
Bau einer Moschee in der Nähe eines Wohngebietes
Der Vertrauensschutz an einen Bebauungsplan eines allgemeinen Wohngebietes, in der Hinsicht, dass südlich eines 40m breiten Grünstreifens die Möglichkeiten gewerblicher Nutzung intensiviert werden und die Grundlage dafür geschaffen wird, eine Mosche von überregionaler Bedeutung anzusiedeln, ist nicht beeinträchtigt, wenn die Planänderug der zuständigen Behörde von einem städtebaulich ausreichenden, vor §1 Abs. 3 BauGB standhaltenden Interesse getragen wird. (Leitsatz der Redaktion)
Zum Sachverhalt [nachlesbar im Urteil des OVG Lüneburg AZ: OVG 1 KN 119/03]: | |
Die Antragsteller wenden sich gegen die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1216 der Antragsgegnerin. Sie sehen hierdurch vor allem ihr Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Festsetzungen verletzt, welche ihre Wohnruhe weit wirksamer geschützt hätten, und meinen, die Antragsgegnerin habe das Ausmaß der Verschlechterungen, welche die 2. Planänderung insbesondere durch die Einräumung der Möglichkeit zu mischgebietstypischer Nutzung einschließlich der Errichtung einer von den Beigeladenen beabsichtigten Moschee mit sich bringe, bei ihrer Abwägungsentscheidung nicht richtig erkannt und dementsprechend planerisch nicht (ausreichend) bewältigt. | 1 |
Die Antragsteller sind Eigentümer bzw. Nutzer zweier jeweils mit einem selbstgenutzten Einfamilienhaus bebauter Grundstücke. […] | 2 |
Die Antragsteller beantragen, | 36 |
die vom Rat der Antragsgegnerin am 13. Dezember 2001 als Satzung beschlossene 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1216 „Gewerbegebiet Alter Damm – Stadtteil K.“ für unwirksam zu erklären. | 37 |
Die Antragsgegnerin und der Beigeladene beantragen, | 38 |
den Antrag abzulehnen. | 39 |
Die Antragsgegnerin, deren Stellungnahme sich der Beigeladene im Wesentlichen anschließt, erwidert: | 40 |
Entgegen der Annahme der Antragsteller handele es sich nicht um eine reine Gefälligkeitsplanung. Bereits 1998 seien erste Überlegungen zur 2. Änderungsplanung angestellt und dabei erwogen worden, soziale und kirchliche Einrichtungen doch zuzulassen. Erst im Jahre 2000 sei der Beigeladene auf sie zugetreten und habe Interesse an der Errichtung einer Moschee im Stadtgebiet bekundet. Ihm habe sie verschiedene Grundstücke angeboten, bis man sich auf dieses geeinigt habe. […] | 41 |
Die Planung sei nicht abwägungsfehlerhaft. […] Ihre ursprüngliche Plankonzeption habe darin bestanden, in dem Bereich zwischen dem öffentlichen Grünzug und der Straße Alter Damm ein Mischgebiet zu schaffen, in dem sich junge Handwerksbetriebe mit entsprechendem Wohnanteil für den Betriebsinhaber ansiedelten. Dieses Nutzungskonzept habe sich jedoch nicht verwirklichen lassen und zur Folge gehabt, dass das südlich davon liegende Gewerbegebiet aus Sorge, auf diese uneingeschränkte Wohnnutzung Rücksicht nehmen zu müssen, großflächig unbebaut geblieben sei. Daher sei das Gewerbegebiet nach Norden verschoben, durch mehrere textliche Festsetzungen jedoch zugleich sichergestellt worden, dass die Schutzinteressen des allgemeinen Wohngebiets nicht unangemessen hintan gestellt würden. […]
Entscheidungsgründe [OVG Lüneburg AZ: OVG 1 KN 119/03]: | 42 |
Der Normenkontrollantrag ist zulässig. […] | 44 |
Der Normenkontrollantrag ist indes nicht begründet. Das vom Senat in seinem Eilbeschluss gefundene Ergebnis hält den weiteren Angriffen der Antragsteller stand. | 45 |
Der Plan ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB aus städtebaulichen Gründen erforderlich. | 46 |
Welche städtebaulichen Ziele eine Gemeinde sich setzt, bestimmt sich nach ihrer Konzeption. Erforderlich ist eine bauleitplanerische Regelung sowohl dann, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken, als auch dann, wenn sie die planerischen Voraussetzungen für eine Bedarfslage schaffen will, die sich erst für die Zukunft abzeichnet. Als Rechtfertigung kommen allein öffentliche Belange in Betracht. Solche können auch darin liegen, eine gegenwärtig vorhandene Situation zu erhalten; das gilt jedenfalls dann, wenn die Gemeinde in den Baubestrebungen eine Fehlentwicklung sehen darf. Andererseits darf die Gemeinde aber auch einen bestimmten Bauwunsch zum Anlass nehmen, ein diesem günstiges Städtebaurecht planerisch zu schaffen. […] | 47 |
Erstens: Nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Antragsteller bestehen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin habe sich zur Rücknahme des Ausschlusses von Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke durch den Vertragsschluss vom 20.4.2001 veranlasst gesehen. […] | 49 |
Zweitens: Selbst wenn die von den Klägern behauptete Kausalität bestünde, raubte dies dem Plan die städtebauliche Erforderlichkeit nicht. […] | 50 |
[…] Auch das Bestreben, die südlich der Grünverbindung liegenden Flächen einer intensiveren Nutzung zuzuführen, ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich gewesen. […] Wenn sich innerhalb von viereinhalb Jahren zwischen Rechtsverbindlichkeit der Urplanung und dem hier angegriffenen Satzungsbeschluss (13. 12.2001) keine ausreichenden Interessenten fanden, so durfte dies die Antragsgegnerin selbst dann zum Anlass für die Überarbeitungsbedürftigkeit des Planes Nr. 1216 nehmen, wenn die Gewerbeflächen in J. nicht besonders rar gewesen wären. Da sich die Gemeinde nach den oben angegebenen Grundsätzen zur Anwendung des § 1 Abs. 3 BauGB ihre städtebauliche Ziele grundsätzlich selbst wählen darf und § 1 Abs. 3 BauGB nur einen vergleichsweise groben Filter für auf der Hand liegende städtebauliche Missgriffe darstellt, kann die Erforderlichkeit nicht geleugnet werden. | 51 |
Die zweite Planänderung ist nicht abwägungsfehlerhaft. Der seinerzeit geltende § 1 Abs. 6 BauGB verpflichtet die planende Gemeinde, dass eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt stattfindet. In diese muss an Belangen eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Gemeinde die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkennen und muss den Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vornehmen, die zur objektiven Gewichtigkeit der einzelnen Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens verletzt die Gemeinde das Abwägungsgebot nicht, wenn sie sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). | 52 |
Diesen Anforderungen wird die abgegriffene Planungsentscheidung gerecht. | 53 |
Die Antragsgegnerin ist in eine Abwägung eingetreten. | 54 |
In diese hat sie insbesondere die Interessen der nördlich der öffentlichen Grünverbindung liegenden allgemeinen Wohnbebauung an der Beibehaltung des im Mai 1996 rechtsverbindlich gewordenen Planungszustandes eingestellt. […] Mit diesen Ausführungen lässt die Antragsgegnerin nicht nur erkennen, dass sie die Interessen der Antragsteller und sonstiger Bewohner des allgemeinen Wohngebietes überhaupt in den Blick genommen hat. Zugleich lässt sie dabei erkennen, dass sie eine gewisse Beeinträchtigung der Wohnruhe im allgemeinen Wohngebiet als Folge der zweiten Planänderung zwar gesehen, jedoch zur Einschätzung gelangt ist, diese seien ihm aufgrund der getroffenen Schutzvorkehrungen sowie des Gewichts ihres Interesses zuzumuten, die südlich davon liegenden „Filetstücke“ gewerblich nutzen zu lassen. […] | 55 |
Diese Abwägungsentscheidung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. […] | 57 |
Es kann unentschieden bleiben, ob eine Moschee, wie das VG Frankfurt (Urt. v. 27.8.2001 - 3 E 815/01 -, NVwZ-RR 2002, 175) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.9.1992 - 4 C 50.89 -, UPR 12992, 269 = NJW 1992, 2170 = BRS 54 Nr. 193) meint, wegen § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO selbst in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig wäre. Es sind jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken erkennbar, hierfür in einem Abstand von mindestens 200 m zum nächstgelegenen Rand eines allgemeinen Wohngebietes die planerische Grundlage zu schaffen und dies für einen Bereich zu tun, der verkehrstechnisch eindeutig so von dem WA abgegrenzt ist, dass der Zu- und Abfahrtsverkehr zu dieser Moschee (anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht am 27.9.1992, aaO, entschiedenen Fall) nicht durch das allgemeine Wohngebiet geleitet wird. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es dem Trennungsgrundsatz (§ 50 BImSchG) gerade nicht widersprechen würde, ein allgemeines Wohn- unmittelbar an ein Mischgebiet grenzen zu lassen. Aus der sachverständigen Würdigung des Verordnungsgebers in § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO 1990, wonach Moscheen jedenfalls in Mischgebieten grundsätzlich unbedenklich sind und deshalb zu den Regelnutzungen gehören, ergibt sich, dass jedenfalls auch bei einer solchen (um 200 m getrennten) „Nachbarschaft“ unzumutbare Belästigungen zu Lasten eines allgemeinen Wohngebiets grundsätzlich als ausgeschlossen anzusehen sind. Daraus folgt, dass der Schutz, den der Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 1216 in seiner ursprüngliche Fassung durch Teilausschluss der in § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO genannten Anlagen gewährleistete, nicht annähernd so weit reichte, wie die Antragsteller nunmehr vortragen. […]
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision [BVerwG AZ: BVerwG 4 BN 7.05]: […] Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. […]
Gründe: Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen ist. 1. [im Wesentlichen werden die Ausführungen des OVG aufgegriffen] […] 2. […] 3. Die Revision ist ferner nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Änderung eines Mischgebietes nach § 6 BauNVO in ein eingeschränktes Gewerbegebiet mit mischgebietstypischen Gewerbebetrieben für ein angrenzendes allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO zulässig ist. Bestandteil des planerischen Abwägungsgebots ist u.a. der so genannte Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <253>). Hiernach sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete so weit wie möglich vermieden werden. Ob der Trennungsgrundsatz das Nebeneinander von allgemeinem Wohngebiet und eingeschränktem Gewerbegebiet, in dem wie hier nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig sind, generell gestattet (so VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Dezember 1993 - 8 S 1889/93 - UPR 1994, 456, Leitsatz 2), kann offen bleiben. Sicher ist jedenfalls, dass er das Nebeneinander nicht schlechthin verbietet, steht er doch nicht einmal der Nachbarschaft von Wohn- und Industriegebiet zwingend entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <329>). Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein eingeschränktes Gewerbegebiet neben einem Wohngebiet geplant werden darf, lässt sich nicht verallgemeinernd, sondern nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - BRS 50 Nr. 25). 4. Soweit über die Verfahrensrügen zu befinden ist, greifen sie nicht durch. […] | 63 |
Leitsatz: Der Vertrauensschutz an einen Bebauungsplan eines allgemeinen Wohngebietes, in der Hinsicht, dass südlich eines 40m breiten Grünstreifens die Möglichkeiten gewerblicher Nutzung intensiviert werden und die Grundlage dafür geschaffen wird, eine Mosche von überregionaler Bedeutung anzusiedeln, ist nicht beeinträchtigt, wenn die Planänderug der zuständigen Behörde von einem städtebaulich ausreichenden, vor §1 Abs. 3 BauGB standhaltenden Interesse getragen wird. (Leitsatz der Redaktion)
Zum Sachverhalt [nachlesbar im Urteil des OVG Lüneburg AZ: OVG 1 KN 119/03]: |
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Die Antragsteller wenden sich gegen die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1216 der Antragsgegnerin. Sie sehen hierdurch vor allem ihr Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Festsetzungen verletzt, welche ihre Wohnruhe weit wirksamer geschützt hätten, und meinen, die Antragsgegnerin habe das Ausmaß der Verschlechterungen, welche die 2. Planänderung insbesondere durch die Einräumung der Möglichkeit zu mischgebietstypischer Nutzung einschließlich der Errichtung einer von den Beigeladenen beabsichtigten Moschee mit sich bringe, bei ihrer Abwägungsentscheidung nicht richtig erkannt und dementsprechend planerisch nicht (ausreichend) bewältigt. |
1 |
Die Antragsteller sind Eigentümer bzw. Nutzer zweier jeweils mit einem selbstgenutzten Einfamilienhaus bebauter Grundstücke. […] |
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Die Antragsteller beantragen, |
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die vom Rat der Antragsgegnerin am 13. Dezember 2001 als Satzung beschlossene 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1216 „Gewerbegebiet Alter Damm – Stadtteil K.“ für unwirksam zu erklären. |
37 |
Die Antragsgegnerin und der Beigeladene beantragen, |
38 |
den Antrag abzulehnen. |
39 |
Die Antragsgegnerin, deren Stellungnahme sich der Beigeladene im Wesentlichen anschließt, erwidert: |
40 |
Entgegen der Annahme der Antragsteller handele es sich nicht um eine reine Gefälligkeitsplanung. Bereits 1998 seien erste Überlegungen zur 2. Änderungsplanung angestellt und dabei erwogen worden, soziale und kirchliche Einrichtungen doch zuzulassen. Erst im Jahre 2000 sei der Beigeladene auf sie zugetreten und habe Interesse an der Errichtung einer Moschee im Stadtgebiet bekundet. Ihm habe sie verschiedene Grundstücke angeboten, bis man sich auf dieses geeinigt habe. […] |
41 |
Die Planung sei nicht abwägungsfehlerhaft. […] Ihre ursprüngliche Plankonzeption habe darin bestanden, in dem Bereich zwischen dem öffentlichen Grünzug und der Straße Alter Damm ein Mischgebiet zu schaffen, in dem sich junge Handwerksbetriebe mit entsprechendem Wohnanteil für den Betriebsinhaber ansiedelten. Dieses Nutzungskonzept habe sich jedoch nicht verwirklichen lassen und zur Folge gehabt, dass das südlich davon liegende Gewerbegebiet aus Sorge, auf diese uneingeschränkte Wohnnutzung Rücksicht nehmen zu müssen, großflächig unbebaut geblieben sei. Daher sei das Gewerbegebiet nach Norden verschoben, durch mehrere textliche Festsetzungen jedoch zugleich sichergestellt worden, dass die Schutzinteressen des allgemeinen Wohngebiets nicht unangemessen hintan gestellt würden. […]
Entscheidungsgründe [OVG Lüneburg AZ: OVG 1 KN 119/03]: |
42 |
Der Normenkontrollantrag ist zulässig. […] |
44 |
Der Normenkontrollantrag ist indes nicht begründet. Das vom Senat in seinem Eilbeschluss gefundene Ergebnis hält den weiteren Angriffen der Antragsteller stand. |
45 |
Der Plan ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB aus städtebaulichen Gründen erforderlich. |
46 |
Welche städtebaulichen Ziele eine Gemeinde sich setzt, bestimmt sich nach ihrer Konzeption. Erforderlich ist eine bauleitplanerische Regelung sowohl dann, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken, als auch dann, wenn sie die planerischen Voraussetzungen für eine Bedarfslage schaffen will, die sich erst für die Zukunft abzeichnet. Als Rechtfertigung kommen allein öffentliche Belange in Betracht. Solche können auch darin liegen, eine gegenwärtig vorhandene Situation zu erhalten; das gilt jedenfalls dann, wenn die Gemeinde in den Baubestrebungen eine Fehlentwicklung sehen darf. Andererseits darf die Gemeinde aber auch einen bestimmten Bauwunsch zum Anlass nehmen, ein diesem günstiges Städtebaurecht planerisch zu schaffen. […] |
47 |
Erstens: Nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Antragsteller bestehen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin habe sich zur Rücknahme des Ausschlusses von Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke durch den Vertragsschluss vom 20.4.2001 veranlasst gesehen. […] |
49 |
Zweitens: Selbst wenn die von den Klägern behauptete Kausalität bestünde, raubte dies dem Plan die städtebauliche Erforderlichkeit nicht. […] |
50 |
[…] Auch das Bestreben, die südlich der Grünverbindung liegenden Flächen einer intensiveren Nutzung zuzuführen, ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich gewesen. […] Wenn sich innerhalb von viereinhalb Jahren zwischen Rechtsverbindlichkeit der Urplanung und dem hier angegriffenen Satzungsbeschluss (13. 12.2001) keine ausreichenden Interessenten fanden, so durfte dies die Antragsgegnerin selbst dann zum Anlass für die Überarbeitungsbedürftigkeit des Planes Nr. 1216 nehmen, wenn die Gewerbeflächen in J. nicht besonders rar gewesen wären. Da sich die Gemeinde nach den oben angegebenen Grundsätzen zur Anwendung des § 1 Abs. 3 BauGB ihre städtebauliche Ziele grundsätzlich selbst wählen darf und § 1 Abs. 3 BauGB nur einen vergleichsweise groben Filter für auf der Hand liegende städtebauliche Missgriffe darstellt, kann die Erforderlichkeit nicht geleugnet werden. |
51 |
Die zweite Planänderung ist nicht abwägungsfehlerhaft. Der seinerzeit geltende § 1 Abs. 6 BauGB verpflichtet die planende Gemeinde, dass eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt stattfindet. In diese muss an Belangen eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Gemeinde die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkennen und muss den Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vornehmen, die zur objektiven Gewichtigkeit der einzelnen Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens verletzt die Gemeinde das Abwägungsgebot nicht, wenn sie sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). |
52 |
Diesen Anforderungen wird die abgegriffene Planungsentscheidung gerecht. |
53 |
Die Antragsgegnerin ist in eine Abwägung eingetreten. |
54 |
In diese hat sie insbesondere die Interessen der nördlich der öffentlichen Grünverbindung liegenden allgemeinen Wohnbebauung an der Beibehaltung des im Mai 1996 rechtsverbindlich gewordenen Planungszustandes eingestellt. […] Mit diesen Ausführungen lässt die Antragsgegnerin nicht nur erkennen, dass sie die Interessen der Antragsteller und sonstiger Bewohner des allgemeinen Wohngebietes überhaupt in den Blick genommen hat. Zugleich lässt sie dabei erkennen, dass sie eine gewisse Beeinträchtigung der Wohnruhe im allgemeinen Wohngebiet als Folge der zweiten Planänderung zwar gesehen, jedoch zur Einschätzung gelangt ist, diese seien ihm aufgrund der getroffenen Schutzvorkehrungen sowie des Gewichts ihres Interesses zuzumuten, die südlich davon liegenden „Filetstücke“ gewerblich nutzen zu lassen. […] |
55 |
Diese Abwägungsentscheidung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. […] |
57 |
Es kann unentschieden bleiben, ob eine Moschee, wie das VG Frankfurt (Urt. v. 27.8.2001 - 3 E 815/01 -, NVwZ-RR 2002, 175) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.9.1992 - 4 C 50.89 -, UPR 12992, 269 = NJW 1992, 2170 = BRS 54 Nr. 193) meint, wegen § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO selbst in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig wäre. Es sind jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken erkennbar, hierfür in einem Abstand von mindestens 200 m zum nächstgelegenen Rand eines allgemeinen Wohngebietes die planerische Grundlage zu schaffen und dies für einen Bereich zu tun, der verkehrstechnisch eindeutig so von dem WA abgegrenzt ist, dass der Zu- und Abfahrtsverkehr zu dieser Moschee (anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht am 27.9.1992, aaO, entschiedenen Fall) nicht durch das allgemeine Wohngebiet geleitet wird. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es dem Trennungsgrundsatz (§ 50 BImSchG) gerade nicht widersprechen würde, ein allgemeines Wohn- unmittelbar an ein Mischgebiet grenzen zu lassen. Aus der sachverständigen Würdigung des Verordnungsgebers in § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO 1990, wonach Moscheen jedenfalls in Mischgebieten grundsätzlich unbedenklich sind und deshalb zu den Regelnutzungen gehören, ergibt sich, dass jedenfalls auch bei einer solchen (um 200 m getrennten) „Nachbarschaft“ unzumutbare Belästigungen zu Lasten eines allgemeinen Wohngebiets grundsätzlich als ausgeschlossen anzusehen sind. Daraus folgt, dass der Schutz, den der Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 1216 in seiner ursprüngliche Fassung durch Teilausschluss der in § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO genannten Anlagen gewährleistete, nicht annähernd so weit reichte, wie die Antragsteller nunmehr vortragen. […]
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision [BVerwG AZ: BVerwG 4 BN 7.05]: […] Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. […]
Gründe: Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen ist. 1. [im Wesentlichen werden die Ausführungen des OVG aufgegriffen] […] 2. […] 3. Die Revision ist ferner nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Änderung eines Mischgebietes nach § 6 BauNVO in ein eingeschränktes Gewerbegebiet mit mischgebietstypischen Gewerbebetrieben für ein angrenzendes allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO zulässig ist. Bestandteil des planerischen Abwägungsgebots ist u.a. der so genannte Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <253>). Hiernach sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete so weit wie möglich vermieden werden. Ob der Trennungsgrundsatz das Nebeneinander von allgemeinem Wohngebiet und eingeschränktem Gewerbegebiet, in dem wie hier nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig sind, generell gestattet (so VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Dezember 1993 - 8 S 1889/93 - UPR 1994, 456, Leitsatz 2), kann offen bleiben. Sicher ist jedenfalls, dass er das Nebeneinander nicht schlechthin verbietet, steht er doch nicht einmal der Nachbarschaft von Wohn- und Industriegebiet zwingend entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <329>). Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein eingeschränktes Gewerbegebiet neben einem Wohngebiet geplant werden darf, lässt sich nicht verallgemeinernd, sondern nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - BRS 50 Nr. 25). 4. Soweit über die Verfahrensrügen zu befinden ist, greifen sie nicht durch. […] |
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