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Rechtsurteile

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Schutz des Art. 6 GG bei einer islamischen Ehe

Der Schutz der Ehe und der Familie, die durch den Art. 6 GG gewährleistet werden, gilt nicht abstrakt für alle Ehen, sondern nur für solche Ehen, die der herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen von einer Ehe entsprechen. Der Schutz des Art. 6 GG gilt allerdings auch für Ehen, die nach dem Heimatrecht eines der Eheschließenden als rechtsgültig zu beurteilen sind, sodass eine islamische Ehe nur dann diesen Schutz genießt, wenn nach dem Heimatrecht eine islamische Ehe eine rechtsgültige wäre. (Leitsatz der Redaktion)


Beschluss:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen. […]

 

Gründe:

 

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss abzuändern oder aufzuheben.

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Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde nicht glaubhaft gemacht, dass er einen der Abschiebung entgegenstehenden Duldungsanspruch hat. Ein solcher steht ihm insbesondere nicht nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 AuslG in Verbindung mit Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) zu.

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Die Auffassung des Antragstellers, er könne aufgrund der nach islamischem Ritus geschlossenen Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen I. den Schutz der genannten Grundrechtsnorm in Anspruch nehmen, trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet das Schutzgebot der Verfassung die Institution der Ehe nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht. Art. 6 Abs. 1 GG setzt insoweit gesetzliche Regelungen über die Form der Eheschließung und ihre sachlichen Voraussetzungen voraus. Dies ergibt sich aus der untrennbaren Verbindung des Grundrechts mit der Institutsgarantie der Ehe, die notwendig eine rechtliche Ordnung verlangt. Es bedarf einer allgemeinen familienrechtlichen Regelung, welche diejenige Lebensgemeinschaft zwischen Frau und Mann, die als Ehe den Schutz der Verfassung genießt, rechtlich definiert und abgrenzt. Die Ehe ist ein öffentliches Rechtsverhältnis in dem Sinne, dass die Tatsache der Eheschließung für die Allgemeinheit erkennbar ist, die Eheschließung selbst unter amtlicher Mitwirkung erfolgt und der Bestand der Ehe amtlich registriert wird. Der dem Gesetzgeber eingeräumte Gestaltungsspielraum, wie er die Form der Eheschließung und die sachlichen Voraussetzungen ausgestalten will, ist durch die Forderung nach einer Eheschließung vor einem Standesbeamten in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgefüllt worden. […]

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Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe nach deutschem Recht keine wirksame Ehe darstellt. Denn es fehlt – neben weiteren Voraussetzungen - an der erforderlichen Mitwirkung des Standesbeamten (§ 1310 BGB, Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB).

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Allerdings geht das Bundesverfassungsgericht insoweit von einem weiteren Begriff der Ehe aus, als es eine dem Schutz des Art. 6 GG unterliegende Ehe auch dann annimmt, wenn nach dem für den ausländischen Verlobten maßgebenden Heimatrecht eine rechtsgültige Ehe vorliegt, während die Verbindung für den deutschen Verlobten als "Nichtehe" zu beurteilen ist. […]

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Die von dem Antragsteller mit seiner deutschen Verlobten geschlossene islamische Ehe ist indes nicht nur nach deutschem, sondern auch nach türkischem Recht nicht wirksam. Nach Art. 141 ZGB kann eine wirksame Eheschließung in der Türkei ebenfalls nur in Anwesenheit des zuständigen Standesbeamten erfolgen. Daran fehlt es im Falle des Antragstellers nach seiner eigenen Darstellung. Wie sich weiter aus Art. 143 Satz 3 ZGB ergibt (Die Wirksamkeit der Eheschließung hängt nicht von der religiösen Trauung ab."), ist eine religiöse Trauung weder Voraussetzung für eine wirksame Ehe, noch ersetzt sie diese gar. […]

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Die islamische Ehe des Antragstellers vermag daher den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 GG nicht zu beanspruchen. […]

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Der Antragsteller hat mit seinem Beschwerdevorbringen das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Duldung auch insoweit nicht dargetan, als er sich auf seine angeblich unmittelbar bevorstehende Eheschließung nach deutschem Recht mit seiner Verlobten I. beruft.

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Allerdings ist mit dem Antragsteller davon auszugehen, dass Art. 6 GG bereits die Freiheit der Eheschließung schützt. Er entfaltet aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen aber erst, wenn die Eheschließung "unmittelbar bevorsteht". Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats erst dann der Fall, wenn alle Voraussetzungen für die Eheschließung vorliegen, mithin nichts mehr entgegensteht als der Ablauf der Zeit bis zum Termin für die Eheschließung. Solange nicht feststeht, dass und wann diese stattfinden wird, berührt die Beendigung eines Aufenthaltes, der zunächst noch der Herbeiführung der rechtlichen Voraussetzungen der Eheschließung dient, die Freiheit der Eheschließung nicht. Prognostische Erwägungen darüber, ob die Voraussetzungen für die Eheschließung in absehbarer Zeit vorliegen werden, sind kein geeigneter Anknüpfungspunkt für ein rechtliches Abschiebungshindernis nach Art. 6 GG in Verbindung mit § 55 Abs. 2 AuslG. Ebenso wenig kommt es hierfür darauf an, ob die Verlobten es in der Hand haben, das Eheschließungsverfahren zu beschleunigen. […]

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In Anwendung dieser Grundsätze hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Eheschließung unmittelbar bevorsteht. Nach seinem Vorbringen liegt "der einzige Grund für die bis dato nicht vorgenommene standesamtliche Trauung darin, dass die zuletzt bestehende Ehe des Antragstellers, die in der Türkei rechtskräftig geschieden wurde, in Deutschland beim Oberlandesgericht Düsseldorf noch ein Anerkennungsverfahren durchläuft". Damit hat der Antragsteller aber nicht alle erforderlichen Unterlagen (vgl. § 1309 BGB) für die beabsichtigte Eheschließung beigebracht. Der Eheschließung steht mithin nicht nur der Zeitablauf, sondern das Fehlen einer Eheschließungsvoraussetzung, entgegen. […]

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