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Rechtsurteile

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Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee

Ein Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee, für dessen Bauvorhaben noch keine Baugenehmigung vorliegt sondern nur eine unförmliche und unverbindliche Äußerung zur bauplanungsrechtlichen Situation bzgl. besagten Bauvorhabens, ist insoweit zulässig, wenn es genau diesen Beschluss betrifft. Das Bürgerbegehren kann insoweit nicht darauf gerichtet sein die Nutzung für kirchliche Zwecke in einem Gebiet vollständig auszuschließen. (Leitsatz der Redaktion)


Zum Sachverhalt:

Der Kl. zu 2 reichte am 10. 9. 2001 bei der Bekl. unter Vorlage von 44 Listen mit 942 Unterschriften und Benennung der Kl. zu 1 bis 3 als Vertretungsberechtigte einen Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids (Bürgerbegehren) mit folgender Fragestellung ein: „Sind Sie dafür, dass bei Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet östlich der T.-Straße (bzw. der B.-Gasse) die Nutzung für kirchliche Zwecke ausgeschlossen wird und dass der Beschluss des Bauausschusses des Stadtrates von W. vom 11. 12. 2000, der den Bau einer Moschee mit Minarett befürwortet, aufgehoben wird? (Ja/Nein)” Der Stadtrat der Stadt W. hat dieses Bürgerbegehren mit Beschluss vom 4. 10. 2001 für unzulässig erklärt. Mit Bescheid der Bekl. vom 10. 10. 2001 wurde sodann festgestellt: 1. Das am 10. 9. 2001 eingereichte Bürgerbegehren „Gegen den Neubau einer islamischen Moschee mit Minarett in der Stadt W.” wird als unzulässig zurückgewiesen. 2. Der beantragte Bürgerentscheid wird nicht durchgeführt. […]

Zur Begründung wurde dargelegt, der erste Teil der zur Entscheidung gestellten Fragestellung enthalte eine komplexe bauleitplanerische Abwägungsentscheidung, die einer Beantwortung mit „Ja” oder „Nein” nicht zugänglich sei. Ein auf Grund eines solchen Bürgerentscheids ggf. zu Stande kommender Bebauungsplan sei abwägungsfehlerhaft und damit rechtswidrig. Der den Gegenstand des zweiten Teils der Fragestellung bildende Beschluss des Bauausschusses der Stadt W. sei als Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu qualifizieren, der nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht widerrufen werden könne. Im Übrigen zeige die rechtsstaatliche Grundsätze nicht erfüllende Begründung des Bürgerbegehrens, dass der Bebauungsplan als Vorwand genommen werde, um einen Moscheebau in W. grundsätzlich zu verhindern. Dadurch werde jedoch die grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit eingeschränkt. Die dagegen erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg.

 

Gründe:

I.

 

Die Kl. haben gegenüber der Bekl. einen Anspruch auf Verpflichtung zur Zulassung des Bürgerbegehrens „Gegen den Neubau einer islamischen Moschee mit Minarett in W.” mit der Fragestellung, „Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Bauausschusses des Stadtrates von W. vom 11. 12. 2000, der den Bau einer Moschee mit Minarett befürwortet, aufgehoben wird?”. Soweit der Bescheid der Bekl. vom 10. 10. 2001 diesen Teil des Bürgerbegehrens als unzulässig zurückweist und die Durchführung des beantragten Bürgerentscheids ablehnt, ist er rechtswidrig und verletzt die Kl. in ihren Rechten (§ 113 V 1 VwGO).

1

Das Bürgerbegehren „Gegen den Neubau einer islamischen Moschee mit Minarett in W.” ist teilweise zulässig (Art. 18a I, IV BayGO).

2

Die im vorliegenden Bürgerbegehren vorgenommene Kopplung zweier thematisch verschiedener Verfahrensgegenstände (Inhalt eines beabsichtigten Bebauungsplanes und Aufhebung eines Beschlusses des Bauausschusses) steht der Zulassung nicht entgegen, da ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den verbundenen Sachfragen besteht (bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Moschee mit Minarett) und die Möglichkeit einer einheitlichen Entscheidung gegeben ist […].

3

Nur die im zweiten Teil des Bürgerbegehrens zur Entscheidung gestellte Frage, ob der Beschluss des Bauausschusses der Stadt W. vom 11. 12. 2000, der den Bau einer Moschee mit Minarett befürwortet, aufgehoben werden soll, kann statthafter Gegenstand des Bürgerbegehrens sein. […]

4

Der Beschluss des Bauausschusses vom 11. 12. 2000 hat die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer islamischen Moschee mit Minarett auf dem Grundstück Flnr. X. der Gemarkung W. aus der Sicht dieses Gremiums zum Gegenstand. Die Beschlussfassung erfolgte entgegen dessen Wortlaut nicht im Rahmen eines förmlichen Vorbescheidsverfahrens in der Gestalt der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gem. § 36 BauGB, sondern ist als (unverbindliche) Äußerung zur bauplanungsrechtlichen Situation anzusehen. Der Aufhebung dieses Beschlusses stehen damit verfahrensrechtliche Hindernisse, allgemeine Rechtsgrundsätze bzw. die Geltung einer die Wiederaufhebung ausschließende Bindungswirkung nicht entgegen. Insbesondere die bei Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gem. § 36 BauGB unter Umständen eingetretene Unwiderruflichkeit […] kann dem Bürgerbegehren nicht entgegengehalten werden, da der Beschluss des Bauausschusses vom 11. 12. 2000 die erforderliche Rechtsqualität nicht besitzt. Ein auf die Erteilung eines Bauvorbescheides i.S. von Art. 75 I 1 BayBauO gerichtetes Verwaltungsverfahren, in dem eine förmliche Entscheidung der Bekl. über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens notwendig gewesen wäre, hat nicht stattgefunden. […] Liegt dieser formale verfahrensrechtliche Rahmen tatsächlich nicht vor, besteht kein Bedürfnis für eine nach § 36 BauGB zu treffende qualifizierte Entscheidung der Gemeinde. Eine von dieser gleichwohl als Einvernehmenserteilung bezeichnete Entscheidung kann in diesem Fall jedoch nicht deren Rechtswirkungen auslösen. Bei dem Beschluss des Bauausschusses vom 11. 12. 2000 handelte es sich also nicht um eine Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens i.S. von § 36 BauGB, sondern - wie oben bereits dargelegt - um eine im Beschlusswege erfolgte Auskunft über die aus der bauplanungsrechtlichen Sicht des Bauausschusses beurteilte Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens. Dieser Beschluss kann ohne Verletzung zwingender rechtlicher Vorgaben wieder aufgehoben und damit statthafter Weise zum Gegenstand eines Bürgerbegehrens gemacht werden.

5

Der Bescheid der Bekl. vom 10. 10. 2001 war insoweit also rechtswidrig und unter Verpflichtung zur Zulassung dieses Teils des Bürgerbegehrens aufzuheben.


II.

6

Der Bescheid der Bekl. vom 10. 10. 2001 ist im Übrigen rechtmäßig.

Die Kl. haben keinen Anspruch auf die Zulassung des Teils des Bürgerbegehrens, der die vorgesehene Entscheidung über den bei Aufstellung eins Bebauungsplans festzusetzenden Ausschluss einer Nutzung für kirchliche Zwecke zum Gegenstand hat. Sie werden durch die diesbezügliche Ablehnungsentscheidung der Bekl. nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 V 1, I 1 VwGO).

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8

Das Bürgerbegehren ist insoweit unzulässig (Art. 18a IV BayGO).

Es sieht nach seinem eindeutigen Wortlaut eine abschließende materielle Entscheidung im Bauleitplanaufstellungsverfahren vor, die jedoch nach § 1 VI BauGB zwingend als Abwägungsentscheidung zu erfolgen hat. Durch die in der Fragestellung enthaltene strikte Maßgabe, dass ein aufzustellender Bebauungsplan in seinem Geltungsbereich Nutzungen für kirchliche Zwecke ausnahmslos ausschließen soll, ist bereits eine maßgebliche Festsetzung ohne Möglichkeit zur planerischen Abwägung zwingend vorgegeben. Dies gilt im Übrigen auch, wenn die planerische Vorgabe - wie von Klägerseite vorgetragen - nur den gem. § 2 I 2 BauGB zu fassenden Aufstellungsbeschluss, nicht aber den Satzungsbeschluss selbst betreffen soll, da auch dann bereits der Inhalt des Bebauungsplans endgültig vorgezeichnet und die Entscheidung für eine andere als die bereits im Aufstellungsbeschluss vorab entschiedene Festsetzung ausgeschlossen wäre. Da eine den Anforderungen des Baugesetzbuchs entsprechende Abwägung jedoch bei einer Entscheidung durch den vorgesehenen Bürgerentscheid nicht erfolgen kann, würde sich der vorgabengemäß in Kraft gesetzte Bebauungsplan als rechtsfehlerhaft erweisen. Für ein Bürgerbegehren, das auf ein mit der Rechtsordnung nicht in Einklang stehendes Ziel gerichtet ist, besteht jedoch kein Zulassungsanspruch […].

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Damit besteht hinsichtlich dieses Teils des Bürgerbegehrens kein Anspruch auf Zulassung. Die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung zur teilweisen Zulassung des Bürgerbegehrens war im vorliegenden Fall möglich, da dessen statthafter Teil einer isolierten Entscheidung zugänglich ist, d.h. eigenständigen Charakter hat und auch ohne den unzulässigen Teil sinnvoller Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein kann. […]

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