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Rechtsurteile

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Entlassung eines Polizisten im Beamtenverhältnis auf Widerruf aufgrund von gelikten Beiträge in „Neue Rechte“

Der Dienstherr darf einen Polizisten im Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen Zweifeln an der Verfassungstreue entlassen, wenn er zahlreiche Internetbeiträge der "Neuen Rechten" verfolgt und mehrere von ihnen gelikt hat, darunter solche, mit denen Moslems geschmäht und Pandemieschutzmaßnahmen mit der Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus gleichgesetzt werden.


Tenor

 

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Februar 2023 wird […] geändert. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Polizei Berlin vom 9. Dezember 2022 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

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Gründe

 

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Der Senat prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1, 3, 6 VwGO zunächst nur die fristwahrend zur Begründung der Beschwerde angeführten Erwägungen. […] Nach diesem Prüfprogramm hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers, eines 21-jährigen Kriminalkommissaranwärters, gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wiederhergestellt.

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Der Antragsgegner hat den Antragsteller nach dessen Anhörung mit Bescheid der Polizei Berlin vom 9. Dezember 2022 entlassen und zur Begründung angeführt, das vom Antragsteller gezeigte Verhalten ermögliche nicht die positive Feststellung, dass er mit vernünftige Zweifel ausschließender Sicherheit als Beamter in jeder Hinsicht den an dessen Eignung zu stellenden Anforderungen gerecht werde; insbesondere böte er auch nicht mehr die Gewähr, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten zu wollen und zu können. Der Antragsgegner hat in dem Bescheid festgestellt, dass der Antragsteller einer Reihe von Instagram-Accounts folge bzw. gefolgt sei, die der „Neuen Rechten“ zuzuordnen seien, und mehrfach seine Zustimmung zu einzelnen Beiträgen ausgedrückt habe. Dem ist eine Auflistung der entsprechenden Beiträge angefügt.

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Das Verwaltungsgericht hat den Entlassungsbescheid für rechtswidrig gehalten und führt zur Begründung an, der Antragsgegner habe die gesetzlichen Begriffe falsch ausgelegt und wiederholt einen unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt angewendet. Es nennt als Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Bekenntnisse zur Volkssouveränität, zur Gewaltenteilung, zur Verantwortlichkeit der Regierung, zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, zur Unabhängigkeit der Gerichte, zum Mehrparteienprinzip und zur Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verwaltungsgericht legt zu den Einzelpunkten der behördlichen Auflistung dar, warum es die Wertungen des Antragsgegners als verfehlt ansieht, und kommt zusammenfassend zu dem Schluss, die Bekundungen des Antragstellers seien von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt. Die Tatsachengrundlage für die behördliche Entscheidung sei unvollständig, weil der Antragsgegner eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Antragstellers unterlassen habe unter Einbeziehung seines Verhaltens im Dienst. […]

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Der Antragsgegner führt gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zutreffend an, dass damit der Beurteilungsspielraum des Dienstherrn zwar im Ausgangspunkt richtig gesehen, jedoch in der weiteren Prüfung unzulässig verengt worden sei.

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Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG müssen Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Gemäß § 101 Satz 2 LBG haben Polizeivollzugskräfte das Ansehen der Polizei und Disziplin zu wahren und sich rückhaltlos für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin einzusetzen. Zu den bereits vom Verwaltungsgericht angeführten Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört auch, wenn nicht zuvörderst, die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: „Berufsbeamte und Berufsrichter unterliegen einer politischen Treuepflicht, die zu den von Art. 33 Abs. 5 GG garantierten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt. […] Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern auch dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren“ (Beschluss vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 17).

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Es obliegt dem Dienstherrn zu beurteilen, ob begründete Zweifel an der Verfassungstreue bestehen oder nicht. Davon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Dem Dienstherrn steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. […] Geht es um die Pflicht zur Verfassungstreue, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr die Zweifel auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen des Betroffenen von hinreichendem Gewicht stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt; ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung sind in der Regel nicht erforderlich (BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – juris Rn. 31 f.). Auch ist es für die innere Einstellung gegenüber der Verfassung nicht entscheidend, ob der Beamte die dienstlichen Aufgaben äußerlich betrachtet beanstandungsfrei erfüllt.

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Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht Beurteilungsfehler des Antragsgegners bei der Entscheidung, den Antragsteller wegen Zweifeln an dessen Verfassungstreue zu entlassen, festgestellt. Der Antragsgegner hat die Entlassung auf äußere Verhaltensweisen des Antragstellers von hinreichendem Gewicht gestützt und aus ihnen in gerichtlich nicht zu beanstandender Weise wertend auf eine möglicherweise verfassungsfeindliche Haltung geschlossen.

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Mit Blick auf die dem Entlassungsbescheid zugrunde gelegten äußeren Verhaltensweisen des Antragstellers ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner diesen Vorfällen ein hinreichendes Gewicht beimisst und Zweifel an der Verfassungstreue des Antragstellers hegt. Das Verhalten des Antragstellers erschöpfte sich nicht in einem kritischen Lesen von rechtsextremistischer Literatur (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – juris Rn. 32). Der Antragsteller behauptet nicht, er habe sich einen Eindruck vom gesamten politischen Spektrum verschaffen wollen. Seine Einlassungen dazu, warum er die der „Neuen Rechten“ zuzuordnenden Internetseiten besuchte und Beiträge likte, ergeben weder ein Motiv noch ein Persönlichkeitsbild, nach denen sich ein unverdächtiger Grund für das Interesse und die Zustimmung aufdrängt und beim Antragsgegner vernünftige Zweifel an der Verfassungstreue schweigen müssten. Der Antragsteller gibt ein satirisches Interesse vor. Satire ist indes nicht politisch neutral. Davon abgesehen durfte der Antragsgegner den angeblichen satirischen Gehalt der Internetseiten als gering erachten. Die vom Antragsteller gelikten Beiträge enthalten Schmähungen und Verunglimpfungen von Moslems und setzen Coronaschutzmaßnahmen mit der Judenverfolgung im Nationalsozialismus gleich. Die von ihm aufgesuchten Internetseiten veröffentlichen Hakenkreuze und Bilder von Adolf Hitler und machen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland verächtlich.

 

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Wenn das Verwaltungsgericht die Äußerungen des Antragstellers als Ausübung der Meinungsfreiheit versteht, ist das richtig, für die Überprüfung der behördlichen Maßnahme jedoch unerheblich. Denn der Meinungsfreiheit auf der einen Seite steht die Pflicht der anderen Seite zur Prüfung der Verfassungstreue von Beamten gegenüber. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG auch verfassungsfeindliche Meinungen. Art. 33 Abs. 5 GG erlaubt es, die Verfassungstreue von Beamten vorauszusetzen.

 

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[…] Die dem Senat nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen geht angesichts des als rechtmäßig erkannten Entlassungsbescheids zum Nachteil des Antragstellers aus. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass der aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassene Antragsteller nicht unter Fortzahlung der Anwärterbezüge im Beamtenverhältnis auf Widerruf verbleibt. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2019 – OVG 4 S 22.19 – juris Rn. 15 mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6). Persönliche Belange, die das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassung überwiegen könnten, sind weder vom Antragsteller aufgezeigt noch für das Gericht ersichtlich.

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Trifft die vom Antragsgegner für seine Beschwerde abgegebene Begründung zu, ergibt die dem Senat nunmehr auferlegte umfassende Prüfung des Eilrechtsschutzgesuchs des Antragstellers nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Einklang mit dem formellen Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet […] .

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