© David Z Cheng/Shutterstock.com

Rechtsurteile

Anspruch auf Islamunterricht an öffentlichen Schulen

Einer Dachverbandsorganisation kann nur dann der Anspruch auf Religionsunterricht an öffentlichen Schulen gem. Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG zukommen, wenn sie nicht nur die Koordinierung der Mitgliedsvereine sondern auch wesentliche religiöse Aufgaben übernimmt und die Gewährleistung der in Art. 79 Abs. 3 GG genannten fundamentalen Verfassungsprinzipien garantiert. (Leitsatz der Reaktion)


Leitsätze:

1. Durch die Regelungen in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG wird den Religionsgemeinschaften ein Rechtsanspruch gegen den Staat auf Einführung eines ihren Glaubensinhalten entsprechenden Religionsunterrichts an seinen Schulen eingeräumt.

2. Auch ein mehrstufiger Verband (Dachverbandsorganisation) kann eine Religionsgemeinschaft sein.

3. Ein Dachverband ist nicht bereits dann Teil einer Religionsgemeinschaft, wenn sich die Aufgabenwahrnehmung auf seiner Ebene auf die Vertretung gemeinsamer Interessen nach außen oder auf die Koordinierung von Tätigkeiten der Mitgliedsvereine beschränkt; erforderlich ist, dass für die Identität einer Religionsgemeinschaft wesentliche Aufgaben auch auf der Dachverbandsebene wahrgenommen werden.

4. Eine Dachverbandsorganisation ist keine Religionsgemeinschaft, wenn der Dachverband durch Mitgliedsvereine geprägt wird, die religiöse Aufgaben nicht oder nur partiell erfüllen.

5. Eine Religionsgemeinschaft scheidet als Partnerin eines vom Staat veranstalteten Religionsunterrichts aus, wenn sie nicht Gewähr dafür bietet, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet

 

Urteil:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Dezember 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe:

I.

 

Der Kläger zu 1 ist ein eingetragener Verein. Er hat 19 Mitglieder, bei denen es sich um Vereinigungen handelt, die ebenfalls ganz überwiegend eingetragene Vereine sind. Der Kläger zu 1 bezeichnet sich in § 1 Abs. 1 seiner Satzung vom 26. März 1995 als Spitzenverband islamischer Organisationen in Deutschland und in § 2 Abs. 1 seiner Satzung als Handlungsorgan der dem Verein angehörenden Organisationen, welches sich mit alle Muslime betreffenden islamischen Angelegenheiten befasst.  

1

Der Kläger zu 2 ist ebenfalls ein eingetragener Verein. Er hat 31 Mitglieder, und zwar 19 Bundesverbände, 10 selbständige Landesverbände sowie 2 regionale und lokale Vereinigungen. In § 2 Abs. 1 seiner Satzung vom 2. Juni 2001 bezeichnet er sich als islamische Religionsgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Zu seinen Aufgaben zählt er gemäß § 2 Abs. 5 seiner Satzung, für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichtes als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen einzutreten. Nach § 3 Abs. 1 der Satzung kann Mitglied des Klägers zu 2 jede juristische Person werden, "wenn alle Mitglieder sich zum Islam bekennen und auf dieser Grundlage Aktivitäten aufweisen".

2

Im Juni 1993 trat der Vorgänger des Klägers zu 1, der Islamische Arbeitskreis in Deutschland, an das zuständige Ministerium des beklagten Landes mit dem Anliegen heran, islamischen Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in NordrheinWestfalen einzuführen. Mit Schreiben vom 6. April 1994 bat er unter Vorlage eines Konzeptes um Fortsetzung der Gespräche. Der Kläger zu 2 schloss sich mit einem Schreiben, das am 24. Januar 1996 beim Ministerium einging, dem Anliegen an. Das Ministerium trat dem Begehren letztmals mit Schreiben vom 12. März und 21. Juli 1998 im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, die Kläger verträten nur einen Teil der Muslime und besäßen daher nicht die vom Verfassungsgeber eingeforderte religiöse Autorität zur Bestimmung der Grundsätze der Glaubensgemeinschaft.

 3

Die Kläger haben am 8. Dezember 1998 Klage erhoben. Sie haben beantragt, 

4

das beklagte Land zu verurteilen, mit den Vorbereitungen für islamischen Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den von ihnen aufgestellten Grundsätzen zu beginnen,  

5

hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, mit den Vorbereitungen für islamischen Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen zu beginnen, die die von ihnen eingesetzte Kommission für den islamischen Religionsunterricht aufstellt,  

 6

hilfsweise festzustellen, dass es sich bei ihnen um Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. 3 GG, Art. 14 Abs. 1 LV NRW handelt, die grundsätzlich berechtigt sind, die Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach an den öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen zu verlangen.   

7

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

 8

Der Anspruch der Kläger scheitere daran, dass sie keine Religionsgemeinschaften seien. Der Begriff der Religionsgemeinschaft verlange einen Zusammenschluss von natürlichen Personen. Keine Religionsgemeinschaften seien daher die Dachverbände, also Zusammenschlüsse oder Vereinigungen, die keine natürlichen Personen als Mitglieder oder Angehörige hätten, sondern lediglich ihrerseits wieder Verbände oder Vereinigungen. […] Dass eine Religionsgemeinschaft den Zusammenschluss natürlicher Personen voraussetze, ergebe sich aus dem Zusammenhang mit der religiösen Vereinigungsfreiheit. Diese solle den Weg eröffnen, sich als "Vereinigung von Menschen" zur Verwirklichung des gemeinsamen religiösen Zwecks zu organisieren. Gemessen daran seien die Kläger als Dachverbände keine Religionsgemeinschaften, denn sie hätten nach ihren Satzungen (im Wesentlichen) keine natürlichen Personen als unmittelbare (ordentliche) Mitglieder. Unabhängig davon seien die Kläger auch deshalb keine Religionsgemeinschaften, weil sie die ihnen durch das gemeinsame Bekenntnis zum Islam gestellten Aufgaben nach satzungsrechtlicher Zielsetzung und tatsächlicher Praxis nicht in dem vorausgesetzten allseitigen Sinn erfüllten. Sie unterhielten nicht selbst auf der Ebene der ihnen zugeordneten örtlichen Gemeinden, Moscheevereine oder Kulturzentren Versammlungsräume und Moscheen als Stätten, die für das religiöse Leben der Religionsangehörigen von zentraler Bedeutung seien, und setzten nicht selbst Vorbeter oder Lehrer ein. […] 

9

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor: Art. 7 Abs. 3 GG billige den Religionsgemeinschaften ein eigenes Recht auf Erteilung bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts in konfessioneller Positivität und Gebundenheit zu. Der Wortlaut der Regelung in Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG gebiete nicht, dass eine Religionsgemeinschaft aus natürlichen Personen bestehe. […] Sinn der Regelung des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV sei offenkundig, dem Dachverband die gleichen rechtlichen Möglichkeiten zuzubilligen, die schon den Teilverbänden zukämen, um damit der Gemeinschaft volle Entfaltungsmöglichkeiten zu gewähren. Den Religionsgemeinschaften stehe analog Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV das Recht zu, sich zu einem Verband zusammenzuschließen, der Religionsgemeinschaft sei, und darüber hinaus Mitglieder aufzunehmen und Unterorganisationen einzurichten, die lediglich mit Teilaspekten des religiösen Lebens befasst seien. Religionsgemeinschaften könnten sich auf das Selbstbestimmungsrecht stützen, um einen ihren Vorstellungen genügenden, im Rechtsverkehr potenten Verband höherer Organisationsstufe zu gründen und mit entsprechenden (auch partiellen) Befugnissen auszustatten. Würden allein aufgrund der Organisationsform einem Verband Rechte verwehrt, die den einzelnen Religionsgemeinschaften und Gläubigen zustünden, so liege hierin eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts. Jede Gemeinschaft, die sich der Pflege eines religiösen Bekenntnisses verschreibe, habe auch ein personales Substrat; ohne Menschen sei Religionsausübung undenkbar. Auch die islamischen Dachverbände bestünden aus Menschen und handelten für Menschen, die freilich erst auf einer anderen organisatorischen Ebene sichtbar würden: Die natürlichen Personen seien Mitglieder in örtlichen Vereinen; mit dem Zusammenschluss zu einem Dachverband werde ein System mittelbarer Verwaltung geschaffen, das die im Rahmen der allseitigen religiösen Aufgabenwahrnehmung anfallenden Tätigkeiten arbeitsteilig jeweils auf der Ebene zuteile, auf der sie am effektivsten erledigt werden könnten. […] Ein spezifisches religiöses Profil sei darin in jeder Hinsicht zu erkennen. Die genannten Aufgaben könnten wegen des Selbstbestimmungsrechts der Gemeinschaften auch in der Form mittelbarer oder anstaltlicher Organisationen auf verschiedenen Ebenen arbeitsteilig wahrgenommen werden. […] 

10

Die Kläger beantragen,

11

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und nach den dort gestellten Anträgen zu erkennen.

12

Das beklagte Land beantragt,   

13

die Revision zurückzuweisen.

14

Es verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Kläger verfügten nicht über eine hinreichende Legitimation durch natürliche Personen, die sich aufgrund gemeinsamer religiöser Überzeugungen zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben dauerhaft zusammengeschlossen hätten. […] Schließlich bestünden Bedenken gegen die Einführung von islamischem Religionsunterricht nach den Grundsätzen der Kläger, weil einige ihrer Mitgliedsvereine vom Verfassungsschutz beobachtet würden.


II.

15

Die zulässige Revision der Kläger ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dies führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

16

1. Der Hauptantrag der Kläger ist zulässig. […]

17

2. Ob der Hauptantrag begründet ist, vermag der Senat anhand der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen.

18

Bundesverfassungsrechtliche Rechtsgrundlagen für das Begehren der Kläger sind die Regelungen in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG. Danach ist der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG). Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt (Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG).

19

a) […]

20

b) Die Religionsgemeinschaften haben unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe der Regelungen in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG gegen den Staat einen Anspruch auf Einrichtung eines ihren Glaubensinhalten entsprechenden Religionsunterricht.

21

Für einen solchen Anspruch streiten Sinn und Zweck der Gesamtregelung. Gegenstand des Religionsunterrichts ist der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln, ist seine Aufgabe. Dafür, wie dies zu geschehen hat, sind grundsätzlich die Vorstellungen der Religionsgemeinschaften über Inhalt und Ziel der Lehrveranstaltung maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1987 - 1 BvR 47/84 - BVerfGE 74, 244, 252). Das Anliegen der Religionsgemeinschaften geht dahin, ihre Glaubensgrundsätze jungen Menschen im Schulunterricht zu vermitteln und die bereits bestehende konfessionelle Bindung zu vertiefen. Die in Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG normierte Verpflichtung des Staates zur Veranstaltung von Religionsunterricht liegt somit im Interesse der Religionsgemeinschaften und stellt sich als ein Mittel zur Entfaltung und Unterstützung der ihnen grundrechtlich gewährten Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) dar. Daher liegt die Annahme nahe, dass sie Erfüllung dieser Pflicht - ebenso wie die Religionsfreiheit selbst - beim Staat einfordern können. Dass daneben auch ein öffentliches Interesse daran besteht, im Religionsunterricht Wissen zu vermitteln und die Schüler zu verantwortungs- und wertbewusstem Handeln anzuleiten, ist für die Herleitung des Anspruchs der Religionsgemeinschaften auf Einrichtung von Religionsunterricht unschädlich. […] 

22

3. Die Kläger haben nur dann einen Anspruch auf Einrichtung islamischen Religionsunterrichts, wenn sie entweder selbst Religionsgemeinschaften sind oder als Teil einer Religionsgemeinschaft berechtigt sind, den Anspruch geltend zu machen. Letzteres kommt hier in Betracht. […] Unter Religionsgemeinschaft ist ein Verband zu verstehen, der die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst. […] Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft sei eine Religionsgemeinschaft, reicht nicht aus; vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religionsgemeinschaft handeln. Dies im Streitfall zu prüfen und zu entscheiden, obliegt - als Anwendung einer Regelung der staatlichen Rechtsordnung - den staatlichen Organen, letztlich den Gerichten. […] 

23

a) Der Begriff der Religionsgemeinschaft hat einen engen inhaltlichen Bezug zur religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV. Deren Gewährleistungsinhalt umfasst die Freiheit, aus gemeinsamem Glauben sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 1991 - 2 BvR 263/86 - BVerfGE 83, 341, 355). Die grundrechtlich garantierte Möglichkeit der Bildung einer Religionsgemeinschaft soll den Weg eröffnen, sich als Vereinigung von Menschen zur Verwirklichung des gemeinsamen religiösen Zwecks zu organisieren, eine rechtliche Gestalt zu geben und am allgemeinen Rechtsverkehr teilzunehmen. Damit ist weder Anspruch auf noch Pflicht zu einer bestimmten Rechtsform gemeint, etwa die des rechtsfähigen Vereins oder einer sonstigen Form der juristischen Person; gewährleistet ist die Möglichkeit einer irgendwie gearteten rechtlichen Existenz einschließlich der Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 1991, a.a.O., S. 355).

24

Der Begriff der Religionsgemeinschaft ist somit im Kern soziologisch zu verstehen. Er ist einerseits nicht bereits dadurch erfüllt, dass Menschen eine religiöse Überzeugung teilen. Die Gesamtheit aller Muslime auf der Erde ("Umma") ist keine Religionsgemeinschaft im Sinne des deutschen Rechts der Personenvereinigungen. Andererseits ist dieser Begriff nicht auf bestimmte Organisationsstrukturen, etwa die des rechtsfähigen Vereins, festgelegt. Es genügt jedes Minimum an Organisation, welches immer entsteht, wenn sich Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Glaubens zur Erfüllung sich daraus ergebender Aufgaben vereinigen. […] 

25

b) Mit dem Erfordernis der allseitigen Aufgabenerfüllung werden die Religionsgemeinschaften von den religiösen Vereinen abgegrenzt, die sich nur die partielle Pflege des religiösen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. […] 

26

c) Eine Religionsgemeinschaft liegt nicht erst dann vor, wenn sie alle Angehörigen einer Religion, hier des Islams vereinigt (vgl. Heckel, RdJB 2004, 39, 51; Rohe a.a.O. S. 209; Heimann a.a.O., S. 243). Andernfalls liefen die in Art. 137 Abs. 2 Satz 1 WRV normierte Gewährleistung und die daraus abgeleiteten verfassungsmäßigen Rechte der Religionsgemeinschaften leer. Denn die Forderung, alle Gläubigen der jeweiligen Religion zu erfassen, ist für den Islam ebenso wenig erfüllbar wie für das Christentum, das in verschiedene Kirchen und Konfessionen zerfällt. 

27

d) Zu einer Religionsgemeinschaft können sich auch Angehörige verwandter Konfessionen zusammenfinden. Ob dies unter theologischen Gesichtspunkten Sinn macht, haben nicht die staatlichen Gerichte - etwa unter Hinzuziehung religionswissenschaftlicher Sachverständiger - zu entscheiden. Die Entscheidung unterliegt vielmehr dem Selbstbestimmungsrecht der Gläubigen (vgl. Anger, a.a.O., S. 356; Magen, a.a.O., Rn. 60; Morlok, a.a.O., Rn. 26; Korioth, a.a.O., Rn. 14). Aufgrund ihrer Religionsfreiheit kommt den Gläubigen die Definitionshoheit über den Inhalt ihres Bekenntnisses zu. Dies schließt die vom Staat zu respektierende Befugnis ein, bei der Gemeinschaftsbildung die Gemeinsamkeiten stärker zu gewichten als die Unterschiede. […] 

28

e) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kann auch eine Dachverbandsorganisation Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG sein. […] 

29

aa) Religiöse Überzeugung ist eine höchstpersönliche Angelegenheit. Daher muss eine Vereinigung, deren Zweck die Verfolgung der durch ein Bekenntnis gestellten Aufgaben ist, sich auf natürliche Personen beziehen. Aus der Sicht des staatlichen Rechts stehen die Gläubigen im Zentrum jeder Religionsgemeinschaft. Das hindert jedoch nicht, eine Religionsgemeinschaft auch in einem mehrstufigen Verband (Dachverbandsorganisation) zu erblicken, in welchem die Gläubigen auf der örtlichen Ebene Vereine gebildet haben, die sich zu regionalen Verbänden zusammengeschlossen haben, welche wiederum einen landes- oder bundesweiten Verband gegründet haben. […] Da das staatliche Recht den Religionsgemeinschaften keine bestimmte Organisationsform vorschreibt, kann nicht verlangt werden, dass die Gläubigen der Gemeinschaft selbst oder ihrer obersten Organisationseinheit als Mitglieder im Rechtssinne angehören. Ausreichend ist vielmehr, dass die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit durch ein organisatorisches Band zusammengehalten wird, das vom Dachverband an der Spitze mit seinen Gremien bis hinunter zum einfachen Gemeindemitglied reicht. […] Die Repräsentanten in den Organen der höheren Verbände handeln ebenso wie die lokalen Gemeindevorstände im Auftrag der einfachen Gemeindemitglieder und mit Wirkung für diese.

bb) […]

30

cc) Bei der gebotenen ganzheitlichen, auf die Gesamtorganisation abstellenden Betrachtungsweise bedarf es keiner gelebten Gemeinschaft natürlicher Personen auf der Ebene des Dachverbandes (vgl. Muckel JZ 2001, 58, 60 f.; Emenet, a.a.O., S. 175). Das religiöse Gemeinschaftsleben entfaltet sich auf der örtlichen Ebene, im hier vorliegenden Zusammenhang namentlich durch Versammlung der Gläubigen zum Gottesdienst. Dagegen nimmt die oberste Ebene typischerweise Leitungsaufgaben wahr, wobei für den Charakter als Religionsgemeinschaft unerheblich ist, ob sie das örtliche Gemeinschaftsleben durch Richtlinien und Weisungen steuert oder bei weitgehender Autonomie der örtlichen Vereine sich auf die Erfüllung übergreifender Aufgaben beschränkt. […] 

31

dd) Die nach Art. 140 GG inkorporierten Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung stehen nicht entgegen. […] 

32

ee) Ein Dachverband ist freilich nicht bereits dann Teil einer Religionsgemeinschaft, wenn sich die Aufgabenwahrnehmung auf seiner Ebene auf die Vertretung gemeinsamer Interessen nach außen oder auf die Koordinierung von Tätigkeiten der Mitgliedsvereine beschränkt. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass für die Identität einer Religionsgemeinschaft wesentliche Aufgaben auch auf der Dachverbandsebene wahrgenommen werden. 

33

Für die Anerkennung einer Dachverbandsorganisation als Religionsgemeinschaft ist wesentlich, dass dem Willen der vereinten Gläubigen Rechnung getragen werden soll, die für die Identität in Glaubensfragen erheblichen Aufgaben arbeitsteilig auf mehrere Organisationsebenen zu verteilen. […] 

34

Welche Aufgaben für die Identität einer Religionsgemeinschaft wesentlich sind, lässt sich nicht mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit festlegen, sondern hängt nicht zuletzt von dem Selbstverständnis der jeweiligen Gemeinschaft ab. Die gemeinschaftliche Pflege eines Bekenntnisses äußert sich typischerweise und hauptsächlich in Kultushandlungen wie z.B. Gottesdienst, Gebeten, dem Feiern von religiösen Festen, aber auch in der Verkündung des Glaubens und der Glaubenserziehung. Solche Handlungen finden allerdings weniger auf der überörtlichen als auf der örtlichen Ebene statt. Charakteristische Lebensäußerung einer Religionsgemeinschaft auf der überörtlichen Ebene ist demgegenüber etwa das Wirken eines geistlichen Oberhaupts, das die Gemeinschaft regiert und dessen Weisungen die Amtsträger und Gläubigen am Ort unterworfen sind. Aber auch unabhängig von der Existenz strenger hierarchischer Strukturen kann auf der überörtlichen Ebene Autorität, insbesondere Lehrautorität ausgeübt und von den Gläubigen in den örtlichen Gemeinden respektiert und befolgt werden. Es liegt auf der Hand, dass die Identität einer Religionsgemeinschaft maßgeblich von der Formulierung und Durchsetzung der ihr eigenen Glaubensinhalte geprägt wird.

35

ff) Schließlich muss die Tätigkeit des Dachverbands in der Weise auf die Gläubigen in den örtlichen Vereinen bezogen sein, dass sie sich als Teil eines gemeinsamen, alle diese Gläubigen umfassenden Glaubensvollzugs darstellt. Hieran kann es fehlen, wenn dem Verband in erheblichem Umfang Mitgliedsvereine angehören, die religiöse Aufgaben nicht oder nur partiell erfüllen. 

36

Wie bereits erwähnt, stehen den Religionsgemeinschaften die sog. religiösen Vereine (s. Art. 138 Abs. 2 WRV) gegenüber. Diese sind zwar - in der Regel - einzelnen Religionsgemeinschaften zugeordnet, unterscheiden sich aber von ihnen dadurch, dass sie sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Religiöse Vereine können sich z.B. karitativen Aktivitäten oder auch zahlreichen anderen Tätigkeiten widmen, für die die jeweilige Religion Handlungsgebote oder -maßstäbe vorsieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236, 246 ff.; Beschluss vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 u.a. - BVerfGE 70, 138, 163), etwa im beruflichen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bereich. Da solche Tätigkeiten im gesellschaftlichen Leben vielfach auch ohne eine spezifische religiöse Bindung vorgenommen werden, sind die religiösen Vereine trotz ihrer religiösen Ausrichtung nicht selbst Religionsgemeinschaften, sondern haben nur innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs an dem Grundrechtsschutz des Art. 4 GG teil. Dementsprechend kann auch durch den Zusammenschluss von religiösen Vereinen zu einem Dachverband keine Religionsgemeinschaft entstehen, und zwar selbst dann nicht, wenn darin zahlreiche unterschiedliche fachliche Ansätze und Zielrichtungen unter einem einheitlichen religiösen Blickwinkel zusammengefasst werden. […] 

37

4. Ob die Gesamtorganisationen, an deren Spitze die beiden klagenden Dachverbände stehen, nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze jeweils als eine Religionsgemeinschaft anzusehen sind, vermag der Senat anhand der bislang vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen. […] 

38

a) Als personale Grundlage einer Religionsgemeinschaft kommen in beiden Dachverbandsorganisationen die Gläubigen in den ihnen angeschlossenen Moscheevereinen in Betracht. […] 

39

aa) Nach § 3 Abs. 1 der Satzung des Klägers zu 2 kann bei diesem Mitglied jede juristische Person werden, wenn alle Mitglieder sich zum Islam bekennen und auf dieser Grundlage Aktivitäten aufweisen. Wie sich aus dem Sinnzusammenhang ergibt, sind unter "Mitglieder" gemäß dem zweiten Halbsatz die natürlichen Personen gemeint, die als Angehörige der Mitgliedsvereine die personale Substanz des  Verbandes bilden. Dass unter "Mitglied" im Sinne der Satzungsbestimmungen nicht stets der Mitgliedsverein zu verstehen ist, sondern im jeweiligen Kontext auch die von der Gesamtorganisation erfassten natürlichen Personen, ergibt sich namentlich aus den Regelungen über die Vertreterversammlung in § 7 der Satzung. […] 

40

§ 3 Abs. 4 Satz 1 der Satzung bestimmt weiter, dass mit der Aufnahme der juristischen Person als Mitglied automatisch alle ihre Mitglieder gleichzeitig mittelbare Mitglieder des Klägers zu 2 werden. Nach ihrem Sinn und Zweck soll sich diese Bestimmung offensichtlich auf die von den Mitgliedsvereinen erfassten natürlichen Personen beziehen. Damit soll klargestellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2 Wirkung für alle Muslime entfaltet, die bei den Mitgliedsvereinen organisiert sind. […] 

41

bb) Auch beim Kläger zu 1 reicht ein organisatorisches Band bis hinunter zu den Gläubigen in den Moscheegemeinden. […] 

42

Dass der Kläger zu 1 auf die ausdrückliche Regelung einer mittelbaren Mitgliedschaft der Gläubigen verzichtet hat, ist unschädlich. Auch ohne eine derartige Regelung ergibt sich aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Satzung, dass die Organe des Klägers zu 1 mit Wirkung für die von der Gesamtorganisation erfassten Gläubigen handeln.

43

cc) Unschädlich ist, dass die den Klägern zuzuordnenden muslimischen Gläubigen konfessionell nicht vollständig homogen sind. […] 

44

dd) Nach den dargelegten Grundsätzen scheiden die Dachverbandsorganisationen der Kläger nicht deswegen als Religionsgemeinschaften aus, weil beiden nur ein Teil der muslimischen Gläubigen in Deutschland angehören. Ebenfalls unerheblich ist, dass sie sich untereinander - ebenso wie möglicherweise im Verhältnis zu anderen islamischen Spitzenorganisationen in Deutschland - in konfessioneller Hinsicht nicht nennenswert unterscheiden.

45

b) Das Oberverwaltungsgericht hat mit Blick auf den Islam in Deutschland allgemein, aber auch speziell auf das Wirken der Kläger und deren Untergliederungen zur gemeinschaftlichen Religionspflege der Muslime folgende tatsächliche Feststellungen getroffen (Berufungsurteil S. 30 f.; 35 f.):

46

Für die gemeinsame Religionsausübung und rituelle Praxis sind die Gebetsräume und Moscheen als Gebets- und Versammlungsstätten von zentraler Bedeutung, insbesondere für das vom Vorbeter geleitete rituelle Freitagsgebet. Zu ihrer Einrichtung und Unterhaltung haben sich auf lokaler Ebene zahlreiche Moscheevereine und auch sonstige islamische Kulturvereine gebildet, die überwiegend überörtlichen Verbänden angeschlossen sind, welche die Moscheen finanziell (mit-)tragen und (ausgebildete) Vorbeter stellen. In den örtlichen Gemeinden oder Vereinigungen findet im Zusammenhang mit Moscheen und Zentren ferner die Unterweisung in der Glaubenslehre und -praxis und die religiöse Erziehung in Koranschulen sowie die Pflege religiöser, sozialer und kultureller Aufgaben statt. Weiterer Ausdruck gemeinsamer Religionsausübung sind etwa religiöse Feste sowie die Bestattung Verstorbener und das Schächten nach religiösen Vorschriften. Die überörtlichen Verbände unterstützen die örtlichen Vereinigungen auch insofern, als sie spezialisierte Angebote etwa der religiösen Bildung und Hilfen beim Bau von Moscheen bereithalten. Demgegenüber halten die Dachverbände, darunter die Kläger, religiösen Sachverstand etwa zur Bestimmung der Festtage nach dem Mondkalender vor, geben spezialisierte Auskünfte in religiösen Fragen, nehmen die Interessen der Muslime gegenüber staatlichen Stellen wahr, halten Internetangebote vor, geben Publikationen heraus und beteiligen sich an Dialogen mit gesellschaftlichen Gruppen und anderen Religionsgemeinschaften.   

47

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Oberverwaltungsgericht das Wirken der Kläger und der ihnen zugeordneten Vereinigungen mit Recht als eine arbeitsteilige Pflege der Religion auf mehreren organisatorischen Ebenen gekennzeichnet. Gleichwohl hat es die Tätigkeiten der Kläger nicht als die einer Religionsgemeinschaft angesehen, weil die Kläger nicht selbst, in eigener Verantwortung und mit eigenem Wirken, die allseitige Pflege des religiösen Lebens der Religionsangehörigen wahrnähmen, also nicht die Gesamtheit der den Religionsangehörigen aus Gründen des religiösen Glaubens gestellten Aufgaben erfüllten, sondern nur partiell religiöse oder sogar areligiöse Zwecke verfolgten. Damit hat das Oberverwaltungsgericht verkannt, dass auch ein Dachverband einschließlich seiner Untergliederung die Merkmale einer Religionsgemeinschaft erfüllen kann und dass es für jede mehrstufig organisierte Religionsgemeinschaft geradezu charakteristisch ist, wenn das Aufgabenprogramm - im Sinne der Allseitigkeit - von allen vorhandenen Organisationsebenen erfüllt wird. Allerdings setzt, wie oben näher dargelegt, eine den Dachverband einschließende Religionsgemeinschaft notwendig voraus, dass auch auf der Dachverbandsebene Aufgaben wahrgenommen werden, die für die Identität der Gemeinschaft von wesentlicher Bedeutung sind.

48

c) Ob Letzteres bei den Klägern der Fall ist, ist bislang nicht hinreichend geklärt.

49

Der Kläger zu 2 bezeichnet sich in § 2 Abs. 1 seiner Satzung selbst als eine "islamische Religionsgemeinschaft"; darüber hinaus hat er sich in § 2 Abs. 5 und 6 mit weit gespannten Zuständigkeiten ausgestattet, die auf eine allseitige Religionspflege hindeuten, wie sie auch von anderen Religionsgemeinschaften ausgeübt wird. […] 

50

Das Oberverwaltungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob diese satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich auf der Grundlage religiösen Sachverstands wahrgenommen werden. Es bedarf der Feststellung, dass der Kläger zu 2 über die satzungsmäßig vorgesehene, mit Sachautorität und -kompetenz ausgestattete Instanz tatsächlich verfügt und dass die von ihm in Anspruch genommene Autorität in Lehrfragen in der gesamten Gemeinschaft bis hinunter zu den Moscheegemeinden reale Geltung hat.

 51

Ähnliches gilt für den Kläger zu 1. Zwar beschreibt sich dieser in § 2 Abs. 1 seiner Satzung im Vergleich zum Kläger zu 2 eher zurückhaltend als "ein Handlungsorgan der dem Verein angehörenden Organisationen", das sich "mit alle Muslime betreffenden islamischen Angelegenheiten" befasst und "eine gemeinsame und ständige Informations- und Gesprächsebene für die öffentlichen Interessen der Muslime" bildet. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist materieller Schwerpunkt der Aktivitäten des Klägers zu 1 die Öffentlichkeitsarbeit gegenüber staatlichen Stellen und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Andererseits nimmt auch der Kläger zu 1 - worauf das Oberverwaltungsgericht ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsauffassung bislang nicht das nötige Augenmerk gelenkt hat - ausdrücklich für sich Lehrautorität in Anspruch, die sich vor allem an die örtlichen Gemeinden richtet. […]

52

d) Nach den vorangegangenen Ausführungen zum Rechtsbegriff der Religionsgemeinschaft kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits weiterhin darauf an, ob die den Klägern angeschlossenen Moscheevereine und deren regionalen Zusammenschlüsse die Tätigkeiten der Kläger und damit auch den Charakter der von den Klägern angeführten Gesamtorganisationen prägen. Auch diese Frage lässt sich nicht ohne eine ergänzende Aufklärung des Sachverhalts beantworten. […] 

53

Der prägende Einfluss der Moscheevereine und ihrer Zusammenschlüsse auf der Dachverbandsebene wird davon abhängen, ob deren Delegierte über die Stimmenmehrheit in den Vertreterversammlungen verfügen. Ist dies nicht der Fall, so ist nicht mehr sichergestellt, dass die Tätigkeit auf der Dachverbandsebene ein Beitrag zur Erfüllung der durch die islamische Konfession gestellten Aufgaben ist, der für die Gläubigen in den Moscheevereinen geleistet wird. […] 

54

5. Sind die Gesamtorganisationen, an deren Spitze die klagenden Dachverbände stehen, nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze und entsprechender Aufklärung durch das Oberverwaltungsgericht als Religionsgemeinschaften anzusehen, so werden dem geltend gemachten Anspruch der Kläger spezielle aus Art. 7 Abs. 3 GG herzuleitende Anforderungen nicht entgegenstehen.

55

a) Der Anspruch der Kläger auf Einführung von Religionsunterricht ist nicht deswegen zu verneinen, weil sie nicht den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts besitzen. Den Anspruch von einem derartigen Erfordernis abhängig zu machen, wäre mit Wortlaut und Systematik der in Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV getroffenen Regelungen offensichtlich unvereinbar. Religionsunterricht wird im Grundsatz allen Religionsgemeinschaften zugänglich gemacht, und zwar unabhängig davon, in welcher Rechtsform sie organisiert sind. […] 

56

) Geboten erscheint dagegen, den Anspruch der Religionsgemeinschaften von den in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV enthaltenen materiellen Voraussetzungen abhängig zu machen, also davon, dass die Religionsgemeinschaften durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Ein solches Erfordernis ist wegen des mit der Einführung von Religionsunterricht für den Staat verbundenen Planungs- und Kostenaufwands unverzichtbar. Es ist in dem in Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltenen Merkmal "ordentliches Lehrfach" angelegt. 

57

Dieses Erfordernis steht dem streitigen Anspruch nicht entgegen. […] 

58

c) Der Anspruch der Kläger scheitert nicht daran, dass muslimische Schulkinder im Allgemeinen nicht selbst formell Mitglieder der Moscheevereine sind.

59

Allerdings müssen Religionsgemeinschaften, die zum staatlich veranstalteten Religionsunterricht zugelassen werden wollen, über eine eindeutige Mitgliederstruktur verfügen, damit sich feststellen lässt, welche Schulkinder zum Besuch des entsprechenden Religionsunterrichts verpflichtet sind. […] Bestimmen die Eltern, dass ihr Kind die islamische Konfession teilt, so entsteht damit mit Rücksicht auf die positive Konfessionsfreiheit und deren Konkretisierung in Art. 7 Abs. 2 GG die Teilnahmeverpflichtung. Dass sich diese auf den von den Klägern verantworteten Religionsunterricht bezieht, weil der betreffende Moscheeverein ihnen organisatorisch zuzuordnen ist, liegt wiederum in der Logik des Dachverbandsmodells begründet. […] 

60

d) Schließlich verfügen die Kläger mit ihren Vorständen über jene Ansprechpartner, auf welche der Staat im Rahmen des Kooperationsmodells nach Art. 7 Abs. 3 GG angewiesen ist. […] 

61

6. Offen ist ferner, ob die Kläger als Partner eines vom Staat veranstalteten Religionsunterrichts deswegen ausscheiden, weil gegen ihre Eignung - wie vom beklagten Land geltend gemacht - unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue Bedenken bestehen.

62

Der verfassungsrechtliche Anspruch einer Religionsgemeinschaft auf Einführung eines ihrer Glaubensrichtung entsprechenden Religionsunterrichts ist zwar nach dem Wortlaut der Regelung in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG schrankenlos gewährleistet. Gleichwohl unterliegt er auch über die vorstehend beschriebenen und aus dem Gegenstand des Anspruchs folgenden Anforderungen hinaus weiteren Einschränkungen. Nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung werden ihm durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes Grenzen gezogen. […] 

63

Genauso wie eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anstrebt, muss eine Religionsgemeinschaft, die die Einführung von Religionsunterricht begehrt, Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet. […] 

64

a) Nach der in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG vorgesehenen Arbeitsteilung liegt  der Aufgabenschwerpunkt des Staates darin, die organisatorischen und dienstlichen Voraussetzungen für den Religionsunterricht zu schaffen, während die inhaltliche Verantwortung - schon mit Blick auf die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates - in erster Linie bei den Religionsgemeinschaften liegt. […] Religionsgemeinschaften, bei denen anzunehmen ist, dass sie ihre Befugnis zur inhaltlichen Gestaltung des Religionsunterrichts dazu nutzen werden, die teilnehmenden Schulkinder den genannten elementaren Verfassungsprinzipien zu entfremden, sind für die in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG vorgesehene Kooperation nicht geeignet. 

65

b) Religionsgemeinschaften, die beim Religionsunterricht mitwirken, verfügen damit über einen erhöhten Einfluss in Staat und Gesellschaft. Ihnen liegt deshalb die besondere Pflicht des Grundgesetzes zum Schutz der Rechte Dritter näher als anderen Religionsgemeinschaften (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 393). Sie müssen daher insbesondere Gewähr dafür bieten, dass sie die Rechte der am Religionsunterricht teilnehmenden Schüler achten und diese nicht dazu verleiten, die Rechte anderer, insbesondere Andersgläubiger zu verletzen. Es verbietet sich, zur Mitwirkung bei der Veranstaltung von Religionsunterricht eine Religionsgemeinschaft zuzulassen, gegen die einzuschreiten der Staat zum Schutz grundrechtlicher Rechtsgüter berechtigt oder gar verpflichtet wäre.

66

c) Die Mitwirkung beim Religionsunterricht ist, wie schon erwähnt, ein Mittel zur Entfaltung positiver Religionsfreiheit. Für die betreffenden Religionsgemeinschaften begründet sie eine bevorzugte Rechtsstellung. Es verbietet sich, diese einer Religionsgemeinschaft einzuräumen, welche nicht die Gewähr dafür bietet, dass das Verbot einer Staatskirche sowie die Prinzipien von Neutralität und Parität unangetastet bleiben. Letzteres wäre etwa bei Religionsgemeinschaften der Fall, die auf die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaftsordnung hinwirken (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 394 f.).

d) […]

67

e) Das Oberverwaltungsgericht hat die Eignung der Kläger unter den vorgenannten Gesichtspunkten - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft. Die Beklagte hat Bedenken gegen die Verfassungstreue der Kläger geltend gemacht und zwar in Bezug auf den Kläger zu 2 wegen der ihm angehörenden Islamischen Gemeinschaft M. G., in Bezug auf den Kläger zu 1 wegen einiger Mitgliedsvereine, die der Muslimbruderschaft nahe stehen sollen, und hat insofern auf die Verfassungsschutzberichte verwiesen. 

68

7. Das Begehren nach Einführung eines von den Klägern gemeinsam verantworteten islamischen Religionsunterrichts begegnet als solches mit Rücksicht auf die maßgeblichen Regelungen in Art. 7 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG keinen Bedenken. Die dort vorgesehene Arbeitsteilung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, insbesondere die Wahrung der öffentlichen Interessen durch den Staat wird nicht beeinträchtigt, wenn sich zwei Religionsgemeinschaften auf der Grundlage eines gemeinsamen Bekenntnisses oder mehrerer verwandter Bekenntnisse auf gemeinsame Inhalte für den Religionsunterricht verständigen. Andererseits hat der Staat eine derartige Verständigung zu respektieren, die als Wahrnehmung positiver Religionsfreiheit zu verstehen ist (vgl. Robbers, a.a.O. Rn. 126; Häußler, a.a.O. S. 261; Angerer, a.a.O. S. 379).

69

  

Bardenhewer, Hahn, Büge, Graulich, Vormeier   

 

Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies. Durch Nutzung dieser Seite stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.