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Rechtsurteile

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Amtsenthebung eines islamfeindlichen Schöffen

Ein Schöffe, der über Facebook neben anderen rechtsextremen Aussagen auch solche wie „Islam gehört zu Merkel, nicht zu Deutschland“, „Zur Hölle mit Euch und dem Islam… - Ab in Eure Länder“ äußert oder Ausländer und Flüchtlinge als „Untermenschen“ bezeichnet, zeigt eine so festgefügte menschenverachtende Denkweise, dass nicht davon auszugehen ist, dass er Willens und in der Lage ist, als ehrenamtlicher Richter insbesondere in Verfahren gegen Ausländer dem geleisteten Eid entsprechend unparteiisch und ohne Ansehung der Person zu entscheiden, sodass er gem. § 51 Abs. 1 GVG vom Schöffenamt zu entheben ist. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsatz:

Zur Amtsenthebung eines Schöffen wegen menschenverachtender und verfassungsfeindlicher Äußerungen in sozialen Netzwerken (Facebook).

 

Beschluss:

Der Schöffe N.N. wird seines Amtes enthoben.

 

Gründe:

I.

 

1. Der Vorsitzende der 11. Strafkammer des Landgerichts Leipzig hat gegenüber dem Senat mit Verfügung vom 17. August 2017 beantragt, den beim Landgericht Leipzig eingesetzten, in der Beschlussformel bezeichneten Schöffen seines Amtes als ehrenamtlicher Richter zu entheben, weil der Schöffe seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Der Schöffe unterhalte einen Facebook-Account, in dessen öffentlich zugänglichem Bereich das Profilbild des Schöffen sowie mehrere Beiträge und - zum Teil kommentierte bzw. textlich ergänzte - Bilder enthalten sind, deren Inhalt als verfassungsfeindlich und menschenverachtend einzustufen sei und damit eine gröbliche Verletzungen der Amtspflicht eines Schöffen darstellten.

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Nach den Feststellungen stellte der Schöffe u.a. am 13. August 2017 in den öffentlich zugänglichen Bereich seines Facebook-Accounts mit dem vom ihm verfassten Kommentar „Nur die dummen lernen nicht“ einen - möglicherweise von einem anderen Facebook-Nutzer bereits früher geposteten - Beitrag mit der Überschrift „Der Internationale Strafgerichtshof hat bestätigt...“ ein, worin mit für die Argumentation von „Reichsbürgern“ typischen Textpassagen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestritten und der Fortbestand des Deutschen Reiches behauptet wird. Am 04. Juli 2017 stellte er zudem als sein Profilbild des von ihm unter dem Namen „N.F.N.“ geführten (zweiten) Facebook-Accounts das Bild einer Uniform-Dienstmütze der Waffen-SS (SS-Division Totenkopf) ein, versehen mit der Textpassage „Liebe Flüchtlinge, an diesen Mützen erkennen Sie Ihren Sachbearbeiter“. Am 23. Juli 2017 (12:17 Uhr) verfasste er den eigenen Beitrag: „Leute, sammelt Eure Kraft und Gedanken, denn nach dem 24. September 2017 wird Deutschland nicht mehr Deutschland sein. Wahlfälschung im großen Stil durch die Faschisten der CDU, CSU, SPD, und Grüne, um das Land weiter zu destabilisieren. Es gibt dann Bürgerkrieg um diese verlogenen Faschisten, welche nicht freiwillig gehen aus diesen Ämtern zu beseitigen und vom Volk abzuurteilen.“. Ferner kommentierte der Schöffe am 06. August 2017 den Beitrag eines anderen Facebook-Nutzers (X.) „Nazis sind für mich Deutsche, Flüchtlinge sind Invasoren“ mit den zustimmenden Worten „Ja, das ist so“. Am 13. August (07:00Uhr) veröffentlichte er einen eigenen Beitrag: „Einen guten Morgen allen Freunden und Mitstreitern allen anderen von Feinden, Geheimdienstlern Spitzeln, Denunzianten, Volksverrätern, Lügnern, Hetzern und sonstig... vorstellt. Eines Tages können diese Verbrecher wissen, wenn das Volk aufsteht dann gibt es keine Gnade für solche Untermenschen.“ Wiederholt bezeichnet er die gegenwärtigen politischen Parteien und amtierenden Politiker als „Faschistenpack“. Unter dem 19. Juli 2017 (15:47 Uhr) fordert er „Deutsches Volk heb[e] dein[en] Arsch beseitige das System“. In sein Account hat er zudem eine Vielzahl verunglimpfender Darstellungen amtierender Politiker eingestellt oder „geteilt“. Beispielhaft genannt seien die Bilder der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Mitglied des Vorstandes der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft Claudia Roth mit einer per Fotomontage anstelle des Mundes eingefügten analen Austrittsöffnung (Anus) oder die Fotomontage des Bundesjustizministers Heiko Maas mit heruntergelassener Hose hockend und auf das Straßenpflaster kotend. Dieses Bild ist versehen mit der Bildüberschrift „Netzwerksdurchfallsgesetz durch...“ und bezieht sich eindeutig auf das im Juni 2017 vom deutschen Bundestag angenommene, seiner Zielrichtung nach gegen Hetze und gefälschte Meldungen in Sozialen Netzwerken bestimmte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG, Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken), auch „Facebook-Gesetz“ genannt.

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Am 14./15. August 2017 postete er das mit der Aufschrift „Zensur? Nein Danke! Ich freue mich Euch wieder zu sehen auf: VK.com“ versehene Bild des „Facebook“-Logo „f“ mit den Worten „Wer mach mit“ sowie „Kommt alle hin, Freunde“ den Aufruf, auf das Netzwerk „VK.com“, die russische Netzwerk-Variante von Facebook zu wechseln, welches als Sammelbecken für Facebook-Hetzer gilt.

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2. Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 25. August 2017 ist der Schöffe über den Antrag auf Amtsenthebung informiert worden. Der Schöffe hat sich dazu mit einem Schreiben vom 01. September 2017 geäußert. Er bestätigt, die in der Antragsschrift zur Amtsenthebung beschriebene Person zu sein; allerdings habe er weder verfassungsfeindliche noch menschenverachtende Äußerungen getätigt. Sofern seine Äußerungen dennoch so aufgenommen worden seien, bitte er hierfür in aller Form um Entschuldigung. Er habe sich stets von dem Gedanken der Meinungsfreiheit in Bild und Ton nach Art. 5 GG leiten lassen. Den nunmehr vorliegenden Antrag auf Amtsenthebung nehme er gleichwohl zum Anlass, das Amt des Schöffen wegen der ihm zur Last gelegten Vorwürfe niederzulegen.

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3. Im Hinblick auf seinen nach der gültigen Hauptschöffenliste des Landgerichts Leipzig für Strafverfahren gegen Erwachsene bereits am 19. September 2017 anstehenden nächsten Einsatz als Schöffe und die erforderliche Zeit zur Ladung eines Ersatzschöffen hat der Senat im vorläufigen Verfahren nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GVG mit Beschluss vom 04. September 2017 nach allseitiger vorheriger Anhörung angeordnet, dass der betroffene Schöffe bis zur endgültigen Entscheidung über seine Amtsenthebung nicht mehr zu Sitzungen heranzuziehen ist.


II.

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1. Der Antrag des Vorsitzenden der 11. Strafkammer des Landgerichts Leipzig ist zulässig und gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 1, 77 Abs. 3 S. 3 GVG formell ordnungsgemäß gestellt. Nach Kapitel C I. lfd. Nr. 14 des Geschäftsverteilungsplans 2017 des Landgerichts Leipzig in Verbindung mit der Geschäftsverteilung über die Erledigung der Verwaltungsgeschäfte im Präsidialrichterbereich des Landgerichts Leipzig […] für das Jahr 2017 ist der Vorsitzende der 11. Strafkammer zur Wahrnehmung der Schöffenangelegenheiten berufen.

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2. Der Antrag ist - auch im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters - begründet. Die Veröffentlichungen und Beiträge im öffentlich zugänglichen Bereich seines Facebook-Accounts verdeutlichen die ablehnende Grundeinstellung des Schöffen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland mit ihren verfassungsrechtlich verankerten Grundwerten und stellen in Bezug auf seine Eigenschaft als Schöffe eine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinn des § 51 Abs. 1 GVG dar […].

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a) Zu den unverzichtbaren Amtspflichten eines Schöffen gehört - wie bereits im nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GVG ergangenen Beschluss vom 04. September 2017 unter Bezugnahme auf die „reichsbürgertypischen“ Textpassagen ausgeführt - u.a. seine Treuepflicht gegenüber dem Staat und dessen verfassungsrechtlicher Ordnung. Die Treuepflicht gebietet unverzichtbar, den Staat und seine geltende verfassungsrechtliche Ordnung zu bejahen, sie als schützenswert anzuerkennen, in diesem Sinne sich zu ihm zu bekennen und aktiv dafür einzutreten.

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Dieser sich für Berufsbeamte und hauptamtliche Richter aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Verpflichtung zur Verfassungstreue […] unterliegen nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche Richter. Für ehrenamtliche Richter folgt dies – gleichermaßen wie für hauptamtliche Richter - aus ihrer Funktion als gleichberechtigte Organe genuin staatlicher Aufgabenerfüllung, nämlich der nach Art. 92 GG "den Richtern" anvertrauten rechtsprechenden Gewalt.

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b) Die vom Schöffen ausdrücklich geteilten reichsbürgertypischen Thesen (13. August 2017: „...bestätigt die Zuständigkeit des Deutschen Reichs und nicht die Zuständigkeit der ´Bundesrepublik Deutschland´ mit ihrer Finanzagentur GmbH...“, ...“BRD-GmbH“...), sein Aufruf zur Abschaffung der Demokratie (19. Juli 2017: „Deutsches Volk heb[e] dein[en] Arsch beseitige das System“) oder der - insbesondere aufgrund des Zusammenhangs der am 12./13. August 2017 getätigten Posts „Islam gehört zu Merkel, nicht zu Deutschland“ bzw. „Zur Hölle mit Euch und dem Islam... - Ab in Eure Länder“ deutlich auf Ausländer, Asylbewerber und Flüchtlinge bezogene - rassenideologische und völkische Ausdruck „Untermenschen“ (13. August 2017, 07:00 Uhr) belegen in der Gesamtschau mit den weiteren - oben auszugsweise dargelegten – Veröffentlichungen des Schöffen dessen mit der Verfassungstreue nicht zu vereinbarende, gegenüber der Bundesrepublik und ihren verfassungsmäßig garantierten Werten ablehnende Grundeinstellung.

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Der Betroffene kann sich hierbei zur Rechtfertigung nicht auf sein Grundrecht auf freie Meinungsbildung und -äußerung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Denn dieses Grundrecht, das nach Art. 5 Abs. 2 GG unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze steht, die ihrerseits wiederum im Lichte der insgesamt zu gewährleistenden ungehinderten öffentlichen Diskussion grundrechtsfreundlich auszulegen sind […], findet im vorliegenden Fall seine Schranke in der – wie ausgeführt - unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Verpflichtung eines Schöffen zur persönlichen Verfassungstreue, die ihn - auch außerhalb seines Amtes als ehrenamtlicher Richter – unbeschadet uneingeschränkt zulässiger Kritik an den Zielen oder der konkreten Politik der jeweiligen Regierung verpflichtet, die geltende verfassungsrechtliche Ordnung als schützenswert anzuerkennen, in diesem Sinne sich zu ihr zu bekennen und aktiv für sie einzutreten […].

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c) Bei der Kollisionsabwägung der beiden grundsätzlich gleichrangigen verfassungsrechtlich normierten Positionen gebührt der geforderten Verfassungstreue des ehrenamtlichen Richters der Vorrang vor dessen persönlicher Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit.

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Durch die Enthebung vom Schöffenamt wird ihm die Ausübung dieses Grundrechts (auch in Form möglicherweise inhaltlich verfassungswidriger Thesen) außerhalb seines Amtes in keiner Weise eingeschränkt. Die Verfassungstreue jedes einzelnen haupt- oder ehrenamtlichen Richters aber ist zur Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung, die im Interesse der Allgemeinheit liegt und wesentlich von der Integrität und Glaubwürdigkeit ihrer Repräsentanten abhängt, unabdingbar. Sie ist Grundvoraussetzung für die Befähigung zur Ausübung auch des ehrenamtlichen Richteramtes, auf dessen Ausübung es aber keinen Anspruch gibt.

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d) Das Ausmaß und das Gewicht sowie die mehrfache provozierende Wiederholung der verfassungsfeindlichen Ausführungen des Betroffenen rechtfertigen es, die Verletzung seiner Amtspflicht als gröblich im Sinn des § 51 Abs. 1 GVG einzustufen, so dass sich die Amtsenthebung als verhältnismäßig erweist […].

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Die offenbar festgefügte menschenverachtende Denkweise lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass der Betroffene Willens und in der Lage ist, als ehrenamtlicher Richter insbesondere in Verfahren gegen Ausländer dem geleisteten Eid entsprechend unparteiisch und ohne Ansehung der Person zu entscheiden. Gleiches gilt für denkbare Verfahren wegen zu beurteilender volksverhetzender Äußerungen in sozialen Netzwerken. Sein im öffentlich zugänglichen Bereich des Facebook-Accounts und damit für jeden Beteiligten künftiger Strafverfahren einsehbares Verhalten macht ihn aus objektiver Sicht verständiger Verfahrensbeteiligter ungeeignet für die Ausübung des Schöffenamtes, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden. […]

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