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Rechtsurteile

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Versammlungsverbot Erinnerung an die Reichspogromnacht

1. Einem Versammlungsverbot steht es nicht entgegen, dass Ermittlungsverfahren gegen die Anmelderin noch nicht abgeschlossen und in rechtskräftige Verurteilungen gemündet sind. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; rechtskräftiger Verurteilungen bedarf es nicht. (Rn. 19) 2. Der Annahme, es komme erneut zu Rechtsgutsverletzungen, steht nicht das Motto der Versammlung Nie wieder Faschismus Erinnerung an die Reichspogromnacht wachhalten, Antisemitismus bekämpfen entgegen, wenn es lediglich vorgeschoben und tatsächlich die Verbreitung strafbewehrten pro-palästinensischen und antiisraelischen Gedankenguts sicher zu erwarten ist. (Rn. 20) 3. Ein Versammlungsverbot nach § 14 Abs. 2 HVersFG kann nicht auf eine Gefährdung des Schutzgutes der öf-fentlichen Ordnung, sondern lediglich auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gestützt werden. (Rn. 24)


 

Verfahrensgang

vorgehend VG Frankfurt, 9. November 2023, 5 L 3551/23.F, Beschluss

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2023 mit Ausnahme der Festsetzung des Streitwerts aufgehoben.

 

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. November 2023 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

 

Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

 

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

1

Die gemäß §§ 146, 147 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – fristgerecht eingelegte und inhaltliche begründete Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den oben genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig und begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 9. November 2023 gegen das von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verbot der für den 9. November 2023 geplanten Versammlung zum Thema „Nie wieder Faschismus – Erinnerung an die Reichspogromnacht wachhalten, Antisemitismus bekämpfen!“ zu Unrecht stattgegeben. Denn die ordnungsbehördliche Verfügung der Antragsgegnerin erweist sich nach der im Eilverfahren allein möglichen und zugleich gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.

3

1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrer Verfügung gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet.

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2. Rechtsgrundlage für das ausgesprochene Versammlungsverbot ist § 14 Abs. 2 Satz 1 Hessisches Versammlungsfreiheitsgesetz (HVersFG). Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist, wobei das Verbot voraussetzt, dass Beschränkungen nicht ausreichen.

5

Bei der Anwendung des § 14 Abs. 2 HVersFG ist stets die besondere Bedeutung der verfassungsrechtlich verankerten Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz – GG – und Art. 14 Hessische Verfassung – HV – zu beachten. Denn Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit auszulegen (vgl. zu Art. 8 GG: BVerfG, Beschluss vom 30.08.2020 – 1 BvQ 94/20 –, juris Rn. 14).

6

Eine unmittelbare Gefährdung setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher, jedenfalls aber hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 – 1 BvR 2793/04 –, juris Rn. 20; VGH BW, Urteil vom 22.03.2022 – 1 S 2284/20 –, juris Rn. 38; OVG NRW, Beschluss vom 17.06.2019 – 15 B 771/19 –, juris Rn. 7). Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschluss 21.11.2020 − 1 BvQ 135/20 −, Rn. 11; zum Ganzen: Baudewin, Öffentliche Ordnung und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2023, Rn. 290 ff.).

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Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit rechtfertigt das Verbot der Versammlung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 HVersFG. Unter Berücksichtigung und unter Abwägung der durch Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 HV geschützten Versammlungsfreiheit der Antragstellerin mit entgegenstehenden Interessen der Allgemeinheit und Dritter in Form der Belange der öffentlichen Sicherheit hat die Antragsgegnerin die Versammlung ermessensfehlerfrei verboten.

8

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegen nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass es bei Durchführung der Versammlung zu Straftaten kommen wird, das heißt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründet ist. Hierfür sprechen das Verhalten und die Äußerungen der Antragstellerin in der unmittelbaren jüngeren Vergangenheit.

9

So organisierte die Antragstellerin am 7. Oktober 2023 eine Versammlung in Berlin, bei der es zu Ausschreitungen kam. Aufgrund einer Vielzahl von Straftaten, Vermummungen und insbesondere Äußerungsdelikten nach 140 StGB – welche die Antragstellerin als Anmelderin nicht unterbunden hat - musste die Versammlung aufgelöst werden. Eine Distanzierung von den Straftaten durch die Antragstellerin erfolgte nicht. Vielmehr erklärte sie in einer Presseerklärung am 8. Oktober 2023 bezüglich der Demonstration in Berlin-Neukölln:

„Ich als Anmelderin der Demonstration erkläre hiermit öffentlich: Das zionistische Besatzungs- und Apartheitsregime mit dem Namen „Israel“ hat kein Existenzrecht.“

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Am 9. Oktober 2023 äußerte sie sich auf Instagram unter den ihr zuzuordnenden Profilen „A…“ und „B…“ zur aktuellen Situation im Nahostkonflikt und rief zu Demonstrationen und dem Kampf der Palästinenser auf den Straßen auf. Diese Aufrufe erfüllen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Straftatbestände der §§ 111 und 140 StGB; Ermittlungsverfahren sind eingeleitet (…).

11

Am 12. Oktober 2023 organisierte die Antragstellerin eine Spontanversammlung gegen die „rassistischen Demo-Verbote" vor dem Frankfurter Ordnungsamt. Ein Video des dort von der Anmelderin abgehaltenen Redebeitrags ist unter „X…“ auf Instagram abrufbar (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Oktober 2023 – 2 B 1423/23 –, Rn. 26 - 28, juris). In diesem sagt sie u.a.:

„Natürlich hat der bewaffnete Widerstand in Palästina das Recht sich gegen die jahrzehntelange Gewalt und die Kriegsverbrechen der zionistischen Besatzungsmacht zu wehren."

„Es wird uns hier erzählt, dass die Hamas angeblich eine Terrororganisation sei. Nein, die Hamas ist Teil des Widerstandes in Palästina. Genauso wie alle anderen Gruppen und Organisationen in Palästina".

12

Auf einer Pressekonferenz am 13. Oktober 2023 am S-Bahnhof Galluswarte in Frankfurt am Main äußerte sie sich wie folgt:

13

„Es gibt keinen Terror der Hamas! Bewaffneter Widerstand ist kein Terror! Es gibt auch keine Belege für Gewalttaten. Wir sind Zeuge eines beginnenden Völkermordes am palästinensischen Volk.“

14

Am 14. Oktober 2023 führte sie als Veranstalterin entgegen eines vollziehbaren Verbots eine Pro-Palästina-Versammlung durch und setzte sie auch fort, nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Verbot bestätigt hatte (Beschluss vom 14. Oktober 2023 – 2 B 1423/23 –, juris). Die hieraus folgende Strafbarkeit nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 und 4 HVersFG ist Gegenstand eines Strafverfahrens (…).

15

Auf einer Pressekonferenz am 16. Oktober 2023 machte die Antragstellerin vor Medienvertretern und per Live-Übertragung auf Social-Media hinsichtlich des aktuellen Nahostkonflikts Aussagen, die derzeit auf ihre Strafbarkeit nach den §§ 130, 140 StGB untersucht werden (ST/1213446/2023). Insbesondere bezeichnete sie die Terroranschläge der Hamas mit 1.400 Toten in Israel als „gelungene Widerstandsaktion“. Es gebe auch keinen Terror der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), da bewaffneter Widerstand kein Terror sei. Außerdem solle der Kampf der Palästinenser auf die Straßen in Deutschland gebracht werden.

16

Weiter nahm die Antragstellerin am 3. November 2023 in Frankfurt am Main an einer pro-palästinensischen Versammlung teil, für die 50 Personen angemeldet waren, jedoch in der Spitze 850 Personen teilgenommen haben. Die Teilnehmer vor Ort skandierten lautstark „Free Palastine“. Zudem waren eine Fahne mit einer roten Hand sowie dem Satz „From the river to the sea“ sowie ein Schild zu sehen, auf welchem eine Israelfahne in den Mülleimer geworfen wird mit dem Satz: „Keep the world clean“. Ferner hielten Teilnehmer ein Schild mit dem Schriftzug hoch „Allah ist groSS“, wobei die Buchstaben „SS“ in Runenschrift gehalten waren. Erst nachdem der Aufzug polizeilich gestoppt wurde, entfernte ein Ordner der Veranstalterin das Schild.

17

Darüber hinaus teilte der der Antragstellerin zuzuordnende Account „B…“ einen Beitrag der mittlerweile verbotenen „Samidoun“-Gruppierung, die die Terrortaten der Hamas glorifiziert und durch offenen Antisemitismus aufgefallen ist. Die Samidoun-Gruppierung wiederum warb für eine Versammlung der Antragstellerin, die sich bis heute davon nicht distanzierte.

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Schließlich ist die Antragstellerin Repräsentantin des Vereins „C… e.V.“, der sich laut eigener Satzung mit dem angeblich legitimen Widerstand der Palästinenser gegen Israel solidarisiert.

19

Diese Verhaltensweisen und Äußerungen belegen, dass die Antragstellerin Straftaten weder unterlassen noch verhindern will, sondern im Gegenteil diese billigend in Kauf nimmt. Denn selbst die gegen sie geführten Strafverfahren hielten sie nicht davon ab, sich weiter in strafrechtlich relevanter Weise über den Nahostkonflikt zu äußern und die dort geschehenden Verbrechen zu billigen. Die Antragsgegnerin muss sich in diesem Zusammenhang nicht entgegenhalten lassen, dass die drei in Frankfurt anhängigen Ermittlungsverfahren noch nicht in rechtskräftige Verurteilungen gemündet sind. Wie oben dargestellt, sind als Grundlage der Gefahrenprognose konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; rechtskräftiger Verurteilungen bedarf es nicht. Es würde die Handlungsfähigkeit der Versammlungsbehörden in diesen sich oft äußerst kurzfristig ergebenen Erkenntnislagen unzulässig einschränken, dürften sie nur auf rechtskräftige Verurteilungen abstellen. Denn es geht um Maßnahmen der Gefahrenabwehr.

20

Die in der Vergangenheit in Rede stehenden Rechtsgutsverletzungen sind auch für die streitgegenständliche Versammlung zu erwarten. Dem steht insbesondere nicht das Motto der Versammlung „Nie wieder Faschismus – Erinnerung an die Reichspogromnacht wachhalten, Antisemitismus bekämpfen!“ entgegen. Denn aus den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich, dass dieses Motto nur vorgeschoben ist. Tatsächlich ist die Verbreitung strafbewehrten pro-palästinensischen und antiisraelischen Gedankenguts auf dieser Versammlung sicher zu erwarten. Dies zeigt sich bereits am Motto selbst, das bewusst missverständlich formuliert ist. Wie sich aus der Antragsschrift ergibt, verengt die Antragstellerin nämlich den Begriff des Antisemitismus ganz ausdrücklich auf einen reinen deutschen Antisemitismus. Damit relativiert sie das weltweite Problem des Antisemitismus und verdeutlicht, dass sie – wie ihre zeitnah vor der Versammlung getätigten Äußerungen belegen – insbesondere die antisemitischen Straftaten der Hamas im Rahmen des Nahostkonflikts billigt. Von ihren entsprechenden (oben zitierten) Aussagen hat sich die Antragstellerin zwischenzeitlich auch nicht distanziert. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, wenn es der Antragstellerin tatsächlich um die Bekämpfung des Antisemitismus gegangen wäre. Der Veranstalter muss Vorkehrungen treffen, um Rechtsverstöße zu vermeiden und hierfür deutliche öffentliche Signale senden. Es liegt in seiner originären Verantwortung, sich im Vorfeld der Versammlung ausdrücklich von Gewaltanwendung zu distanzieren und Anstrengungen für einen gewalt- und straftatfreien Verlauf der geplanten Versammlung zu übernehmen (VGH BW, Urteil vom 22.03.2022 – 1 S 2284/20 –, juris Rn. 70 f; Baudewin, Öffentliche Ordnung und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2023, Rn. 295). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr verwirklicht die Antragstellerin selbst dadurch Antisemitismus, dass sie den terroristischen Angriff auf Jüdinnen und Juden in Israel verharmlost. Ihre im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts und auch mit antizionistischer Rhetorik getätigter Äußerungen stellen nach allen gängigen Definitionen auch deshalb als Antisemitismus dar, weil die Antragstellerin das Existenzrecht Israels generell negiert und gleichzeitig zur Vernichtung bzw. Zerschlagung des sich als explizit jüdisch verstehenden Staates Israel aufruft.

21

Der Bezug der streitgegenständlichen Versammlung zum Nahostkonflikt beruht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf einer Unterstellung der Antragsgegnerin, vielmehr stellt die Antragstellerin diesen selbst her. Zwar trägt sie vor, in der Vergangenheit auch ohne Israelbezug demonstriert zu haben. Die dafür von ihr als Beleg angeführten Veranstaltungen fanden jedoch bereits in den Jahren 2014 und 2017 statt und damit deutlich vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Ihr Instagram-Aufruf zur streitgegenständlichen Versammlung zeigt, dass es ihr in Wahrheit nicht nur um die Erinnerung an die Reichspogromnacht geht, sondern sie den Staat Israel in diesem Zusammenhang in der Rolle der Täter sieht. In dem Aufruf heißt es nämlich unter der Überschrift „85 Jahre Reichspogromnacht – Kampf dem Antisemitismus und Faschismus!“ unter anderem: „Neonazis der alten Art, wie Die Rechte oder der III. Weg praktizieren noch den Faschismus in seiner alten Form, mit dem für den deutschen Faschismus so charakteristischen Antisemitismus moderner Art, die neuen Faschisten aber haben ganz neue Formen und Weisen gefunden, wie sie die alten Inhalte transportieren, so die AfD, die sich mit dem Besatzungsregime Israel solidarisch erklärt. Ein Paradoxon?“ (Abrufbar unter: https://www.instagram.com/...).

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Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage ist mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Antragstellerin auch die hier streitgegenständliche Versammlung dazu nutzen wird, sich in strafbarer Weise zu äußern. Beispielsweise erfüllen schon die Aussagen der Antragstellerin in der Pressekonferenz vom 16. Oktober 2023 nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Straftatbestände der §§ 130, 140 StGB. Die öffentlichen Äußerungen der Antragstellerin belegen den Charakter der geplanten Versammlung und welche Inhalte in die Öffentlichkeit getragen werden sollen. Soweit sich die Antragstellerin für ihre Einschätzung auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 13. Oktober 2023 (5 L 3216/23.F) beruft, verkennt sie, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung mit Beschluss vom 14. Oktober 2023 (2 B 1423/23) aufgehoben hat, was sie offenbar nicht anerkennen will und auch damit ihre fehlende Rechtstreue belegt. Der nun auf Instagram getätigte Aufruf legt hinreichend nahe, dass sie auf der streitgegenständlichen Versammlung die Einzigartigkeit des Holocausts relativieren wird, indem sie Israel in den Kontext der Reichspogromnacht und der dort begangenen Verbrechen stellt. Vor dem Hintergrund der bereits getätigten Aufrufe der Antragstellerin, insbesondere der Tatsache, dass sie die Terrorangriffe der Hamas gegen die Zivilbevölkerung in Israel als legitimen bewaffneten Widerstand verharmlost, musste es die Antragsgegnerin nicht abwarten, dass die Antragstellerin auf der geplanten Veranstaltung am Gedenktag der Reichspogromnacht Straftaten billigt oder in strafbarer Weise den Holocaust relativiert.

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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin das Vorliegen von milderen Mitteln nachvollziehbar verneint. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 HVers-FG setzt ein Verbot einer Versammlung voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen. Dies ist vorliegend der Fall. Denn wie sich aus dem oben dargestellten Verhalten der Antragstellerin ergibt, bietet diese als Anmelderin nicht die notwendige Gewähr für einen friedlichen Verlauf der Versammlung. Sie äußerte sich vielmehr, dass sie den Kampf auf die Straße tragen will und zeigt sich damit gewaltbereit. Die Auflösung einer zunächst begonnenen Versammlung wäre vorliegend kein milderes Mittel, weil dann die hier mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Rechtsgutsverletzungen, insbesondere die Billigung von Straftaten, schon erfolgt wären. Auch Beschränkungen wären kein milderes Mittel, denn die Antragstellerin hat durch ihr bisheriges Verhalten vor, auf und nach Versammlungen gezeigt, dass sie nicht gewillt ist, staatlichen Anordnungen nachzukommen. Beispielhaft kann hierfür die Versammlung am 7. Oktober 2023 in Berlin-Neukölln genannt werden, bei der die Antragstellerin ebenfalls Anmelderin war und strafbare Äußerungen nicht unterbunden hat. Es kam zu einer so großen Zahl an Straftaten, so dass die Versammlung aufgelöst werden musste. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs, den weiteren Äußerungen der Antragstellerin etwa am 13. Oktober 2023 und der erst kürzlich eingeleiteten Strafverfahren im Zusammenhang mit Versammlungen ist auch weiterhin keine Bereitschaft erkennbar, dass sie sich nun rechtstreu verhalten wird. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin als Anmelderin das Geschehen der laufenden Versammlung maßgeblich beeinflussen kann. Ihre Unzuverlässigkeit schlägt daher auf die Versammlung durch. Aus diesem Grund kann es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch kein milderes Mittel darstellen, einen anderen Ort innerhalb der Stadt Frankfurt am Main für Versammlungen der Anmelderin zu wählen. Weil die Antragstellerin eindeutig Partei für die Terrortaten der Hamas ergreift und sie selbst zu diesem Thema sprechen will, ist nicht zu erwarten, dass sie während der Versammlung antisemitische Teilnehmer ausschließen und Straftaten unterbinden wird. Dies gilt umso mehr, als sie – wie ausgeführt – den Jahrestag der Reichspogromnacht mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu nutzen wird, erneut strafbare Äußerungen zu tätigen.

24

Soweit sowohl das Verwaltungsgericht als auch die Versammlungsbehörde auf das Schutzgut der öffentlichen Ordnung abstellen, findet dies allerdings keine Grundlage in § 14 Abs. 2 HVersFG, da jedenfalls ein Versammlungsverbot lediglich auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gestützt werden kann.

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