© David Z Cheng/Shutterstock.com

Rechtsurteile

© Zurijeta/Shutterstock.com

Verhüllungsverbot im Straßenverkehr: Gericht bestätigt Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung für Niqab-Trägerin

1. Gegen das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 2. Zur Ablehnung des Antrags einer Niqab-Trägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO (hier: nicht beanstandet).


 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 26. Juli 2023 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt

 

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – genügenden Weise geltend gemacht worden sind.

2

I. Die Berufung ist nicht wegen von der Klägerin geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

3

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind nur anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Argumente in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, BVerfGE 110, 77 [83]; Kammerbeschlüsse vom 7. Juli 2021 –1 BvR 2356/19 –, juris Rn. 23 und vom 18. März 2022 –2 BvR 1232/20 –, juris Rn. 23). Hierzu muss der Rechtsmittelführer in seinen Einwendungen – auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 184, 186) – darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis unzutreffend ist. Dies setzt voraus, dass er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzt und im Einzelnen dartut, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Beschluss des Senats vom 23. September 2021 – 7 A 10337/21 .OVG –, juris Rn. 2; Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 m.w.N.).

4

Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die Einwendungen der Klägerin nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Straßenverkehrsordnung – StVO – vom Verhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO noch einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags hat, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht durch schlüssige Argumente in Frage gestellt.

5

Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO darf, wer ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen, dass er nicht mehr erkennbar ist. Dies gilt nach Satz 2 dieser Bestimmung nicht in den Fällen des § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie beim Führen eines geschlossenen Kraftfahrzeugs auch beim Tragen eines Gesichtsschleiers in Form eines Niqabs identifizierbar sei, dürfte sie der Sache nach geltend machen, bereits nicht gegen das Verbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO zu verstoßen (vgl. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 81 ff.). Wie diese Argumentation zum Erfolg der Klage führen soll, mit der ausweislich des Klageantrags allein ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme vom Verbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO bzw. ein Anspruch auf Neubescheidung des Antrags begehrt wird, ist nicht ersichtlich. Denn würde die Argumentation der Klägerin zutreffen, bedürfte es bereits keiner Ausnahmegenehmigung. Entsprechendes gilt für die Rechtsansicht der Klägerin, dass § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO wegen eines Verstoßes gegen die Verfassung bzw. höherrangiges Recht unwirksam sei (vgl. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 80 ff.). Ungeachtet dessen würden die Argumente der Klägerin auch bei einer vom Klageantrag in erster Instanz abweichenden Antragstellung (vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 32 ff.) nicht durchgreifen:

6

1. Entgegen der Annahme der Klägerin wird mit dem Tragen eines Niqabs das Gesicht so verhüllt bzw. verdeckt, dass es nicht mehr erkennbar im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO ist. Verdecken oder Verhüllen bedeutet ausweislich der Verordnungsbegründung, dass das Gesicht mit seinen ausausschlaggebenden Zügen wie Auge, Nase, Mund nicht mehr erkennbar ist, weshalb unter das Verbot weder reine Kopfbedeckungen, die das Gesicht freilassen, noch Gesichtsbemalung, -behaarung oder etwaiger Gesichtsschmuck oder die Sicht erhaltende oder unterstützende Brillen, die nur geringfügige Teile des Gesichts umfassen, im Wesentlichen aber die Erkennbarkeit der Gesichtszüge nicht beeinträchtigen, fallen. Unter das Verbot fällt hingegen das Tragen von Masken, Schleiern und Hauben, die das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken (vgl. BR-Drs. 557/17, S. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 MN 158/21 –, juris Rn. 52; OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 81). Das von der Klägerin beabsichtigte Tragen eines Niqabs, der lediglich die Augenpartie erkennen lässt, führt dazu, dass die anderen ausschlaggebenden Gesichtszüge Nase und Mund nicht mehr und die Gesichtsform nur noch eingeschränkt wahrgenommen werden können, so dass die Klägerin im Sinne der Vorschrift "nicht mehr erkennbar" ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 83).

7

Der Einwand der Klägerin im Zulassungsverfahren, dass die Augenpartie ausreiche, um eine Identifizierung anhand eines "Blitzer-Fotos" zu ermöglichen, ist, wie auch das Verwaltungsgericht angenommen hat, unzutreffend. Auch nach den Erfahrungen des Senats, der seit vielen Jahren verkehrsrechtliche Verfahren bearbeitet, weisen die im Rahmen automatisierter Verkehrsüberwachung aufgenommenen Bilder nicht die erforderliche Detailschärfe auf, um Personen allein anhand ihrer Augenpartie unterscheiden zu können (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 84). Daran vermag auch der von der Klägerin vorgetragene Umstand nichts zu ändern, dass es in Deutschland allenfalls wenige hundert Trägerinnen einer Gesichtsverschleierung gebe, zumal es sich hierbei weder um eine unveränderliche Gruppe handelt, noch die Trägerinnen ihrem Namen und/oder Wohnort nach behördlich bekannt sind.

8

Die von der Klägerin zitierten Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, wonach es in der Regel ausreiche, dass sich die Augen noch erkennen ließen, sind – unabhängig davon, dass sie den Senat nicht binden – im Kontext der Frage nach dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beim Führen eines Kraftfahrzeugs zu verstehen und erfolgten aus Anlass der Corona-Pandemie. Ein einfacher Mund-Nasen-Schutz verdeckt aber lediglich die untere Gesichtshälfte mit Mund und Nase, während weitere biometrische Merkmale wie Haare, Stirn, Hals und Ohren sowie letztlich auch die ganze Gesichtsform häufig erkennbar bleiben. Dies ist beim Niqab nicht der Fall. Eine Vergleichbarkeit wäre höchstens dann gegeben, wenn der Mund-Nasen- Schutz in Kombination mit anderen Gegenständen, die weitere Identifikationsmerkmale verdecken, wie etwa Kopfbedeckungen, getragen würde. Die zitierten Aussagen stellen aber jeweils explizit darauf ab, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (nur) in der Regel die Feststellung der Identität des Fahrzeugführers erlaube (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 85).

9

2. Der Senat hat wie auch das Verwaltungsgericht keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs. 4 Satz 1 StVO. Vielmehr ist der durch das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot bewirkte Eingriff in die nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz – GG – geschützte und hier betroffene Religionsfreiheit, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die hiergegen erhobenen Einwände im Zulassungsverfahren überzeugen nicht:

10

a) Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Religionsfreiheit lässt sich auf eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage stützen (zu diesem Erfordernis vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 –, juris Rn. 38; Beschluss vom 14. Januar 2020 – 2 BvR 1333/17 –, juris Rn. 82).

11

aa) Die Einwendungen der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zeigen keinen Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz auf, dem zufolge Demokratiegebot und Rechtsstaatsprinzip den Gesetzgeber verpflichten, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49, 89 [126]; Urteil vom 24. September 2003 –2 BvR 1436/02 –, BVerfGE 108, 282 [311]; Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 –, BVerfGE 139, 19 [45 Rn. 52 ff.] m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat sich zur Begründung seiner Annahme, dass § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO nicht gegen den Parlamentsvorbehalt verstoße, im Wesentlichen auf die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Schutzhelmpflicht nach § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO berufen (so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2020 – 6 L 2150/20 –, juris Rn. 40; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6. Februar 2024 – 14 K 4280/20 –, juris Rn. 55). Die dortigen Erwägungen, wonach die Schutzhelmpflicht zu keiner gezielten oder unmittelbar den Schutzbereich der Religionsfreiheit betreffenden Beschränkung führe, sondern vielmehr eine generelle, nur in seltenen Fällen mit der Religionsfreiheit kollidierende Anordnung darstelle und auch in etwaigen Konfliktfällen die Intensität des Eingriffs in der Regel gering sei, weil die Religionsausübung durch die Helmtragepflicht nur in einer eng begrenzten und für die Religionsfreiheit typischerweise nicht wesentlichen Lebenssituation eingeschränkt sein könne, sei auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

12

Soweit die Klägerin dem entgegenhält, dass eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen der in §21a Abs. 2 Satz 1 StVO geregelten Schutzhelmpflicht und des in § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO enthaltenen Verhüllungs- und Verdeckungsverbots gerade nicht bestehe, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass das Führen eines geschlossenen Kraftfahrzeugs wie eines PKW in Deutschland wesentlich verbreiteter ist als die Nutzung offener Kraftfahrzeuge, so dass das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot mehr Personen in ihrer Religionsfreiheit betreffen dürfte als die Schutzhelmpflicht. Hierauf kommt es jedoch nicht ausschlaggebend an. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich zum einen bei dem Verhüllungs- und Verdeckungsverbot wie auch bei der Schutzhelmpflicht um eine generelle Regelung handelt, die – abgesehen von den in § 23 Abs. 4 Satz 2 StVO in Bezug genommenen Fällen – sämtliche Nutzer von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr betrifft. Zum anderen zielt die Regelung – anders als etwa ein Verbot des Tragens eines islamischen Kopftuches für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 –, BVerfGE 108, 282 [312]) oder für Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 2 BvR 1333/17 –, BVerfGE 153, 1 [44 Rn. 101]; BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 –2 C 5/19 –, juris Rn. 22) – nicht darauf ab, religiöse Bekundungen als solche in bestimmten Lebenssituationen zu verbieten, sondern enthält der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dienende Anforderungen an die Bekleidung der Kraftfahrzeugführer (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 28). Während es dem Gesetzgeber in den erst genannten Fällen folglich gerade darum gegangen ist, die Verwendung religiöser Symbole in gewissen Lebensbereichen zu unterbinden, ist dies offensichtlich nicht Ziel der Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO.

13

Soweit mit dem Zulassungsantrag versucht wird, Gegenteiliges zu belegen, kann dem nicht gefolgt werden. Für die Annahme, es entstehe im Hinblick auf die Einführung des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO der "Eindruck eines konzertierten Vorgehens mit dem Ziel, den Gesichtsschleier [...] möglichst weit aus der Öffentlichkeit zu verdrängen", bestehen keinerlei objektive Anhaltspunkte. Hiergegen sprechen vielmehr die Ausführungen in der Verordnungsbegründung (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 112), wonach die Vorschrift des §23 Abs. 4 Satz 1 StVO geschlechtsneutral die Erkennbarkeit der das Kraftfahrzeug führenden Person sicherstellen solle. Des Weiteren wird in der Verordnungsbegründung erläutert, dass unter das Verbot Masken, Schleier und Hauben fallen, die das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 28).

14

Die Intensität des Eingriffs ist zudem, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots begrenzt (vgl. zur Schutzhelmpflicht BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 – 3 C 24/17 –, juris Rn. 9). Allein die Tatsache, dass die Einführung des Verhüllungs- und Verdeckungsverbots, wie die Klägerin geltend macht, von "hitzigen Debatten" begleitet und damit womöglich politisch umstritten war, führt für sich genommen nicht dazu, dass die entsprechende Regelung auch als "wesentlich" verstanden werden müsste (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49, 89 [126]; Urteil vom 14. Juli 1998 –1 BvR 1640/97 –, BVerfGE 98, 218 [251]; Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 –, 139, 19 [45 f. Rn. 52]).

15

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht mit Blick auf den von der Klägerin angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Mai 2021 – 8 B 1967/20 –. Auch in diesem wird nicht die Auffassung vertreten, dass das in § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO enthaltene Verhüllungs- und Verdeckungsverbot aufgrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes durch formelles Gesetz zu regeln sei. Soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im genannten Beschluss unter ausdrücklichem Offenlassen der Frage noch Bedenken an der Übertragbarkeit der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Vereinbarkeit der Schutzhelmpflicht mit dem Wesentlichkeitsvorbehalt auf das hier in Rede stehende Verhüllungs- und Verdeckungsverbot erhoben hat (OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 8 B 1967/20 –, juris Rn. 18 ff.), werden diese in seinem Urteil vom 5. Juli 2024 –8 A 3194/21 – nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr geht das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nunmehr ausdrücklich davon aus, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts dem Grunde nach auf das Verbot nach § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO entsprechend zu übertragen sind und verneint einen Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 108 ff.).

16

bb) Die auch schon im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Rüge der Klägerin, §6 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – in der zum Zeitpunkt der Einführung des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO geltenden Fassung vom 16. Juni 2017 – im Folgenden: a.F. – verstoße gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, da er das Ausmaß der erteilten Ermächtigung nicht bestimme, greift ebenfalls nicht durch (so im Ergebnis auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 126). Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Diese Begriffe lassen sich nicht strikt voneinander abgrenzen. Sie sind nicht als isoliert nachprüfbare Anforderungen zu verstehen, sondern in ihrer Gesamtheit als Gebot hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 –, BVerfGE 38, 348 [357]; Urteil vom 7. Oktober 2014 –2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108 [180 Rn. 171]). Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen verwehrt es dem Gesetzgeber daher nicht, in der Ermächtigungsnorm Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/90 –, BVerfGE 101, 1 [32]; Beschluss vom 27. Juni 2002 – BvF 4/98 –,BVerfGE 106, 1 [19]). Das im konkreten Fall erforderliche Maß an Bestimmtheit hängt dabei unter anderem von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab. Bei vielgestaltigen, komplexen Lebenssachverhalten oder absehbaren Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind etwa geringere Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einfach gelagerten und klar vorhersehbaren Lebenssachverhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80 –, BVerfGE 58, 257 [278]; Beschluss vom 1. Juli 1987 – 1 BvL 21/82 –, BVerfGE 76, 130 [143]). Von Relevanz ist zudem, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist und wie intensiv die Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen sind. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, BVerfGE 161, 299 [349 f. Rn. 126] m.w.N.).

17

Dies zugrunde gelegt bestehen keine Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit von §6 Abs. 1 Nr. 3 StVG a.F. Mit dieser Norm wird der Verordnungsgeber ermächtigt, – ergänzend zu den übrigen in § 6 Abs. 1 StVG a.F. geregelten und begrifflich im Einzelnen umschriebenen Sachbereichen – Rechtsverordnungen über die sonstigen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf den öffentlichen Straßen erforderlichen Maßnahmen zu erlassen. Dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen der Verordnungsgeber tätig werden darf, wie von der Klägerin wohl begehrt, nicht vollständig begrifflich aufgezählt hat, ist schon angesichts der Vielgestaltigkeit der denkbaren und zu regelnden Sachverhalte, in denen die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr betroffen ist, sowie der größeren Sachnähe des mit entsprechender Expertise ausgestatteten Bundesverkehrsministeriums nicht zu beanstanden. Ein höherer Grad an Bestimmtheit ist auch nicht deswegen geboten, weil – worauf die Klägerin abstellt – § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG a.F. auch zu Regelungen ermächtigt, die zu Eingriffen in die Religionsfreiheit führen können. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG a.F. dient seinem ausdrücklichen Wortlaut nach dem Erlass von Regelungen im Verordnungswege, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung erforderlich sind. Dass es hierbei zu lediglich mittelbaren Eingriffen in die nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Religionsfreiheit kommen kann, macht die auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG a.F. gestützten Verordnungen nicht zu wesentlichen Entscheidungen, wie sich gerade auch am Verdeckungs- und Verhüllungsverbot nach § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO zeigt (in diese Richtung wohl auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 126).

18

cc) Soweit die Klägerin darüber hinaus meint, §23 Abs. 4 Satz 1 StVO sei deswegen nicht mit §6 Abs. 1 Nr. 3 StVG a.F. vereinbar, da dieser nur zum Erlass abstrakt-genereller Regelungen ermächtige, die Vorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO aber faktisch weit überwiegend muslimische Frauen betreffe und daher eine konkret-individuelle Regelung darstelle, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem in § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO normierten Verhüllungs- und Verdeckungsverbot um eine an sämtliche Kraftfahrzeugführer mit Ausnahme derjenigen nach § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO gerichtete und somit um eine abstrakt-generelle Regelung

19

b) Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt und von der Klägerin auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen wird, dient die Regelung der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs und damit dem Schutz von Grundrechten Dritter auf Leben, körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und Eigentum (Art.14 Abs. 1 GG).

20

c) Das Verwaltungsgericht hat die Norm des §23 Abs. 4 Satz 1 StVO entgegen der Annahme der Klägerin zu Recht auch als verhältnismäßig angesehen.

21

aa) Sie dient dem legitimen Zweck, die genannten Verfassungsgüter zu schützen, indem sie zum einen dazu beiträgt, im Fall automatisiert erfasster Verkehrsverstöße die Identität des Fahrzeugführers festzustellen, und zum anderen der Gefahr von Sichtbehinderungen begegnet (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 129; zum Aspekt der Sichtbehinderung vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018 – 1 BvQ 6/18 –, juris Rn. 6). Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, dass die Verordnungsbegründung allein auf die Identifizierbarkeit des Fahrers – und nicht auf den Schutz der ungehinderten Rundumsicht – abstellt. Für die verfassungsrechtliche Prüfung ist es nicht ausschlaggebend, ob die maßgeblichen Gründe für eine gesetzliche Neuregelung im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich genannt wurden oder gar den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind. Entscheidend ist, dass im Ergebnis die Anforderungen des Grundgesetzes nicht verfehlt werden. Allein der Umstand, dass sich der Gesetzgeber möglicherweise über die Gründe für die Einführung oder Änderung einer Regelung keine volle Klarheit verschafft hat, schließt es daher nicht aus, dass es vernünftige und sachliche Gründe für eine Regelung gibt (BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 – 1 BvR 2380/21 u.a. –, juris Rn. 86 f.). Diese Überlegungen gelten auch für Rechtsverordnungen, zumal diese häufig überhaupt nicht begründet werden (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 134 ff.).

22

bb) Bedenken gegen die Geeignetheit des Verhüllungs- und Verdeckungsverbots im Straßenverkehr bestehen ebenfalls nicht. Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen teils in anderem Zusammenhang geltend macht, es sei nicht erwiesen, dass das Verbot zu einer erhöhten Sicherheit im Straßenverkehr führe, so kommt es darauf, wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist, nicht maßgeblich an. Verfassungsrechtlich genügt insoweit bereits die Möglichkeit, durch die Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14 u.a. –, juris Rn. 131 und vom 29. September 2022 –1 BvR 2380/21 u.a. –, juris Rn. 111, jeweils m.w.N.). Zudem ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in Ausübung seiner Schutzpflicht schon die Entstehung von Gefährdungslagen zu bekämpfen und auf eine Risikominimierung hinzuwirken. Abstrakt-generelle Normen zur Gefahrenvorsorge sind nicht erst dann gerechtfertigt, wenn ansonsten unmittelbar ein Gefahreneintritt zu besorgen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 – 3 C 24/17 –, juris Rn. 22, m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 8 B 1967/20 –, juris Rn. 32; Urteil vom 5. Juli 2024 –8 A 3194/21 –, juris Rn. 153 f.).

23

Diesen Anforderungen wird das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO gerecht. Auch wenn dem Senat keine konkreten Erkenntnisse über Probleme bei der Identifizierung von verhüllten Personen im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen oder Unfälle aufgrund beschränkter Rundumsicht vor Einführung des Verbots vorliegen, erscheint es jedenfalls plausibel, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs durch das Verbot erhöht wird (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 155).

24

cc) Die Klägerin vermag auch nicht mit ihrem Einwand durchzudringen, wonach das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot zur Erreichung der genannten Zwecke nicht erforderlich sei.

25

(1) Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, ist die Erteilung der Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs jedenfalls nicht annähernd gleich geeignet zur Gefahrenabwehr. Zur Gewährleistung der Rundumsicht des Fahrzeugführers wäre eine solche Regelung ohnehin nicht geeignet (so auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 161). Aber auch die Identifizierung von Verkehrsteilnehmern im Rahmen automatisierter Verkehrskontrollen vermag sie nicht in gleicher Weise wie das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot sicherzustellen. Dies gilt zunächst für den – wohl von der Klägerin präferierten Fall –, dass sich die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs nur auf die Fahrzeuge erstrecken würde, deren Halterin die Niqab-Trägerin ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, wäre eine solche fahrzeugbezogene Fahrtenbuchauflage zur Identifikation eines verhüllten Fahrzeugführers schon deswegen nicht gleich geeignet wie ein Verhüllungs- und Verdeckungsverbot, weil es der Niqab-Trägerin aufgrund ihrer Fahrerlaubnis freisteht, jedes andere Fahrzeug der entsprechenden Fahrzeugklasse zu führen und es damit denkbar ist, dass Fahrten unter Einsatz eines Niqabs mit Fahrzeugen erfolgen, deren Halter die Niqab-Trägerin gerade nicht ist und für die keine Fahrtenbuchauflage bestünde.

26

Die hiergegen im Zulassungsverfahren erhobenen Einwendungen der Klägerin vermögen keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Dass zwischen dem Halter und dem Fahrer eines PKW keine Personenidentität besteht, ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur eine theoretische, fernliegende Möglichkeit, sondern in der Praxis, gerade innerhalb von Familien, häufig der Fall. Soweit die Klägerin darüber hinaus zur Begründung ihrer Annahme, dass die Identifikation des Fahrers auch beim Tragen eines Niqabs möglich sei, vorbringt, die Androhung der Fahrtenbuchauflage motiviere den (mit der verhüllten Person nicht identischen) Halter dazu, den entsprechenden Fahrer preiszugeben, so ist dies zwar denkbar. Ein solcher Automatismus existiert allerdings nicht, wie dem Senat aus seiner langjährigen Zuständigkeit im Bereich des Straßenverkehrsrechts bekannt ist. In der Praxis kommt es nicht selten zu straßenverkehrsrechtlichen Verstößen, bei denen der verantwortliche Fahrer gerade infolge der fehlenden Mitwirkung des Halters bei der Anhörung im Bußgeldverfahren nicht ermittelt werden kann, obwohl im Anhörungsbogen häufig auf die Möglichkeit der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs nach § 31a Straßenverkehrszulassungsordnung – StVZO – hingewiesen wird.

27

Auch das Argument der Klägerin, der Halter werde sich bei einem Fahrer mit Niqab nur schwerlich darauf berufen können, dass er nicht mehr wisse, wer zur Tatzeit gefahren sei, überzeugt schon deswegen nicht, weil der Halter eines Fahrzeugs in einem gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahren zu Angaben in der Sache nicht verpflichtet ist (vgl. § 46 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten – OWiG –, § 163a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 Strafprozessordnung – StPO –). Im Übrigen ist es durchaus denkbar, dass es auch innerhalb einer Familie bzw. eines Freundes- oder Bekanntenkreises mehrere Personen mit Zugriff auf ein Kraftfahrzeug gibt, die sich aus religiösen Gründen zum Tragen eines Gesichtsschleiers verpflichtet sehen und daher entgegen der Ansicht der Klägerin Sachverhaltskonstellationen realistisch sind, in denen nicht nur eine Person als verantwortlicher Fahrer in Betracht kommt.

28

Soweit die Klägerin erstinstanzlich den Fall einer Niqab-Trägerin mit solchen Situationen verglichen hat, in welchen im Rahmen der Covid-19-Pandemie Schutzmasken während des Führens eines Fahrzeugs getragen und die Identifizierbarkeit des jeweiligen Fahrers durch eine Fahrtenbuchauflage gewährleistet werden sollte, hat das Verwaltungsgericht hierin ebenfalls kein Argument für die Annahme gesehen, dass die Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs im Vergleich zum Verhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO ein ebenso geeignetes Mittel. Diesbezüglich hat es ausgeführt, dass es sich bei den von der Klägerin genannten Fällen um Ausnahmegenehmigungen für das Führen eines Taxis oder eines Mietwagens gehandelt habe, nicht aber für beliebig viele Fahrzeuge. Hiermit setzt sich der Zulassungsantrag schon nicht hinreichend auseinander, wenn insoweit lediglich geltend gemacht wird, Taxifahrer könnten ein anderes Fahrzeug nutzen, als das auf sie zugelassene.

29

Die Erteilung der Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs ist aber auch dann jedenfalls nicht annähernd gleich geeignet, wenn im Fall einer Verhüllung oder Verdeckung des Gesichts eine Verpflichtung der jeweiligen Person bestünde, jede unternommene Fahrt, unabhängig ob sie Halterin oder bloß Fahrerin des eingesetzten Kraftfahrzeugs ist, in ein Fahrtenbuch einzutragen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 161). Das Verwaltungsgericht hat bereits ausgeführt, dass es im Fall einer verschleierten Person mangels Erkennbarkeit an einem objektiven Beweismittel für die Identifikation des Fahrzeugführers fehlt. Dieses wird durch die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nicht ersetzt. Denn zum einen kann das Fahrtenbuch gar nicht oder unrichtig geführt werden. Zum anderen eröffnet eine Gesichtsverhüllung auch die vom Fahrtenbuch nicht verhinderte Möglichkeit, dass eine beliebige Person eine Verkehrszuwiderhandlung auf sich nimmt, die sie gar nicht begangen hat, indem sie unüberprüfbar behauptet, die Fahrerin unter dem Niqab gewesen zu sein. Diese Ansicht der Vorinstanz, mit der sich die Klägerin in ihrem Zulassungsvorbringen schon nicht auseinandersetzt, teilt der Senat (so auch OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 8 B 1967/20 –, juris Rn. 59; Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 164). Besteht aber eine realistische Aussicht, Sanktionen aufgrund automatisierter Verkehrsüberwachung zu entgehen, ist der präventive Zweck dieser gefährdet (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 166).

30

(2) Der Senat teilt auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die von der Klägerin vorgeschlagene Auflage zur Individualisierung der Verschleierung mit Initialen oder ähnlichem kein gleich geeignetes Mittel wäre. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass es vorliegend nicht der Identifizierbarkeit des Kleidungsstücks, sondern der Identifizierbarkeit des Fahrzeugführers bzw. der Fahrzeugführerin bedarf. Von einem eindeutig identifizierbaren Kleidungsstück lasse sich aber nicht sicher auf dessen Träger schließen (so auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 167). Dieser überzeugenden Argumentation, der die Klägerin mit ihrer Zulassungsbegründung im Übrigen auch nicht entgegentritt, schließt sich der Senat an. Auf die von der Klägerin im Zulassungsverfahren erhobene Rüge, wonach die Bedenken des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Praktikabilität eines solchen Vorschlags nicht überzeugten, kommt es demgemäß nicht mehr entscheidungserheblich an.

31

dd) Die Einwendungen der Klägerin rechtfertigen auch nicht die Annahme, dass die Regelung des §23 Abs. 4 Satz 1 StVO unverhältnismäßig im engeren Sinne sei.

32

(1) Insbesondere vermag der Senat nicht die Ansicht zu teilen, dass die Eingriffsintensität der Verbotsnorm des §23 Abs. 4 Satz 1 StVO hoch sei. Durch das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot wird niemand unmittelbar an der Praktizierung seines Glaubens gehindert. Bei Befolgung der von ihr als verbindlich empfundenen Bekleidungsvorschriften muss die betroffene Person lediglich auf das Führen eines (geschlossenen) Kraftfahrzeugs verzichten. Das Führen eines Kraftfahrzeugs ist eine zwar weitverbreitete und übliche Art der Fortbewegung und wird deshalb von Vielen als selbstverständlich wahrgenommen. Daraus folgt allerdings auch im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG kein Anspruch, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs verbundenen Vorzüge durchweg zu den Bedingungen der individuell als verpflichtend empfundenen Glaubensgebote in Anspruch nehmen zu dürfen. Das Führen eines Kraftfahrzeugs ist zudem nicht ohne Weiteres zwingend oder alternativlos. Vor diesem Hintergrund steht die betroffene Person nicht in jedem Fall vor einem unausweichbaren Konflikt zwischen der Befolgung eines als verpflichtend empfundenen Glaubensgebots einerseits und der Wahrnehmung anderer, ebenfalls grundrechtlich geschützter Interessen andererseits. Daher ist es ihr nicht grundsätzlich unzumutbar, sich zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführerin zu den Bedingungen des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO oder dem unbedingten Befolgen des religiösen Gebots unter Preisgabe der mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs verbundenen Vorteile, aber nicht unter Hinnahme unzumutbarer Nachteile, zu entscheiden (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 179). Dieser mittelbare Grundrechtseingriff ist zudem auf den Zeitraum beschränkt, in dem die betroffene Person ein Kraftfahrzeug führen möchte (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 179; zur Helmpflicht für Kraftradfahrer: BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 – 3 C 24/17 –, juris Rn. 24).

33

Der Senat teilt zudem die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Beeinträchtigung für eine Niqab-Trägerin im Falle des Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Gesichtsverhüllung aufgrund des vergleichsweise geschützten Rahmens, der ein geschlossenes Kraftfahrzeugs bildet, und der dadurch bewirkten größeren Distanz zu anderen Personen geringer wäre als etwa ein Aufenthalt ohne Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit. Ob es sich bei dieser Würdigung, wie die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen rügt, um die unzulässige Bewertung eines als verpflichtend angesehenen Glaubensgebots handelt (so wohl OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 181 ff.) oder lediglich um die verfassungsrechtlich gebotene Bewertung der Intensität des Grundrechtseingriffs, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn ersteres der Fall wäre und demgemäß die Erwägung des Verwaltungsgerichts keine Berücksichtigung finden dürfte, so vermag dies nichts daran zu ändern, dass der hier durch das Verbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO bewirkte Grundrechtseingriff aus den bereits aufgezeigten Gründen nicht schwer wiegt und nicht außer Verhältnis zum bezweckten Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum steht (so auch OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 179, 185).

34

(2) Die Einbeziehung sämtlicher Führerscheinklassen führt entgegen der Ansicht der Klägerin ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Regelung. Denn es ist schon nicht erkennbar, dass die präventive Wirkung der automatisierten Verkehrsüberwachung bei bestimmten Fahrzeugklassen grundsätzlich ausgeschlossen wäre. So können mit den von der Klägerin benannten Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklasse AM, die neben zwei- und dreirädrigen (Klein-)Krafträdern auch leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge umfasst (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV –), jedenfalls auch Rotlicht- oder Geschwindigkeitsverstöße begangen werden. Im Übrigen bestehen auch beim Führen dieser Fahrzeuge Gefahren im Falle einer eingeschränkten Rundumsicht (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 191).

35

(3) Der Vortrag der Klägerin, dass in der gesetzlichen Regelung des §1631d Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – zum Ausdruck komme, dass der Gesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit (muslimischen) religiösen Geboten und Traditionen eine besonders hohe Wertigkeit auch gegenüber den Rechtsgütern Leben und körperliche Unversehrtheit einräume, ist, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgeht, für die hier vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung ohne Belang. Es besteht kein an den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gerichtetes verfassungsrechtliches Gebot, die erforderliche Abwägung kollidierender Rechtsgüter in verschiedenen Lebensbereichen durchgehend konsistent vorzunehmen. Vor allem aber reduziert die Argumentation zum (abstrakten) Überwiegen einzelner Grundrechte gegenüber anderen die Komplexität der vorzunehmenden Abwägung in unzulässiger Weise (vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 192).

36

(4) Bei der Abwägung der betroffenen Verfassungsgüter bestehen letztlich auch deshalb keine Bedenken gegen die Entscheidung des Verordnungsgebers für das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot, weil der gegebenenfalls erforderlichen Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Belange durch die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO Rechnung getragen ist. Durch die den Straßenverkehrsbehörden eingeräumte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung soll besonderen Ausnahmesituationen Rechnung getragen werden, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten und eine unbillige Härte für den Betroffenen zur Folge hätten. Eine das Ermessen eröffnende Ausnahmesituation liegt auch dann vor, wenn die Hinderung, das Verbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO zu befolgen, auf religiösen Gründen beruht (vgl. zu §21a Abs. 2 Satz 1 StVO: BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 – 3 C 24.17 –, juris Rn. 10 ff.; ebenso OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2021 –8 B 1967/20 –, juris Rn. 44 f; Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 188).

37

Der hiergegen von der Klägerin im Zulassungsverfahren vorgebrachte Einwand, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung faktisch unmöglich sei, da die Behörden eine solche durchgehend ablehnten, führt nicht zur Annahme der Verfassungswidrigkeit der Regelung. Die Wirksamkeit der Verordnungsregelung ist grundsätzlich unabhängig davon zu beurteilen, ob die Verwaltungspraxis den rechtlichen Vorgaben entspricht. Gegen eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Behördenentscheidung kann die betroffene Person – wie vorliegend – individuell Rechtsschutz in Anspruch nehmen (OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194721 –, juris Rn. 190). Dass Vollzugsmängel bereits in der Verordnungsnorm angelegt seien, die zu deren Verfassungswidrigkeit führten (zur Rechtsfigur des strukturellen Vollzugsdefizits vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 – 2 BvL 17/02 –, BVerfGE 110, 94 [112 f.] m.w.N.), ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

38

3. Die Klägerin vermag mit ihrem Zulassungsvorbringen auch nicht aufzuzeigen, dass die Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO vom Verhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO durch Bescheid vom 11. Februar 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2022 rechtswidrig ist (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

39

a) Es ist zunächst nicht dargetan, weshalb die Annahme des Beklagten, die Zulassung eines Niqabs unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches stelle kein gleich geeignetes Mittel zur Ablehnung der Ausnahmegenehmigung dar, ermessensfehlerhaft sein sollte. Aus den bereits dargelegten Gründen sieht auch der Senat die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs als nicht (annähernd) gleich geeignetes Mittel zur Identifizierung eines Fahrzeugführers an (siehe hierzu oben unter I.2.c)cc)). Dass und weshalb in ihrem Fall ausnahmsweise abweichendes geltend sollte, hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht aufgezeigt. Mit dem Bedürfnis nach Sicherung einer uneingeschränkten Rundumsicht, das der Geeignetheit eines Fahrtenbuchs von vornherein entgegenstehen würde (vgl. hierzu die Ausführungen unter I.2.c)cc)(1)), hat der Beklagte die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung ausweislich des Bescheides vom 11. Februar 2022 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2022 vorliegend nicht begründet, so dass es schon aus diesem Grund nicht der Erörterung der Frage bedurfte, ob bezogen auf den Fall der Klägerin die Gefahr einer eingeschränkten Rundumsicht durch das Tragen eines Niqabs besteht.

40

b) Auch der Einwand der Klägerin, sie könne aufgrund ihrer gesundheitlichen Beschwerden sowie der in der Vergangenheit ihr gegenüber erfolgten Belästigungen und Beleidigungen im ÖPNV nicht auf dessen Nutzung zur Fortbewegung verwiesen werden, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass die geltend gemachten Knieprobleme der Klägerin nicht erkennen lassen, weshalb ihr die Nutzung des ÖPNV nicht zumutbar sein sollte, zumal im ÖPNV meistens auch Sitzplätze zur Verfügung stehen dürften und sich die Klägerin zudem hierzu unter Umständen ihres Schwerbehindertenausweises bedienen könnte. Die Richtigkeit dieser Wertung wird von der Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen auch nicht in Zweifel gezogen. Ob die Nutzung des ÖPNV für die Klägerin aufgrund der behaupteten, aber nicht näher geschilderten Anfeindungen, Diffamierungen und Beleidigungen im ÖPNV unzumutbar ist, ist zweifelhaft, braucht hier aber nicht abschließend beurteilt zu werden. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so würde sich die Versagung einer Ausnahmegenehmigung ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände, die hier weder geltend gemacht noch sonst erkennbar sind, dennoch nicht als ermessensfehlerhaft darstellen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dem grundsätzlich anzuerkennenden Interesse an Mobilität im Fall der Klägerin dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die Klägerin mit ihrer Fahrerlaubnis berechtigt ist, ein Kraftrad zu führen. Für Krafträder und offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h ist gemäß § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO eine Schutzhelmpflicht angeordnet. Für diese Fortbewegungsmittel gilt das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 nach Satz 2 der Bestimmung nicht. Soweit die Klägerin hiergegen vorbringt, dass ein Helm keine hinreichende Verdeckung der Konturen biete, da eine optische Einkerbung der Silhouette am Hals verbleibe, die bei angelegtem Gesichtsschleier nicht vorhanden sei, hat das Verwaltungsgericht zu dem bereits identischen Einwand in erster Instanz überzeugend ausgeführt, dass moderne Helme bis in den Nackenbereich reichen und sichtbar verbleibende kleinere Körperpartien der Klägerin durch das Tragen eines Schals oder Tuchs verdeckt werden könnten. Dieser Argumentation tritt die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung nicht entgegen. Ob sie zusätzlich auf die Nutzung eines Fahrrades verwiesen werden kann, wovon der Beklagte ausweislich der Begründungen der angefochtenen Bescheide offenbar nicht ausgegangen ist, kann nach alledem dahingestellt bleiben.

41

II. Der Zulassungsantrag der Klägerin dringt auch insoweit nicht durch, als diese geltend macht, die Rechtssache weise besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Besondere Schwierigkeiten in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen das erstinstanzliche Urteil in rechtlicher Hinsicht Fragen von solcher Komplexität betreffen, dass sie nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren zu beantworten sind, sondern der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen (vgl. etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 106). Dies trifft hier jedoch nicht zu. Vielmehr sind die aufgeworfenen Fragen, soweit mit ihnen das verwaltungsgerichtliche Urteil substantiiert angegriffen wird, allesamt, wie aufgezeigt, im Zulassungsverfahren zu beantworten.

42

III. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß §124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtssache auf, wenn sie eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Vorinstanz erheblich war und für die Berufungsentscheidung erheblich ist und einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist sowie im Sinne der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf (vgl. etwa Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 30 Aufl. 2024, § 124 Rn. 10; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 36 f.). Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt dabei u.a. voraus, dass eine bestimmte Frage herausgearbeitet und formuliert wird (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 211; ferner BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995 − 6 B 61/95 −, juris Rn. 5; OVG RP Beschluss vom 24. März 2022 – 7 A 10832/21.OVG –, n.v.).

43

Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Der von der Klägerin formulierten Frage, "ist die Feststellbarkeit der Identität der Fahrzeugführerin, die einen Gesichtsschleier trägt, im Rahmen der automatisierten Verkehrskontrolle gewährleistet?" fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit, da sie sich, wie bereits dargelegt (vgl. die Ausführungen unter I.1.), ohne Weiteres im ablehnenden Sinne beantworten lässt. Allein die Erkennbarkeit der Augenpartie einer Kraftfahrzeugführerin gewährleistet die Feststellung ihrer Identität im Rahmen der automatisierten Verkehrskontrolle ohne Zweifel nicht.

44

Soweit die Klägerin darüber hinaus die Frage aufwirft, ob "die Feststellung der Identität einer Fahrzeugführerin, die einen Gesichtsschleier trägt, auch ohne ein vollständiges Verbot der Gesichtsverschleierung gewährleistet werden" kann, ist deren Erheblichkeit weder für die erstinstanzliche Entscheidung noch für die Berufungsinstanz dargetan. Dass das Verwaltungsgericht diese Frage beantwortet hätte, ist nicht erkennbar. Es hat vielmehr angenommen, dass ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks, insbesondere die Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs oder das Anbringen von Initialen auf einem Gesichtsschleier nicht gleich geeignet sei, den angestrebten Zweck zu verfolgen (S. 17 f. des Urteilabdrucks). Diese Frage ist allerdings nicht klärungsbedürftig, weil sie sich, wie dargelegt (vgl. I.2.c)cc)), auf der Grundlage bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lässt (zu diesem Kriterium vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2004 – VGH B 7/04 –, AS 35, 184 [190]). Überdies wäre eine generelle Regelung, nach der ein Fahrtenbuch immer dann zu führen ist, wenn der Fahrzeugführer sein Gesicht verhüllt oder verdeckt, zur Gewährung einer uneingeschränkten Rundumsicht des Fahrzeugführers ohnehin ungeeignet (vgl. hierzu die Ausführungen unter I.2.c)cc)). Selbst wenn daher die Frage im Sinne der Klägerin zu bejahen wäre, würde dies allein nicht die Erforderlichkeit des Verbots entfallen lassen. Auch insofern fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage.

45

Soweit die Klägerin mit den Fragen 3 und 4 für rechtsgrundsätzlich erachtet, ob "das in §23 Abs. 4 Satz 1 StVO normierte Verhüllungsverbot, soweit das religiös motivierte Tragen eines Gesichtsschleiers erfasst wird, verfassungsgemäß" bzw. "rechtmäßig" ist, wird eine Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Die im Zusammenhang mit der Rüge ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils von der Klägerin aufgeworfenen Fragen lassen sich, wie gezeigt (vgl. I.2.), auf der Grundlage des Gesetzes und bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten. Eine vom hier gefundenen Ergebnis abweichende Rechtsprechung existiert zudem nicht (vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 86 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2022 –IV-2 RBs 73/22 u.a. –, juris Rn. 7 ff.; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018 – 1 BvQ 6/18 –). Soweit die Klägerin zur Begründung der von ihr angenommenen grundsätzlichen Bedeutung auf verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Norm des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinweist (OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 8 B 1967/20 –, juris Rn. 18 ff.), sind diese nicht mehr aufrechterhalten worden (vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2024 – 8 A 3194/21 –, juris Rn. 86 ff.).

46

IV. Schließlich hat die Klägerin auch keinen zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensfehler gemäß §124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO aufgezeigt. Soweit mit der Zulassungsbegründung eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erhoben wird, fehlt es schon an einer prozessordnungsgemäßen Darlegung im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Abgesehen davon, dass die anwaltlich vertretene Klägerin nach ihrem Verzicht auf mündliche Verhandlung keinen schriftsätzlichen Beweisantrag gestellt hat (zur Pflicht zur Bescheidung von Beweisanträgen, die nach Verzicht auf die mündliche Verhandlung gestellt werden vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 6. September 2011 – 9 B 48/11 u.a. –, juris Rn. 10; BayVGH, Beschluss vom 19. August 2022 – 15 ZB 22.1400 –, juris Rn. 25) und dies nur dann unerheblich wäre, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag die weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen, erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Erstgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 – 5 B 36.14 –, juris Rn. 7; OVG RP, Beschluss vom 6. Juli 2021 –7 A 11413/20.OVG –, juris Rn. 40; BayVGH, Beschluss vom 25. Januar 2016 –10 ZB 14.1486 –, juris Rn. 17 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht. Zum einen fehlt es schon an der genauen Bezeichnung der für aufklärungsbedürftig gehaltenen Tatsache. So wird bereits nicht dargetan noch sonst klar erkennbar, ob die für aufklärungsbedürftige Tatsache in der Identifizierung der Klägerin im konkreten Fall oder von Niqab-Trägerinnen generell beim Führen eines Kraftfahrzeuges gesehen wird. Zum anderen wird nicht dargelegt, welche "geeigneten" Aufklärungsmaßnahmen zur Erforschung in Betracht gekommen sein sollten. Ungeachtet dessen ergibt sich bereits schon aus den unter I.1. genannten Gründen, dass sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung der Vorinstanz hinsichtlich der Frage, ob das Tragen eines Niqabs das Gesicht so verhüllt bzw. verdeckt, dass der Fahrzeugführer nicht mehr identifizierbar ist, gerade nicht aufgedrängt hat.

47

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, §52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –.

48

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs. 1 VwGO).

Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies. Durch Nutzung dieser Seite stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.