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Rechtsurteile

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Rechtsnatur des Anspruchs auf Leistung einer Morgengabe nach türkischem Recht

Wenn die Morgengabe gem. Art. 14 EGBGB nach dem türkischen Recht zu beurteilen ist, so ist sie als Schenkungsversprechen zu qualifizieren, welches nach türkischem Recht keiner besonderen Form wie die des §518 BGB bedarf, sodass sie als eine einfache Abrede gültig ist und der Ehefrau dadurch ein Anspruch auf die schenkweise versprochene Morgengabe zusteht. (Leitsatz der Redaktion)


Orientierungssätze:

1. Der Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten Morgengabe ist während des Bestehens der Ehe der türkischen Eheleute nach dem Ehewirkungsstatut des EGBGB Art 14 […], also nach türkischem Recht zu beurteilen (Abgrenzung BGH, 28. Januar 1987, IVb ZR 10/86, NJW 1987, 2161).

2. Die Vereinbarung über die Leistung einer Morgengabe ist nach türkischem Recht in der Regel als Schenkungsversprechen auszulegen, das einer schriftlichen Vereinbarung bedarf; eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich.

 

Beschluss:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht -- Nürnberg (108 F 1854/00) vom 06.09.2000 abgeändert. […]

 

Gründe:

I.

 

Die zulässige Beschwerde (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) der Antragstellerin ist begründet. Ihre Klage bietet die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht.

1

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der bei der religiösen Trauung als "Mehir" vereinbarten Morgengabe wird im erstgerichtlichen Hauptsacheverfahren nach dem Ehewirkungsstatut des Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und demzufolge nach dem türkischen materiellen Recht zu beurteilen sein, weil beide Ehegatten türkische Staatsangehörige sind, die schriftlich vereinbarte Morgengabe noch nicht geleistet wurde und die Ehe der Parteien noch fortbesteht.

2

Die Morgengabe ("Mehir") ist ein eigenständiges Rechtsinstitut (vgl. BGH FamRZ 1987, 463; Bilge Öztan, FamRZ 1998, 624). Sie kann auch schon bei der Eheschließung zu zahlen sein […]. Der Anspruch auf eine noch nicht geleistete Morgengabe beurteilt sich während des Bestehens der Ehe nach dem Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB […].

3

Danach ist die Vereinbarung über die Morgengabe (Mehir) nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem beide Ehegatten angehören, hier also nach dem türkischen Recht.

4

Für eine Anwendung deutschen materiellen Rechts wie in den Fällen des BGH FamRZ 1999, 217 und 1987, 463 ist im vorliegenden Fall kein Raum, weil (anders als in den BGH-Fällen) keiner der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, weil die Morgengabe nicht auf eine Bedürftigkeit abstellt […] und sie deshalb kein "reiner" Unterhalt i. S. des Art. 18 Abs. 1 EGBGB ist, und weil sie hier bereits während des Bestehens der Ehe und nicht -- wie in den zitierten BGH-Fällen -- erst nach der Scheidung geltend gemacht wird (vgl. zum Zeitpunkt der Geltendmachung als mögliches Kriterium für die Qualifizierung BGH FamRZ 1987, 463).

5

Nach dem türkischen materiellen Recht (Art. 169 türk. ZGB) sind die Ehegatten befugt, Rechtsgeschäfte miteinander einzugehen. Sie können eine Morgengabe (Mehir) rechtswirksam vereinbaren […]. Beide Ehegatten wissen in der Regel, dass es nach türkischem Eheschließungsrecht der Vereinbarung eines "Mehir" nicht (mehr) bedarf. Wenn sie eine Morgengabe gleichwohl vereinbaren, ist dies i.d.R. als ein Schenkungsversprechen auszulegen, das der andere Ehegatte annimmt. Nach türkischem Recht genügt hierfür eine schriftliche Vereinbarung ohne notarielle Beurkundung […]. Auf die vom BGH (FamRZ 1987, 463, 465) erörterte Problematik der Formbedürftigkeit eines Ehevertrages nach deutschem Recht (§ 1410 BGB) bzw. eines Schenkungsversprechens nach § 518 BGB braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Wirksamkeit der vorliegenden Vereinbarung über eine Morgengabe (Mehir) nach türkischem Recht zu beurteilen ist (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). […]

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