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Rechtsurteile

Streichung einer Schöffin aus der Schöffenliste wegen des Tragens eines Kopftuchs

Eine Schöffin kann nicht schon alleine deshalb für das Amt des Schöffen unfähig sein, weil sie ein Kopftuch trägt. Die Streichung von der Schöffenliste gem. §52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG ist deshalb nicht möglich. (Leitsatz der Redaktion)


Beschluss:

Die Schöffin T. L. wird nicht von der Schöffenliste gestrichen.

 

Gründe:

 

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG ist ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen, wenn seine Unfähigkeit zum Amt eines Schöffen eintritt oder bekannt wird. § 31 GVG regelt, dass das Ehrenamt eines Schöffen nur von Deutschen versehen werden kann. [...]

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Im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Deutschen Staatsangehörigkeit und weil ein ggf. hinzuzuziehender Dolmetscher an der Beratung einer Strafkammer nicht teilnehmen dürfte wird man mit guten Gründen – wie auch die Staatsanwaltschaft – davon ausgehen dürfen, dass Schöffen der deutschen Sprache mächtig sein müssen [...].

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Die Kammer hat sich durch persönliche Anhörung der Schöffin am 15.03.2005

davon überzeugt, dass diese die deutsche Sprache gut genug beherrscht, um einer Hauptverhandlung in Strafsachen zu folgen.

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Sie selbst hat diese Frage dahin beantwortet, dass sie nicht wisse, ob ihre Sprachkenntnisse ausreichen.

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Die Schöffin ist im Alter von 10 Jahren in die Bundesrepublik eingereist.

Sie hat hier die Hauptschule bis zum Abschluss besucht, eine Ausbildung zur Schneiderin absolviert und mehrere Jahre in diesem Beruf gearbeitet.

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Auf Anregung ihres Bruders hat Sie – einem Aufruf in der örtlichen Presse folgend – ihr Interesse und ihre Bereitschaft, das Schöffenamt auszuüben, den Behörden mitgeteilt. [...]

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In der entspannten Atmosphäre des Anhörungstermins redete die Schöffin fließend und unter Verwendung des deutschen Satzbaus, auch grammatikalisch richtig; kleinere Patzer korrigierte sie sogleich.

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Die Schöffin hat darüberhinaus auf Befragen erklärt, sie beabsichtige nicht, zur Ableistung des Schöffeneides oder während der Hauptverhandlung in Strafsachen, ihr Kopftuch abzulegen.

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Dies rechtfertigt es jedoch nicht, obwohl es wegen des ganzen Rummels inzwischen auch der Schöffin lieber wäre, sie von der Schöffenliste zu streichen. Eine Kleiderordnung für Schöffen sieht das Gesetzt nicht vor.

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Auch wenn der Gesetzgeber beim Erlass des § 31 GVG wohl nicht davon ausgehen konnte, dass dereinst Deutsche Staatsangehörige bei der Ausübung des Schöffenamtes aus religiösen oder kulturhistorischen Gründen ein Kopftuch tragen könnten, ergibt sich hieraus für den vorliegenden Fall nichts. [...]

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Artikel 4 Abs. 1 + 2 des Grundgesetzes schützt die Glaubensfreiheit und die Freiheit der Religionsausübung einschließlich des Verwendens und Tragens religiöser

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Symbole. Ob eine Einschränkung dieser Freiheiten durch ein Gesetz möglich wäre – etwa für den Bereich staatlicher hoheitlicher Tätigkeit – um die Neutralität staatlicher Organe sicherzustellen, bedarf hier keiner Entscheidung.

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Es bleibt deshalb eine Frage des Einzelfalles, ob künftige Beteiligte eines Strafverfahrens aus ihrer Sicht und unter Berücksichtigung des Verfahrensgegenstandes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Schöffen hegen und ggf. ein Ablehnungsgesuch anbringen. [...]

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