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Rechtsurteile

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Anspruch auf islamische Kost eines Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus

Einem Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es zu ermöglichen sich nach islamischen Speisevorschriften zu ernähren. Dabei ist das Krankenhaus zwar nicht verpflichtet die Speisen selbst zu verschaffen, muss aber dem Untergebrachten die Möglichkeit zur Besorgung solcher Speisen gewähren. Bei einem wöchentlichen Bestellvorgang, bei dem jeder Untergebrachte von einem Lieferanten etwas bestellen kann, ist die grundsätzlich rechtmäßige Beschränkung auf einen einzigen Lieferanten dann im Hinblick auf § 21 Satz 3 StVollzG unangemessen, wenn dieser Lieferant keinerlei Halal-Produkte anbietet. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsätze:

[...] 2. § 21 Satz 3 StVollzG sieht nur ein Recht auf Selbstverpflegung vor, wenn ein Gefangener einer Religionsgemeinschaft mit besonderen Speisegeboten angehört und diese im Rahmen der Anstaltsverpflegung nicht berücksichtigt werden.

3. Die Anstalt ist nicht verpflichtet, dem Gefangenen entsprechende Speisen zu beschaffen, hat ihm jedoch zu gestatten, sich selbst mit diesen zu versorgen.

4. Die Beschränkung der Anstaltsbelieferung auf ein Unternehmen, das keinerlei Halalprodukte anbietet, stellt sich als ermessensfehlerhaft dar.

 

Beschluss:

Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten werden der Beschluss des Landgerichts Berlin ­ Strafvollstreckungskammer ­ vom 30. Mai 2011 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung und der Bescheid des Krankenhauses des Maßregelvollzugs vom 28. Februar 2011 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. [...]

 

Gründe:

I.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 28. Juni 2005, in dem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, im Krankenhaus des Maßregelvollzugs. Mit Schreiben vom 9.Dezember 2010 beantragte der Beschwerdeführer, der der islamischen Religionsgemeinschaft angehört und eigenen Angaben zufolge praktizierender Muslim ist, bei dem Antragsgegner die Umstellung seiner Ernährung auf sogenannte HalalKost. Das Krankenhaus des Maßregelvollzugs müsse es ihm ermöglichen, die Speisevorschriften des Islam zu befolgen.

1

Der Antragsgegner lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2011 ab. Zur Begründung führte er aus, die Möglichkeit der Selbstversorgung mit Lebensmitteln sei an einen Lockerungsstatus gebunden, der es dem Patienten ermögliche, in Begleitung eines Mitarbeiters der Klinik die erforderlichen Einkäufe zu erledigen. Von dieser Regelung könne nur abgesehen werden, wenn ein dringender medizinischer Grund die weitere Versorgung mit Klinikkost nicht ratsam erscheinen lasse. Im Übrigen sehe die Hausordnung des Krankenhauses des Maßregelvollzugs aus Sicherheitsgründen „ursprünglich“ nicht die Möglichkeit vor, Lebensmittel von Familienangehörigen oder sonstigen Personen einbringen zu lassen. Lediglich aus Kulanzgründen werde Patienten der Empfang von jährlich drei bis vier Paketen mit maximal 5 kg Gewicht zu besonderen Gelegenheiten genehmigt.

2

Mit dem am 31. März 2011 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung [...] begehrte der Beschwerdeführer, den Leiter des Krankenhauses des Maßregelvollzugs unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Februar 2011 zu verpflichten, ihm zu ermöglichen, Speisevorschriften der islamischen Religionsgemeinschaft zu befolgen. Zur Begründung seines Antrags verwies er auf Art. 4 Abs. 1 GG und § 21 Satz 3 StVollzG. Die Möglichkeit der Selbstverpflegung dürfe ihm nur versagt werden, wenn die regelmäßige Anlieferung der nach dem Islam erlaubten Lebensmittel ein konkretes Sicherheitsrisiko darstelle. Im übrigen seien Alternativen wie die Einrichtung einer Kantine, die Bildung von Einkaufsgruppen, die Bestellung bestimmter Lebensmittel durch den Antragsteller direkt beim Supermarkt sowie Paketzustellungen durch Angehörige, Freunde und Bekannte in Betracht zu ziehen.

3

Der Antragsgegner führte mit Schreiben vom 20. April 2011 ergänzend aus, die Patienten hätten die Möglichkeit, anhand eines vorgegebenen Speiseplans wochenweise unter verschiedenen Angeboten ­ Vollwertkost, Reduktionskost, vegetarische Kost und islamische Kost (Essen ohne Schweinefleisch) – auszuwählen und auf diese Weise den Verzehr von Fleisch­ und Wurstwaren zu vermeiden, die nicht dem islamischen Regelwerk entsprächen. Zusätzlich könne der Antragsteller Lebensmittel über den Lieferservice des Unternehmens "Kaiser's" bestellen, der allerdings keine Halal-Produkte anbiete.

4

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Mai 2011 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

5

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung sachlichen Rechts und beantragt, den Antragsgegner unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Februar 2011 und des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten, es ihm zu ermöglichen, Speisevorschriften der islamischen Religionsgemeinschaft zu befolgen und Halalkost für die ihm bereits gestattete Selbstversorgung zu erwerben, hilfsweise, den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Der Beschwerdeführer macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen § 21 Satz 3 StVollzG und Art. 4 Abs. 2 GG. Die von der Strafvollstreckungskammer aufgezeigte Möglichkeit, Vegetarier zu werden, reiche nicht aus, um dem Anspruch des Beschwerdeführers auf eine religionskonforme und zugleich vollwertige Ernährung gerecht zu werden. [...]

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die form­ und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde (§§118, 138 Abs. 3 StVollzG) erfüllt die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG, da es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

7

8

a) Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts zulässig, da sie mit der Sachrüge die Frage aufwirft, ob es in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten entsprechend § 21 Satz 3 StVollzG zu ermöglichen ist, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen. Diese Frage ist ­ soweit ersichtlich ­ obergerichtlich noch nicht entschieden und bedarf daher der Klärung. [...]

9

Regelungen zur Verpflegung der Untergebrachten und insbesondere zu der Frage, inwieweit es ihnen zu ermöglichen ist, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen, sieht das PsychKG nicht vor. Es enthält lediglich allgemeine Vorschriften zur Religionsausübung (§ 32 PsychKG), zur Übergabe von Gegenständen bei Besuchen (§ 33 Abs. 3 Satz 2 PsychKG), zum Empfang von Päckchen und Paketen (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 34 PsychKG) und zum Erlass einer Hausordnung (§ 39 PsychKG), die sowohl für die behördliche Unterbringung psychisch Kranker als auch ­ aufgrund der Verweisung in § 46 PsychKG ­ für die Unterbringung aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung gelten.

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Die Lücke ist durch die entsprechende Anwendung des § 21 Satz 3 StVollzG zu schließen, der vorsieht, dass es dem Gefangenen zu ermöglichen ist, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen. Das Recht auf Selbstverpflegung entsprechend den religiösen Speisegeboten hat seine Grundlage in dem Anspruch auf Achtung der Glaubens­, Gewissens­ und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 GG. Diesem Anspruch ist auch im Rahmen des Maßregelvollzuges Rechnung zu tragen [...]. Denn die Grundrechte gelten dort ­ vorbehaltlich der in § 51 PsychKG zitierten Einschränkungen ­ in gleicher Weise. Dementsprechend sieht auch § 32 PsychKG vor, dass der Untergebrachte das Recht hat, innerhalb der Einrichtung an Gottesdiensten und an den Veranstaltungen von Religions­ und Glaubensgemeinschaften teilzunehmen. [...]

12

b) Die Rechtsbeschwerde ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, da die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung führen kann. [...]

14

Die Strafvollstreckungskammer ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass § 21 Satz 3 StVollzG im Maßregelvollzug entsprechend anzuwenden ist. Sie hat jedoch dem Recht auf Selbstverpflegung entsprechend den religiösen Speisevorschriften nicht das erforderliche Gewicht beigemessen. Die von ihr vertretene Auslegung des § 21 Satz 3 StVollzG, der zufolge es ausreiche, dem muslimischen Beschwerdeführer die Ernährung mit schweinefleischfreier oder vegetarischer Kost zu ermöglichen, steht im Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung [...]. Wegen der erheblichen Bedeutung der Rechtsfrage für den Maßregelvollzug insgesamt hält der Senat ein klärendes Wort für geboten, um Unsicherheiten in der Rechtsanwendung zu begegnen.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ­ mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung ­ und des zugrunde liegenden Bescheides vom 28. Februar 2011 sowie zum Ausspruch der Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden [...].

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a) Obergerichtlich geklärt ist zunächst, dass §21 Satz 3 StVollzG nur ein Recht auf Selbstverpflegung vorsieht, wenn ein Gefangener einer Religionsgemeinschaft mit besonderen Speisegeboten angehört und diese im Rahmen der Anstaltsverpflegung nicht berücksichtigt werden; dagegen enthält die Norm keine Verpflichtung der Anstalt, dem Gefangenen entsprechende Speisen auch zu beschaffen. [...]

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Danach trifft es zu, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs ­ wovon auch das Beschwerdevorbringen selbst ausgeht ­ nicht gehalten war, dem Beschwerdeführer eine Verpflegung zu beschaffen, die sämtlichen in Betracht kommenden Speisegeboten des Islam entspricht. Die Strafvollstreckungskammer hat es insoweit zu Recht als ausreichend angesehen, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs eine schweinefleischfreie oder vegetarische Kost anbietet. Ein Anspruch auf Bereitstellung von geschächtetem Fleisch im Rahmen der Anstaltsverpflegung wird selbst von der im Schrifttum teilweise (abweichend von der obergerichtlichen Rechtsprechung) vertretenen Auffassung, die einen Anspruch des Gefangenen auf eine seinen religiösen Speisegeboten nicht widersprechende Verpflegung bejaht [...], nicht angenommen, da im Islam keine religiöse Pflicht existiert, Fleisch zu essen [...]. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es einheitliche islamische Speisevorschriften nicht gibt, die Vorschriften des Korans von den jeweiligen islamischen Autoritäten vielmehr unterschiedlich ausgelegt werden, und dass im Rahmen einer Gemeinschaftsverpflegung naturgemäß nicht sämtlichen individuellen Wünschen und Bedürfnissen an die Speisen Rechnung getragen werden kann [...].

18

b) Jedoch ist die Entscheidung des Krankenhauses des Maßregelvollzugs, dem Untergebrachten auch eine Selbstversorgung mit Halal­Produkten zu versagen, mit der gebotenen grundrechtskonformen Auslegung des §21 Satz 3 StVollzG nicht vereinbar. Die Beschränkung auf ein Lieferunternehmen, das keinerlei Halalprodukte anbietet, stellt sich entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz als ermessensfehlerhaft dar. Der angefochtene Beschluss wird insoweit der Reichweite des Rechts auf Selbstversorgung nicht gerecht.

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Auch wenn der Antragsgegner nicht selbst für eine den religiösen Speisegeboten entsprechende Ernährung zu sorgen hat, so hat er dem Untergebrachten jedoch zu gestatten, sich derartige Speisen selbst zu verschaffen [...]. Er kann ihn nicht darauf verweisen, lediglich den Verzehr von bestimmten Speisen ­ wie etwa Schweinefleisch ­ zu vermeiden oder aber ­ sofern er nicht­geschächtetes Fleisch generell ablehnt ­ sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren.

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Zwar ist es dem Ermessen des Antragsgegners überlassen, auf welchem Wege er die Selbstversorgung ermöglicht. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn das Krankenhaus des Maßregelvollzugs das Einkaufen durch den Untergebrachten selbst von einem Lockerungsstatus abhängig macht und es ihm bei Nichterreichen dieses Status versagt. [...]

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Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die auf der Grundlage von §39 PsychKG erlassene Hausordnung vorsieht, dass "Dinge des alltäglichen Gebrauchs, die die Patienten evtl. nicht beschaffen können, wie Lebensmittel ..., in angemessenem Umfang entsprechend den örtlichen Gegebenheiten einmal wöchentlich nach Vorlage eines Bestellscheins beschafft werden", wobei die Beschaffung auf einen Anbieter beschränkt werden kann (§9 Abs. 2 der Hausordnung), und dass die Bestellung von Fertiggerichten und anderen Lebensmitteln außerhalb der in Abs. 2 genannten Lieferdienste nicht gestattet ist (§9 Abs. 3 der Hausordnung). Der Senat hat bereits früher entschieden, dass die Einschränkung des Einbringens von Lebens­ und Genussmitteln in das Krankenhaus des Maßregelvollzugs im Hinblick auf bestehende Missbrauchsmöglichkeiten zulässig ist [...].

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Jedoch erweist sich die Beschränkung auf einen Lieferanten, der keinerlei Halal-Produkte anbietet, im Hinblick auf §21 Satz 3 StVollzG als ermessensfehlerhaft. Wenn der Antragsgegner lediglich Lieferungen eines einzigen Unternehmens zulässt, so hat er bei der Auswahl des konkreten Anbieters darauf zu achten, dass dessen Lebensmittelangebot auch Halal­Produkte enthält. Alternativ kann er die Selbstversorgung des Untergebrachten mit derartigen Produkten durch Erweiterung der Bezugsmöglichkeiten um ein weiteres Lieferunternehmen mit entsprechendem Angebot oder durch Schaffung eines entsprechenden Angebotes in einem klinikeigenen Kiosk oder Geschäft ermöglichen. Praktische Hindernisse sind nicht erkennbar, da es in Berlin ausreichend Unternehmen gibt, die nach islamischen Regeln erlaubte Lebensmittel anbieten. Es ist auch keineswegs ­ wie der Antragsgegner besorgt ­ erforderlich, eine Vielzahl von Anbietern zu beauftragen, die zu unterschiedlichen Zeiten Lebensmittel anliefern und in erheblichem Umfang Arbeitskapazitäten des Pflegepersonals binden. Abgesehen davon, dass ein (zusätzlicher) Anbieter ausreicht, wäre auch eine Beschränkung auf eine wöchentliche Lieferung zulässig, zumal Fleisch­ und Wurstwaren bei entsprechender Konservierung, Verpackung und Lagerung auch länger als nur einen Tag haltbar sind.

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3. Die Sache ist im Sinne des §119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG spruchreif. Einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer bedarf es nicht. Der Antragsgegner hat den Antragsteller unverzüglich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. Es bleibt seinem pflichtgemäßem Ermessen überlassen, auf welchem Wege er es dem Untergebrachten ermöglicht, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, die den islamischen Speisegeboten entsprechen. [...]

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