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Rechtsurteile

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Islamische Ehe und der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG

Die Institutionsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG, welche eine rechtliche Ordnung verlangt, kann sich grundsätzlich nur auf nach deutschem bürgerlichen Recht wirksam geschlossene Ehen erstrecken, wobei eine nach islamischem Ritus im Inland geschlossene Ehe keine nach bürgerlichem Recht wirksame Ehe darstellt. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsatz:

Eine lediglich nach islamischem Ritus im Inland geschlossene Ehe zwischen einer Ausländerin und einem deutschen Staatsangehörigen kann nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs.1 GG einbezogen werden.

 

Gründe:

 

Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2004 wendet, soweit es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, ihr gegen die von der Antragsgegnerin vorgenommene - für sofort vollziehbar erklärte - nachträgliche zeitliche Beschränkung ihrer Aufenthaltsbefugnis und die Androhung der Abschiebung nach Syrien vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren sowie ihr für das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, bleibt erfolglos.

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1. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Antragstellerin gegen die von der Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 20. Oktober 2004 vorgenommene - für sofort vollziehbar erklärte - nachträgliche zeitliche Beschränkung ihrer Aufenthaltsbefugnis gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG (jetzt § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und die in dem Bescheid zugleich ausgesprochene Androhung der Abschiebung nach Syrien vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Der Senat, der die Erwägungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 10. Dezember 2004 für zutreffend erachtet, sieht daher gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen von einer (ausführlichen) Begründung seines Beschlusses ab. Lediglich mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen bemerkt der Senat: […]

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1.2 […] Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihr müsse gegen die von der Antragsgegnerin auch ausgesprochene Androhung der Abschiebung nach Syrien einstweiliger Rechtsschutz in Gestalt der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer (vorläufigen) Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG bzw. jetzt nach § 60 a Abs. 2 AufenthG gewährt werden, weil sie nach islamischen Ritus am 11. November 2004 in E. in der F. Moschee den am 1. September 2004 zum Islam übergetretenen deutschen Staatsangehörigen G. geheiratet habe und diese Verbindung auch unter dem Schutz der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG stehe, kann auch dies nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde führen. Allerdings hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nunmehr eine Bescheinigung der F. Moschee in E. vorgelegt, nach der sie bereits am 2. Mai 2004 nach religiösem Ritus, d. h. durch den Ausspruch der Verstoßung (Talaq), von ihrem Ehemann C. geschieden worden ist. Dies ist aber für die Frage unerheblich, ob der der Antragstellerin von der Antragsgegnerin angedrohten Abschiebung möglicherweise ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung entgegensteht. Denn wegen des gewöhnlichen Aufenthalts beider Eheleute (Antragstellerin/C.) in Deutschland ist nach Art. 17 Abs. 2 EGBGB die am 2. Mai 2004 möglicherweise erfolgte Scheidung als Privatscheidung für die staatliche Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland unwirksam […], ausländerrechtlich also unbeachtlich; vielmehr hätte für eine Wirksamkeit der Scheidung der Scheidungsausspruch eines staatlichen Gerichtes vorliegen müssen […]. Da dies (bisher) nicht der Fall ist - bei dem Termin vom 30. November 2004 vor dem Familiengericht D. wurde die im Jahre 1997 in Syrien geschlossene Ehe der Antragstellerin nicht geschieden -, muss die Antragstellerin ausländerrechtlich weiterhin als mit ihrem Ehemann C. verheiratet angesehen werden, wenn sie mit diesem auch nicht mehr in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt.

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1.3 Ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung kann sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht daraus ergeben, dass sie am 11. November 2004 den deutschen Staatsangehörigen H. nach religiösem Ritus geheiratet hat; denn diese Verbindung genießt nicht den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG, wie dies das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zutreffend festgestellt hat.

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Nach § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt in Deutschland eine wirksame Eheschließung voraus, dass sie vor einem Standesbeamten beurkundet wird. Dies gilt gem. Art. 13 Abs. 3 EGBGB auch dann, wenn einer der Verlobten wie hier die Antragstellerin Ausländerin ist. Allerdings kann auch eine sog. hinkende Ehe, also eine Eheschließung, die zwar nicht nach deutschem Recht, aber nach dem Recht des ausländischen Verlobten rechtswirksam zustande gekommen ist, den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießen […], auch kann eine derartige Ehe zumindest für die ausländerrechtliche Ermessensbetätigung Bedeutung gewinnen […]. Die am 11. November 2004 von der Antragstellerin eingegangene Verbindung kann aber nicht einmal als sog. hinkende Ehe aufgefasst werden; denn auch nach syrischem Recht handelt es sich bei dieser Verbindung nicht um eine wirksame Eheschließung. Wie der Senat unter Würdigung des syrischen Eherechts in seinem Urteil vom 9. Dezember 2002 […] bereits entschieden hat, bedarf auch nach syrischem Eherecht eine rechtswirksame Eheschließung einer staatlichen Anerkennung (durch einen Richter oder durch einen von ihm ermächtigten Rechtspfleger - vgl. Art. 43 des syrischen Personalstatutsgesetzes), weshalb die hier nur nach religiösem Ritus am 11. November 2004 geschlossene Ehe auch nach syrischem Recht unwirksam ist.

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Wenn die Antragstellerin schließlich meint, nach dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2001 […] falle eine nach islamischen Ritus geschlossene Ehe generell unter den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG, so dass ihr ein Duldungsanspruch zustehe, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Da der Beschluss des 4. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, der keine Angabe dazu enthält, in welchem Land die dort interessierende Ehe nach islamischen Ritus geschlossen worden war, auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 1985 […], das sich mit einer im Ausland (Jordanien) geschlossenen Ehe befasst hat, Bezug nimmt, ist anzunehmen, dass der Beschluss vom 17. Mai 2001 nur zu einer nicht im Inland - wie hier -, sondern im Ausland geschlossenen Ehe Aussagen enthält, mithin für dieses Beschwerdeverfahren nicht einschlägig ist. Aber selbst wenn sich die Entscheidung des 4. Senats auch auf eine im Inland nur nach islamischen Ritus geschlossene Ehe beziehen sollte, kann dies nach Auffassung des beschließenden Senats nicht dazu führen, die von der Antragstellerin am 11. November 2004 eingegangene Verbindung in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG einzubeziehen. Da in der Gemeinsamen Verfassungskommission der Versuch gescheitert ist, bei der Verfassungsreform des Grundgesetzes den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG auf nicht-eheliche Lebensgemeinschaften auszudehnen […], kann sich der Schutzbereich der Institutionsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG, die notwendig eine rechtliche Ordnung verlangt […], für im Inland geschlossene eheliche Verbindungen grundsätzlich nur auf formalisierte Eheschließungen erstrecken, die den Anforderungen genügen, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch bzw. das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch aufstellen […]. Diesen Anforderungen genügt aber – wie ausgeführt - die lediglich nach islamischen Ritus am 11. November 2004 in E. geschlossene Ehe der Antragstellerin mit dem deutschen Staatsangehörigen H. nicht. Mag der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG […] auch auf eine sog. hinkende Ehe auszudehnen sein, so muss aber insoweit zumindest hinsichtlich des ausländischen Ehepartners eine Anerkennung dieser Eheschließung nach dem Heimatrecht des Ausländers, mithin insoweit auch eine formalisierte Eheschließung vorliegen. Dies ist aber - wie bereits ausgeführt - bei der Eheschließung vom 11. November 2004 gerade nicht der Fall. […]

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