
Ausnahmegenehmigung für das Schächten
Dem zwingenden Charakter eines Schächtgebotes kann nicht entgegenstehen, dass man allein durch die Inanspruchnahme einer durch die Religion im Hinblick auf eine Gewissensnot zugelassene Abweichung Fleisch nicht geschächteter Schlachtungen verzehrt. Dennoch muss man den zwingenden Charakter für sich und seine Kunden substantiiert darstellen, um die Ausnahmegenehmigung für sich in Anspruch nehmen zu können. (Leitsatz der Redaktion)
Beschluss: Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. […]
Gründe: |
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Die Beschwerde des Antragstellers mit dem Begehren, unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm, dem Antragsteller, für die Zeit vom 11. Februar bis zum 13. Februar 2003 die Genehmigung für das Schächten von 125 Rindern und 13 Schafen zu erteilen, | 2 3 |
hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, rechtfertigt nicht die Abänderung des angegriffenen Beschlusses. | 4 5 |
Das Verwaltungsgericht ist von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 […] aufgestellt hat, jedoch die danach erforderliche Voraussetzung nicht mit der erforderlichen Überzeugung feststellen können, dass nämlich der Antragsteller und die Angehörigen seiner Glaubensgemeinschaft das betäubungslose Schlachten als zwingenden Glaubensinhalt betrachten. Es hat sich mangels hinreichenden Aussagegehalts vorgelegter Bescheinigungen maßgeblich auf das tatsächliche Verhalten der Kunden des Antragstellers gestützt und diesem entnommen, dass ein zwingender Charakter einer Überzeugung, ausschließlich das Fleisch betäubungslos geschlachteter Tiere verzehren zu dürfen, nicht gegeben sei. | 6 |
Dass das tatsächliche Verhalten Einzelner oder einer Personengruppe geeignet ist, Aufschluss darüber zu geben, ob bestimmte Vorgänge als aus Gründen der Religion zwingend erforderlich betrachtet oder als - etwa kraft Herkommens - gewünscht oder sogar in hohem Grade erstrebenswert angesehen werden, wird mit der Beschwerde nicht grundsätzlich in Frage gestellt und entspricht auch der allgemeinen Vorgehensweise bei der Überzeugungsbildung zu sog. inneren Tatsachen. Dabei ist gemäß der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, deren uneingeschränkten Aussagegehalt trotz der später erfolgten Einfügung der Verpflichtung des Staates zum Schutze der Tiere in Artikel 20 a GG der Senat ohne weitere Prüfung zu Gunsten des Antragstellers zugrunde legt, allerdings zu berücksichtigen, dass Verhaltensweisen, die allein auf die Inanspruchnahme einer durch die Religion im Hinblick auf eine Gewissensnot zugelassenen Abweichung zurückzuführen sind, dem Schluss auf den zwingenden Charakter einer Regel nicht entgegenstehen. | 7 |
Es ist dem Antragsteller auch in der Beschwerdeinstanz nicht gelungen, substantiiert und nachvollziehbar darzulegen, dass nach der gemeinsamen Glaubensüberzeugung derer, für die er die vom Antrag umfassten Schlachtungen vornehmen will, der Fleischverzehr zwingend eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt. Die vorgelegten Bescheinigungen des Türkisch Islamischen Kulturvereins e.V. und des Zentralrates der Muslime in Deutschland e.V. sind, da ihnen jede Bezugnahme auf religiöse Autorität, insbesondere jeder konkrete Bezug auf die Lehre der vom Antragsteller für sich und seine Kunden in Anspruch genommenen Rechtsschule fehlt, nichts anderes als die Behauptung, um deren Substantiierung und Nachvollziehbarkeit es geht. Die Substanzlosigkeit der Erklärungen gewinnt Bedeutung insbesondere angesichts der etwa vom Fatwa- Komitee genehmigten Erklärung des Rektorats der Universität Al-Azhar vom 25. Februar 1982, nach der ein bloßes Betäuben, bei dem das Tier noch lebt, wenn es ausblutet, einem erlaubten Verzehr des Fleisches nicht entgegensteht, sowie angesichts der sich offensichtlich daran anlehnenden, vom Verwaltungsgericht in seinem Beschluss angeführten Praxis in Berlin und der auch in Nordrhein-Westfalen festzustellenden Übung […]. Von der Glaubhaftmachung einer strikten Bindung durch die genannten Unterlagen kann daher schlechthin nicht gesprochen werden, sodass die Einbeziehung der Verhaltensweisen nicht nur als Kontrolle für die Tragfähigkeit anderweitig gefundener Anhaltspunkte, sondern sogar als Grundlage einer entsprechenden, durch zwingende Vorgaben geprägten Haltung erforderlich ist. | 8 |
Der Feststellung des Verwaltungsgerichtes, gegen eine zwingende Bindung spreche, dass während des Opferfestes im vergangenen Jahr Tiere sowohl mit als auch ohne Betäubung geschlachtet und von den Kunden des Antragstellers abgenommen worden seien, wird mit der Beschwerde entgegengehalten, dass das Fleisch der betäubt geschlachteten Tiere nur von nicht streng Gebundenen oder von ausnahmsweise Befugten abgenommen worden sei. Dem ist für eine Überzeugungsbildung im Sinne des Antragstellers nichts Tragfähiges zu entnehmen. Abgesehen davon, dass in diesem Vorbringen zum Ausdruck gelangt, dass das betäubungslose Schlachten nach der Vorstellung des Antragstellers von vornherein nicht allein auf die Gewinnung von Fleisch für den Kreis der religiös strikt Verpflichteten ausgerichtet sein soll, hätte zumindest erklärt werden müssen, was denn mit dem Fleisch aus den weiteren seinerzeit anstehenden Schlachtungen geschehen wäre, wenn nicht der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 22. Februar 2002 das betäubungslose Schlachten erlaubt hätte. Dass insofern nur - im Sinne des oben genannten Vorbehaltes - auf eine aus Gewissensnot zulässige und den Verzicht auf den Verzehr von Fleisch nicht vorrangig aufgebende Abweichung zurückgegriffen worden wäre, wird nicht verdeutlicht. Auch tatsächliche Reaktionen von Muslimen, die auf eine Verletzung ihrer religiös bestimmten Grundhaltung zum Fleischverzehr schließen ließen, sind nicht glaubhaft gemacht; die in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung massiver Beschwerden, die zur Absperrung des Hofes geführt sowie Anlass zur Alarmbereitschaft der Polizei gegeben hätten, geht in ihrer Bezugnahme auf ein Eingeständnis des Antragsgegners fehl. Nach dessen Vermerk vom 27. Februar 2002 war eine Eskalation lediglich befürchtet und ferner gebeten worden, Pressevertreter vom eigentlichen Schlachtvorgang fern zu halten. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, diejenigen, die sich für die Schlachtung zum Opferfest angemeldet hätten, seien davon ausgegangen, dass sie - wie im vergangenen Jahr nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts - Fleisch von betäubungslos geschlachteten Tieren erhalten könnten, und hätten deshalb keinen Anlass gesehen, sich um anderweitige Beschaffungsmöglichkeiten zu bemühen, sind zwar nicht von vornherein von der Hand zu weisen, letztlich aber vor dem Hintergrund, dass die Anmeldungen in etwa in der Größenordnung erfolgten, die auch früher - als von einem betäubungslosen Schlachten nicht ausgegangen werden konnte - festzustellen war, kein Indiz für einen zwingenden Charakter des in Rede stehenden Gebotes. Dass die Anmeldungen unter dem Vorbehalt des betäubungslosen Schlachtens erfolgt wären - was der Antragsteller im Übrigen spätestens ab der Bekanntgabe des Bescheids des Antragsgegners vom 15. Januar 2003 auch hätte zurückweisen müssen - ist nicht belegt; insofern reicht die eidesstattliche Erklärung des Antragstellers nicht aus, da es um Motive seiner Kunden geht, über die diese Bekundungen hätten machen müssen und können. An einer entsprechenden mangelnden Glaubhaftmachung scheitert auch der Hinweis, die Vornahme der Schlachtungen in anderen Ländern oder der Bezug von Fleisch von dort sei nicht möglich gewesen, sodass die frühere Hinnahme der Schlachtung unter Betäubung aus einer Notlage heraus geschehen sei. | 9 |
Insgesamt ist daher der für die Überzeugungsbildung zum Anordnungsanspruch erforderliche Schluss, dass das betäubungslose Schlachten über eine erstrebenswerte, der Tradition entsprechende Übung hinaus aus der Religion heraus zwingend und nur in Ausnahmesituationen überwindbar geboten ist, nicht zu ziehen. In die Überzeugungsbildung eventuelle "Schwarzschächtungen" einzubeziehen, geht nicht an; sie können - sollte es tatsächlich dazu kommen - als eindeutig rechtswidrige und sanktionierte Akte so lange als Indiz für eine tiefe religiöse Bindung keine rechtliche Anerkennung finden, wie es die Möglichkeit anderweitigen Nachweises einer solchen Bindung gibt und dies zur Legalisierung des betäubungslosen Schlachtens führt. Soweit mit der Beschwerde gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe nicht konkret aufgezeigt, was noch weiter erforderlich sei, führt das nicht zum Schluss auf Anforderungen an einen Nachweis, denen nicht Rechnung getragen werden kann. Darlegungen zum Gehalt und zur Verankerung eines strikten Gebots können in der religiösen Ableitung und in der Umsetzung im täglichen Leben mit fundierten Schilderungen und gängigen Mitteln der Glaubhaftmachung untermauert werden. […] | 10 |