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Rechtsurteile

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Übernahme der Beschneidungskosten durch den Sozialhilfeträger

Die Beschneidung ist nicht als medizinische Behandlung, welche als solche nicht erforderlich wäre, zu werten, sondern als ein mit der Taufe vergleichbarer besonderer Anlass, aufgrund dessen eine einmalige Leistung einem Sozialleistungsempfänger gem. §§12, 21 Abs. 1a Nr. 7 BSHG zu gewähren ist. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsatz:

Ein hilfebedürftiges Kind muslimischen Glaubens hat Anspruch darauf, dass ihm der Sozialhilfeträger eine einmalige Leistung aus besonderem Anlass durch Übernahme der Kosten für die Beschneidung durch einen Arzt gewährt.

 

Gründe:

 

Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Die Antragsteller haben gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie gemäß §§ 12, 21 Abs. 1 a Nr. 7 BSHG beanspruchen können, dass der Antragsgegner ihnen Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der Kosten ihrer (ambulanten, medizinisch fachgerechten) Beschneidung durch einen Arzt gewährt, und dass eine einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist.

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Die Beschneidung der Antragsteller, die (wie alle Mitglieder ihrer Familie) muslimischen Glaubens sind, ist – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – nicht als medizinische Behandlung zu beurteilen, so dass – weil sie zur Besserung von Krankheitsfolgen nicht erforderlich ist – Krankenhilfe gemäß § 37 BSHG nicht zu gewähren ist. Sie hat vielmehr im muslimischen Kulturkreis eine der Taufe im christlichen Kulturkreis vergleichbare religiöse und gesellschaftliche Bedeutung […]. Wie diese ist sie deshalb als besonderer Anlass im Sinne des § 21 Abs. 1 a Nr. 7 BSHG zu werten, für den die im Einzelfall notwendigen einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt gewährt werden. Diese umfassen nicht nur eine private Feier aus Anlass der Beschneidung nach islamischem Glauben […], sondern auch den notwendigen Aufwand für die Beschneidung(-soperation) als solche. Die Kosten derselben - die einer Phimoseoperation […] vergleichbar ist – schätzt der Senat für den vorliegenden Fall auf insgesamt höchstens 100,-- EURO je Antragsteller […].

2

Auch die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) ist hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei sieht der Senat den Vortrag der Antragsteller im Gerichtsverfahren, dass die Gäste auf den 25. Juli 2002 zu der Familienfeier geladen sind, die Beschneidung selbst vor der Feier vollzogen sein muss und eine etwaige Ausladung der geladenen Gäste für die ganze Familie gesellschaftliche Nachteile von erheblichem Gewicht nach sich ziehen würde, als glaubhaft an.

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