordern, diese Reaktion aber für das beste und adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Anderenfalls würde das Grundrecht der Glaubensfreiheit sich nicht voll entfalten können […]. Zwar fordert die moslemische Glaubensgemeinschaft nicht zwingend die Annahme eines Vornamens, der die Zugehörigkeit zum moslemischen Glauben bestätigt. Gleichwohl ist dies innerhalb der Glaubensgemeinschaft eine verbreitete Übung. Der auf die islamische Religionszugehörigkeit gestützte Wunsch, den bisherigen Vornamen einen weiteren moslemischen Vornamen hinzuzufügen, kann daher grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG umfasst sein […].

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Das Gericht geht von der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung des Klägers jedenfalls für den im vorliegenden Fall maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts aus. Es fällt zwar auf, dass der Kläger nach seinen Angaben im Antrag auf Änderung des Vornamens vom 22. März 2002 angibt, bereits im Jahr 1997 zum Islam übergetreten zu sein und dabei den Namen ... angenommen zu haben, er nach seinen Angaben aber erst am 20. Dezember 2001 aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist. Dass ein überzeugter Angehöriger der moslemischen Glaubensgemeinschaft über Jahre hinweg gleichzeitig Angehöriger der evangelischen Kirche bleibt, ist nicht nachvollziehbar. Insoweit bestehen für den Zeitraum bis Ende 2001 erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung des Klägers. Für den Zeitraum nach dem Austritt aus der evangelischen Kirche kann die Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung des Klägers dagegen zumindest nicht als widerlegt angesehen werden, zumal Art. 4 Abs. 1 GG auch die innere Einstellung zur Religion schützt und einer belegbaren aktiven Teilnahme am islamischen Glaubensleben bereits durch die Inhaftierung des Klägers enge Grenzen gesetzt sein dürften.

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Ein die Änderung des Vornamens rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG ist gleichwohl nicht gegeben. Der Kläger befindet sich nämlich seit dem 26. Februar 1998 in Strafhaft, das Strafende ist für den 26. Mai 2005 vorgesehen. Außerdem ist der Kläger nach der Auskunft des Amtsgerichts Neu-Ulm, Stand 27. März 2002, in das dortige Schuldnerverzeichnis aufgenommen. In diesem Fall kommt dem Gesichtspunkt der Identifizierbarkeit des Klägers eine besondere Bedeutung zu, die eine vom Regelfall abweichende Gewichtung der Interessen erfordert […]. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt dies nicht nur in den Fällen, in denen die bisherigen deutschen Vornamen vollständig durch einen islamischen Vornamen ersetzt werden sollen, sondern auch dann, wenn (lediglich) den bisherigen Vornamen ein islamischer Vorname hinzugefügt werden soll. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat der Kläger jedenfalls derzeit keinen Anspruch auf Änderung seines Vornamens. Dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - bei einer Heirat nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts den Namen seiner Ehefrau annehmen könnte, steht dem nicht entgegen. Zwar stellt die Änderung des Familiennamens einen gravierenderen Eingriff in die Ordnungsfunktion des Namens als die Änderung des Vornamens dar, gerade wenn es um das Hinzufügen lediglich eines weiteren Vornamens geht. Trotz dieses vermeintlichen Wertungswiderspruchs beruht die unterschiedliche Handhabung aber auf dem sachlichen Grund, dass im Bürgerlichen Recht der Gesetzgeber sich für die freie Wahl des Ehenamens bei der Heirat entschieden hat. Demgegenüber dient die öffentlich-rechtliche Namensänderung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur dazu, Unzuträglichkeiten zu beseitigen, die bei der Führung des nach Bürgerlichem Recht zu tragenden Namens auftreten […]. Schließlich werden die mit der Versagung der Namensänderung verbundenen Nachteile auch dadurch abgemildert, dass das deutsche Namensrecht keine starre Namensführungspflicht kennt, so dass sich der Betroffene im Familien- oder Freundeskreis jederzeit mit dem von ihm bevorzugten Vornamen rufen lassen kann. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 31. Juli 2002 vorträgt, jeder spreche ihn nur noch mit seinem islamischen Vornamen an und er wolle dies nun auch noch "amtlich machen", zielt der Antrag auf Namensänderung letztlich auf eine staatliche Anerkennung des Eintritts in eine Religionsgemeinschaft ab […]. Insoweit überwiegt aber das Interesse an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Vornamens aus Gründen der Identifizierung der Person des Klägers jedenfalls nicht, solange sich dieser in Strafhaft befindet und im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Dass die Änderung des Vornamens auch im Schuldnerverzeichnis und in behördlichen Urkunden wie z.B. Personaldokumenten eingetragen würde, ändert daran nichts. Es wird vielmehr gerade daraus deutlich, dass dadurch die Identifizierbarkeit des Klägers, der dann im Rechtsverkehr und gegenüber Behörden unter einem neuen Namen aufträte, erschwert würde. 

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Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2003 erstmals vorgetragen hat, seine bisherigen Vornamen stellten für ihn eine Belastung dar, die ihn an der Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit hinderten, kann dies ebenfalls keinen Anspruch auf Änderung des Vornamens begründen. Zwar kann ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG vorliegen, wenn die Namensänderung dazu beiträgt, den Betroffenen von einer seelischen Belastung zu befreien, die seiner Persönlichkeitsentwicklung hinderlich ist und der Betroffene bei objektiver Betrachtung Grund zu der Empfindung hat, sein Name hafte ihm als Bürde an […]. Die Frage, ob die bisherigen Vornamen für den Kläger eine seelische Belastung darstellen, die ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG ist und einen Anspruch auf Namensänderung begründet, ist Gegenstand der im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung vorzunehmenden Abwägung der öffentlichen Belange mit den Belangen der Kläger und unterliegt der freien tatrichterlichen Würdigung […]. Eine seelische Belastung im Sinne eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung liegt nur dann vor, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist […].

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Dabei ist nicht ausschließlich auf die subjektive Sicht des Betroffenen abzustellen. Entscheidend ist vielmehr, ob dieser bei objektiver Betrachtung Grund zu der Empfindung hat, sein Name hafte ihm als Bürde an […]. Der Kläger hat seinen Antrag auf Namensänderung vom 22. März 2002 zunächst ausschließlich mit religiösen Motiven, nämlich dem Übertritt zum moslemischen Glauben, begründet. Dass er seine Vornamen als seelische Belastung empfinde, hat er erstmals in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2003 vorgebracht. Unabhängig davon ist nicht davon auszugehen, dass gerade die beiden Vornamen des Klägers für diesen eine seelische Belastung darstellen, die ihn - wie von ihm geltend gemacht - an der Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit gehindert haben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst eine Reihe anderer Umstände angedeutet, die er als maßgebliche Ursachen für seine Probleme ansieht. Darüber hinaus ist auch in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich, nach der auf Grund der Inhaftierung und Eintragung im Schuldnerverzeichnis besondere Umstände vorliegen, so dass dem Gesichtspunkt der Identifizierbarkeit des Klägers eine besondere Bedeutung zukommt und das öffentliche Interesse an der unveränderten Beibehaltung der Vornamen das Interesse des Klägers an der Änderung seines Vornamens überwiegt. […]

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