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Rechtsurteile

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Beschränkung der Versammlungsfreiheit für eine Versammlung unter dem Motto „From the river to the sea - Palestine will be free“

1. Eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit (hier: Versammlungsverbot) kann im Einzelfall auf das alleinige Versammlungsmotto „From the river to the sea - Palestine will bei free“ gestützt werden, soweit sich im Einzelfall eine straflose Deutungsmöglichkeit ausschließen lässt (Anschluss an VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris). (Rn.14) (Rn.26) 2. Im Einzelfall kann die Versammlungsbehörde ihr Ermessen für ein Versammlungsverbot darauf stützen, dass die Antragstellerin eine im Kooperationsgespräch angesprochene Änderung eines solchen alleinigen Versammlungsmottos verweigert hat und dass es ihr als Versammlungsbehörde nicht zusteht, der Veranstalterin ein alternatives Versammlungsmotto aufzuzwingen oder eine Durchführung ohne Motto zu verfügen. (Rn.34)


 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 26. Juli 2024 - 1 L 434 /24 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts. Diese lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen das Verbot vom 25. Juli 2024 ihrer für den 27. Juli 2024 um 18:00 Uhr angemeldeten Versammlung abgelehnt hat.

2

I. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat mit Beschluss vom 26. Juli 2024 den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 26. Juli 2024 gegen das zugleich für sofort vollziehbar erklärte Verbot der von ihr für den 27. Juli 2024 angemeldeten Versammlung mit dem Motto „From the river to the sea - Palestine will be free!“ abgelehnt. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

3

Das Versammlungsverbot sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei notwendig und verhältnismäßig. Die Prognose der Antragsgegnerin, eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 15 Abs. 1 SächsVersG liege deshalb vor, weil die Verwendung der streitbefangenen Parole „From the river to the sea - Palestine will be free“ gerade bei der von Antragstellerin angemeldeten Versammlung unter Verwendung des gleichen Mottos durch zu erwartendes Skandieren von Versammlungsteilnehmern objektive Straftatbestände erfüllen werde, weise nach summarischen Überprüfung keine Fehler auf. Es würden jedenfalls Verstöße gegen den objektiven Tatbestand aus § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m § 86 Abs. 2 StGB mit der für § 15 Abs. 1 SächsVersG notwendigen Wahrscheinlichkeit drohen, ungeachtet dessen komme auch ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 VereinsG in Betracht. Bei der Parole „From the river to the sea - Palestine will be free“ handele es sich voraussichtlich um ein Kennzeichen der genannten Vereinigung im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 2 Satz 1 Var. 4 StGB. Die Antragsgegnerin habe zu Recht prognostiziert, dass diese Parole bei der angemeldeten Versammlung im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB oder § 20 Abs. 1 Satz Nr. 5 VereinsG „verwendet“ werde, zumal es sich dabei um das Motto der streitgegenständlichen Versammlung handele. Die Gefahrenprognose werde auch nicht durch das auf § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB zielende Vorbringen in der Antragsbegründung durchgreifend in Frage gestellt.

4

Das Äußern dieser Parole sei zwar weder generell und pauschal strafbewehrt, noch finde sich darin die pauschale Ablehnung eines bewaffneten Widerstandes. Im vorliegenden Einzelfall bestehe jedoch bei der von der Antragstellerin angemeldeten Versammlung die unmittelbare Gefahr, dass die Parole jedenfalls auch in einer vom Tatbestand der Norm erfassten Weise Verwendung finden werde. Die Wahl des Versammlungsmottos - das allein in der Parole selbst bestehe („From the river to the sea - Palestine will be free“) -, die Zahl der Teilnehmer (400) und die Art und Weise der Durchführung als Aufzug, endend in der Innenstadt in Verbindung mit zwei stationären Kundgebungen unter Verwendung von einem Fahrzeug mit Anlage, Lautsprechern, Fahnen, Pappschildern, Bannern u. a. ergäben in der Gesamtbetrachtung ein Bild, bei dem es an jeglicher von außen erkennbarer Distanzierung von einer Verwendung der fraglichen Parole als Kennzeichen der HAMAS fehle. Ausweislich des Kooperationsgesprächs vom 24. Juli 2024 sei eine solche Distanzierung seitens der Antragstellerin weder gewünscht noch beabsichtigt. Gerade unter der oben beschriebenen geplanten Versammlungsdurchführung, dessen Kern das Motto „From the river to the sea - Palestine will be free“ bilde, mache sich die Antragstellerin ein verbotenes Kennzeichen der HAMAS zu eigen.

5

Eine andere Entscheidung komme auch dann nicht in Betracht, wenn man die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin derzeit mit Blick auf die tatsächlichen Grundlagen der strafrechtlichen Würdigung als offen ansehe. Das Aussetzungsinteresse und damit das Interesse der Antragstellerin an der Verwendung der Parole erweise sich als nachrangig gegenüber dem öffentlichen Interesse daran, dies zu verhindern. Wenngleich das Versammlungsverbot als ultima ratio mit sehr erheblichem Gewicht in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingreife, setzte sich das gegenüberstehende öffentliche Interesse daran, die Verwendung der Parole einstweilen zu untersagen durch. Eine einmal getätigte Äußerung - sollte sie sich als strafbar oder sonstiger Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erweisen - sei irreversibel und lasse sich durch ein nachträgliches Einschreiten der Polizei oder nachträgliche Strafanzeigen nicht wieder rückgängig machen. Das in § 86a StGB und § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG grundsätzlich strafbewehrte Kennzeichenverbot diene der effektiven Durchsetzung des Vereinsverbots, mit welchem seinerseits wichtige Gemeinschaftsbelange verfolgt würden.

6

Die Antragstellerin hat hiergegen in der Nacht vom 26. zum 27. Juli 2024 Beschwerde eingelegt. In ihrem Schriftsatz vom 27. Juli 2024 führt die Antragstellerin zur Begründung im Wesentlichen Folgendes aus: Die Begründung durch das Verwaltungsgericht sei zirkelschlüssig. Man verweise vollumfänglich auf den Antragsschriftsatz vom 26. Juli 2024. Das Verwaltungsgericht habe den Beschluss des VGH München vom 26. Juni 2024, Az. 10 CS 24.1062 nicht gewürdigt. Außerdem werde auf den Beschluss des LG Mannheim vom 29. Mai 2024, Az. 5 Qs 42/23 verwiesen, wonach das streitgegenständliche Motto kein Kennzeichen der Hamas sei. Unzutreffend argumentiere das Verwaltungsgericht mit § 173 VwGO, es sei an „strafrechtliche Erkenntnisse nicht gebunden“. Indem das Verwaltungsgericht selbst ausführe, das Äußern der Parole sei weder generell und pauschal strafbewehrt, noch finde sich darin die pauschale Ablehnung eines bewaffneten Widerstandes.“ (S. 9), zeige diese Passage das gegenwärtige Dilemma: die Antragstellerin möchte die „Parole“ rufen und ihre Versammlung unter diesem Motto durchführen, um zu zeigen, dass Palästinenser mit „From the river to the sea, Palestine will be free“ Hoffnung schöpfen können und ihnen dies Mut und Zuversicht übermitteln soll, angesichts des Leids und des aktuellen Landraubs des palästinensischen „Siedlungsgebietes“ im Westjordanland. Die Zuschreibung des Spruchs als Kennzeichen der Hamas habe das Bundesinnenministerium mit heißer Nadel und ohne historische Kenntnis unternommen. Dass die Parole überhaupt von dem Verbot erfasst sei, begegne durch die strafrechtliche Expertise des Landgerichts Mannheim durchgreifenden Bedenken. Die Antragsgegnerin verwehre es der Beschwerdeführerin, den unzutreffenden Eindruck, es handele sich um ein Kennzeichen der Hamas, durch den eigenen Gebrauch, „der bereits dadurch die Behauptung, es handele sich um ein Kennzeichen der Hamas, konterkariert“, in der Öffentlichkeit zu widerlegen. Es werde eine willkürliche und falsche Zuschreibung eines - umstrittenen - Slogans zur Hamas vorgenommen. Die Antragstellerin wolle die Hamas nicht rechtfertigen, aber darauf hinweisen, dass die Hamas hier nur vorgeschoben werde, und von ihr eine Distanzierung und die „pauschale Ablehnung eines bewaffneten Widerstandes“ erwartet werde. Unbestritten sei die Rechtskraft der Verbotsverfügung in Bezug auf die Hamas noch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht worden, weshalb § 86 StGB ausscheide. Das Verwaltungsgericht würdige nicht, dass gerade die Antragstellerin glaubhaft zum Ausdruck bringe, dass die Zuschreibung des Slogans zur Hamas falsch sei. Mit ihren Versammlungen habe sie den Menschen Mut und Hoffnung gebracht und für Pluralität eingestanden, was ihre Distanzierung zur Hamas erkennen lasse.

7

II. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

8

1. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters ist grundsätzlich die Entscheidung über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst (BVerfG, Beschl. v. 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, juris Rn. 38; SächsOVG, Beschl. v. 11. Dezember 2020 - 6 B 432/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 2. Juni 2023 - 3 B 87/23 -, juris Rn. 16).

9

Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Ein solches Gesetz stellt § 15 Abs. 1 SächsVersG dar, wonach die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Beschränkungen abhängig machen kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Versammlungsrechtliche Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen.

10

Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30. August 2020 - 1 BvQ 94/20 -, juris Rn. 14 m. w. N.). Das der zuständigen Behörde durch § 15 Abs. 1 SächsVersG eingeräumte Entschließungsermessen ist grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechtes ergibt, dass dies zum Schutz anderer mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. April 2018 - 1 BvR 3080/09 -, juris Rn. 32; SächsOVG, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 3 B 87/23 -, juris Rn. 18). Rechtsgüterkollisionen können im Rahmen versammlungsrechtlicher Beschränkungen ausgeglichen werden. Maßgeblich sind dabei stets die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere die Art und das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte (vgl. BVerfG, Beschl. 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 -, juris, Rn. 64; SächsOVG, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 3 B 87/23 -, juris Rn. 18). Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, evtl. Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit eventuell verhinderter Anliegen, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand (BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 -, juris, 64, m. w. N.; SächsOVG, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 3 B 87/23 -, juris Rn. 18).

11

Das Verbot einer Demonstration nach § 15 Abs. 1 SächsVersG setzt voraus, dass nach den zurzeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Erforderlich sind insoweit hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Dass eine Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann oder dass eine Gefahr für den Fall des Eintritts eines noch ungewissen Ereignisses befürchtet wird, reicht nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 1. Mai 2001 - 1 BvQ 21/01 - juris Rn. 11; SächsOVG, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 3 B 87/23 -, juris Rn. 19). Vielmehr müssen zureichende Tatsachen vorliegen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen unfriedlichen Verlauf erwarten lassen, bei dem sich die Teilnehmer gemeinschaftlich unfriedlich verhalten und sich mit den Gewalttätigkeiten anderer Teilnehmer identifizieren (VG Leipzig, Beschl. v. 21. Oktober 2021 - 1 L 729/21 -, juris Rn. 12 m. w. N.). Eine gewalttätige Demonstration wird als unfriedlich von der Gewährleistung des Art. 8 GG nicht erfasst. Ihr Verbot kann daher dieses Grundrecht nicht verletzten (BVerfG, Beschl. v. 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 91; SächsOVG, Beschl. v. 2. Juni 2023 - 3 B 87/23 -, juris Rn. 19).

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Soweit Beschränkungen der Versammlungsfreiheit an Meinungsäußerungen anknüpfen, sind sie zugleich am Maßstab von Art. 5 Abs. 1 und 2 GG zu messen (VGH BW, Urt. v. 25. April 2007 - 1 S 2828/06 -, juris Rn. 35 f.). Die Reichweite der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG richtet sich, soweit auch die Untersagung einer Meinungsäußerung im Raum steht, nach dem Umfang des von Art. 5 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Schutzes (vgl. zu Letzterem BVerfG, Beschl. v. 4. November 2019 - 1 BvR 2150/08 -, juris Rn. 45 m. w. N.; VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 10). Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen hat sich deshalb auch bei versammlungsbeschränkenden Maßnahmen, auch wenn sie sich nur auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt, im Rahmen der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu bewegen, wonach u. a. das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, seine Schranken (nur) in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmun-gen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findet. Die „allgemeinen Gesetze“ haben ihre Ausformung insbesondere in der Strafrechtsordnung gefunden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - BVerfGE 111, 147, 155 f.; VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 10). Diese sind allerdings ihrerseits im Lichte von Art. 8 GG und Art. 5 GG auszulegen und anzuwenden. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben sich darüber hinaus spezifische Anforderungen bereits an die der Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze vorgelagerte tatrichterliche Interpretation umstrittener Äußerungen. Maßgeblich bei der Ermittlung des Inhalts einer Meinungsäußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums objektiv hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476, 1980/91 u. a. - BVerfGE 93, 266, 295; BVerwG, Urt. v. 26. April 2023 - 6 C 8.21 -, juris Rn. 29 m. w. N.; VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 10). Bei mehrdeutigen Äußerungen haben Behörden und Gerichte sanktionsrechtlich irrelevante Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen, bevor sie ihrer Entscheidung eine zur Anwendung des Straftatbestands der Volksverhetzung führende Deutung zugrunde legen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. September2009 - 2 BvR 2179/09 - NJW 2009, 3503; BVerwG, Urt. v. 26. April 2023 - 6 C 8.21 - BVerwGE 178, 246, juris Rn. 30 m. w. N.; VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 10).

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2. Nach diesem Maßstab ist das Verwaltungsgericht auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens zutreffend zur der Überzeugung gelangt, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen das für sofort vollziehbar erklärte Verbot ihrer für heute angemeldeten Versammlung nicht gerechtfertigt ist.

14

Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass aus dem Versammlungsmotto „From the river to the sea - Palestine will bei free“ und dessen Verwendung bei der Kundgebung der Antragstellerin jedenfalls Verstöße gegen den objektiven Tatbestand aus § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m § 86 Abs. 2 StGB drohen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 12 ff.).

15

Nr. 3 der Verfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 2. November 2023 (BAnz AT 02.11.2023 B10) verbietet dabei im Ausgangspunkt die Verwendung von Kennzeichen der Terrororganisation Harakat al-Muqawama al-Islamiya (im Folgenden: HA-MAS) in näher bezeichneter Art und Weise. Damit steht eine Vereinigung im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB, d. h. eine Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, im Raum (VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 17). Soweit die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, dass das vom Bundesministerium verfügte Verbot der „Hamas“ auch unanfechtbar ist, sieht der Senat keine Veranlassung, dem aufgrund eines bloßen Bestreiten mit Nichtwissen nachzugehen. Auch der in der Beschwerde angeführte Aspekt, dass die Unanfechtbarkeit des Hamas-Verbots bislang nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sei, ist hierfür unergiebig, weil eine entsprechende Veröffentlichung nicht konstitutiv für die Unanfechtbarkeit ist, sondern selbige voraussetzt. Die von der Antragstellerin als Versammlungsmotto angegebene Parole „From the river to the sea - Palestine will bei free“ stellt voraussichtlich ein Kennzeichen der genannten Vereinigung im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 2 Satz 1 Var. 4 StGB dar, weil sie von der Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 2. November 2023 ausdrücklich erfasst und dort als ein Kennzeichen der HAMAS eingeordnet wird, ohne dass durchgreifende Anhaltspunkte für eine materiell fehlerhafte Zuordnung bestünden (VGH BW, Beschl. v. 21. Juni 2024 - 14 S 956/24 -, juris Rn. 17, 18). Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss (S. 6 bis 11 des Beschlussabdrucks).

16

Im Hinblick auf die Ausführungen der Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren und ihr Beschwerdevorbringen ist dazu Folgendes zu ergänzen:

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Soweit die Antragstellerin schon dem Grunde nach die Zuschreibung der streitbefangenen Parole zur Terrororganisation HAMAS damit bezweifelt, dass diese in der Verbotsverfügung dem Al-Aqsa-TV oder dem -Satelliten-TV zugeordnet werde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn die Aufzählung der streitbefangenen Parole als verbotenes Kennzeichen steht ersichtlich schon nicht im Zusammenhang mit der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Abbildung 19. Der Systematik dieser Verbotsverfügung folgend wird jede Abbildung eines verbotenen Kennzeichens durch einen nachfolgenden Absatz erläutert, welcher mit der numerischen Bezeichnung der vorstehenden Abbildung und dem Satzzeichen Doppelpunkt eingeleitet und durch eine Absatzzeile von der nachfolgenden Aufzählung weiterer, verbotener Kennzeichen getrennt wird - so auch in diesem Fall. Der erläuternde Absatz zur Abbildung 19 ist durch eine nachfolgende Absatzzeile und die satzeinleitende nebenordnende Konjunktion „Sowie“ von der Aufzählung der hier streitbefangenen Parole getrennt. Damit handelt sich bei ihr ersichtlich um ein eigenständiges, der Terrororganisation HAMAS zugeordnetes und nunmehr verbotenes Kennzeichen.

18

Die Strafbarkeit dieser Parole folgt dabei aber nicht ohne Weiteres aus dem Umstand, dass die Parole in die Kennzeichenliste dieser Verbotsverfügung aufgenommen wurde. Vielmehr kommt es für die Strafbarkeit der Formulierung - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Kontext der Äußerung und den Organisationsbezug an. Ihr pauschales Verbot im Wege des Versammlungsverbots ist nur dann verhältnismäßig, wenn eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde ergibt, dass die Formulierung in strafbarer Weise verwendet werden wird. Andernfalls würden unter Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch zulässige Verwendungsformen untersagt, zumal von solchen Pauschalverboten ein erheblicher Abschreckungseffekt hinsichtlich der freien Meinungsäußerung ausgehen würde.

19

Diesen Anforderungen wird die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin vorliegend gerecht. Mit dem Verwaltungsgericht, auf dessen zutreffenden Ausführungen auf S. 8 bis 11 des Beschlussabdrucks verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), geht auch der Senat davon aus, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Begründung ihrer Prognose, es bestehe eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus einer nach § 86, 86a StGB strafrechtlich relevanten Verwendung der Parole „From the river to the sea- Palestine will be free!“ sowohl als gewähltes Versammlungsmotto als auch durch ein zu erwartendes Skandieren durch Versammlungsteilnehmer oder die Nutzung im Zusammenhang mit weiteren Kundgebungsmitteln, zutreffend ist.

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Die Antragsgegnerin legt in ihrer 15-seitigen Verbotsverfügung im Einzelnen dar, aus welchen Gründen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die zumal als Versammlungsmotto angemeldete Parole „From the river to the sea - Palestine will be free!“ in strafbarer Weise verwendet werden wird. Sie führt darin die bisher eingeleiteten 14 Ermittlungsverfahren/ Strafanzeigen zu Ereignissen im Zeitraum vom 23. Dezember 2023 bis zum 27. Mai 2024 an, deren Grundlage der Ausspruch „From the river to the sea - Palestine will be free“ im Rahmen der von der Antragstellerin veranstalteten Versammlungen war. Darüber hinaus werden in der Prognose u. a. konkrete Veröffentlichungen auf den Plattformen von H. e. V. bildlich und textlich wiedergegeben vor dem Hintergrund, dass im Rahmen vergangener Versammlungen der Veranstalterin durch Redebeiträge ein positiver Bezug zum auch bewaffneten Kampf der Palästinenser hergestellt wurde, wie es gleichsam durch Statements auf der Internetseite von H. e. V. erfolgt. Die Antragstellerin hat auf Nachfrage der Versammlungsbehörde im Kooperationsgespräch am 24. Juli 2024 ausdrücklich bestätigt, dass sie als Vertreterin des Vereins H. e. V. auftritt. Des Weiteren verweist die Begründung der Verbotsverfügung auf Presseberichterstattung über einen auf dem Instagram-Account von H. veröffentlichten „Reel“, der sich in positiver Weise auf bewaffnete Kämpfer im Gazastreifen als „Freiheitskämpfer“ bezieht. Im angegriffenen Versammlungsverbot werden darüber hinaus die eigenen Äußerungen der Antragstellerin im Kooperationsgesprächs am 24. Juli 2024 wiedergegeben, dass sie sich auf ihrer Versammlung weiterhin mit dem Befreiungskampf der Palästinenser solidarisch zeigen wolle und sie den auch bewaffneten Kampf der Palästinenser im Gazastreifen ausdrücklich als legitim erachte. Auf die Nachfrage, ob der Veranstalter verdeutlichen könne, dass dieses angestrebte Ziel mit friedlichen Mitteln erreicht werden soll bzw. sich von der Hamas zu distanzieren, entgegnete darüber hinaus eine weitere am Kooperationsgespräch teilnehmende Vertreterin des H. e. V.: „Wir distanzieren uns von gar nichts“. Damit hat die Antragsgegnerin hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegt, dass auf der am 27. Juli 2024 angemeldeten Versammlung Verlautbarungen erfolgen werden, die den bewaffneten Kampf der Palästinenser im Gazastreifen in ein positives Licht rücken, und hierdurch eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargelegt.

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Diesen gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten und somit den Strafgesetzten zuwiderlaufenden Kontext der Parole im vorliegenden Einzelfall bestätigt die Antragstellerin mit ihren eigenen Einlassungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch zusätzlich.

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Im Ausgangspunkt ist zunächst festzuhalten, dass die verbotene Parole hier in einer erweiterten Fassung - nämlich mit dem Zusatz: „Palestine will be free“ - als alleiniges Versammlungsmotto Verwendung finden soll. Diesem Zusatz kommt bei der Ermittlung des objektiven Sinngehalts des Versammlungsmottos als ein Umstand des vorliegenden Einzelfalls ein eigenständiges Gewicht zu, was bei der Auslegung und Einordnung der Parole in ihren konkreten Kontext einzubeziehen ist. Dabei belegt und verstärkt die Verwendung des Zusatzes „Palestine will be free“ den von der Antragsgegnerin festgestellten, objektiv strafbaren und dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderlaufenden Kontext der Parole.

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Zwar kann der Antragstellerin noch darin gefolgt werden, dass zunächst ganz wesentlich auf den wörtlichen Inhalt der Parole selbst abzustellen ist, ohne an dieser Stelle auf eine über den Wortlaut hinausgehende politische Interpretation abzustellen.

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Die Antragstellerin ist dabei der Auffassung, dass der Parole der Wunsch nach einem eigenen Staatsgebiet der Palästinenser, in welchem diese frei leben können, zu entnehmen sei. Mit diesem Verständnis bleibt die Antragstellerin jedoch ersichtlich hinter dem Wortlaut des von ihr gewählten Versammlungsmottos zurück. Denn die Parole stellt ihrem Wortlaut nach keineswegs nur abstrakt auf den Wunsch nach einem eigenen Staatsgebiet ab. Zum einen weist die Parole mit ihrem ersten Teil „From the river to the sea“ einen klaren geografischen Kontext zum Jordanfluss auf der einen und zum anderen Mittelmeer auf der anderen Seite als Grenzmarken auf. Zum anderen ist die Parole keineswegs nur auf den Wunsch nach einem künftigen, eigenen Staatsgebiet für die Palästinenser beschränkt. Vielmehr umfasst sie den Wunsch nach Freiheit für ein - als existent vorausgesetztes - Palästina vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer. Für die Zuordnung der Parole zur Terrororganisation HAMAS ist im hiesigen Einzelfall damit relevant, ob mit ihr das Existenzrecht des Staates Israel bestritten und sich mit dem terroristischen Kampf der HAMAS gegen einen souveränen Staat solidarisiert werden soll.

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Ohne Einordnung in ihren Kontext bleibt die Parole ihrem Wortlaut nach zunächst zwar mehrdeutig. Wenngleich der Verweis auf einen palästinensischen Staat vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer als Chiffre für die Vernichtung des Staates Israel verstanden werden kann, so ist doch zu beachten, dass nach dem UN-Teilungsplan für Palästina gemäß der UN-Resolution 181 (II) vom 29. November 1947 ein Arabischer Staat vorgesehen war, welcher sowohl eine Grenze zum Jordanfluss als auch eine Grenze zum Mittelmeer haben sollte. Auch eine auf den Gazastreifen und das Westjordanland beschränkte Anerkennung des Staates Palästina würde Grenzen sowohl zum Jordanfluss als auch zum Mittelmeer implizieren.

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Hier aber kann im Lichte von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine straflose Deutungsmöglichkeit - als bloßer Aufruf zur Zweistaatenlösung - auch aufgrund der eigenen Einlassungen der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift vom 25. Juli 2024 ausgeschlossen werden:

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So gibt die Antragstellerin zwar im gerichtlichen Verfahren an, dass sie die Parole als Ausruf der Hoffnung und der Zuversicht verstanden wissen möchte, dass ihr der Frieden, die Gleichberechtigung der Völker und die Achtung der Religionen ein Anliegen seien und sie sich entschieden gegen Antisemitismus ausspreche und nie „Kampfhandlungen der Qassam-Brigaden“ gutgeheißen habe. Der Massenmord am 7. Oktober 2023 sei abscheulich, aber auch „sehr vielschichtig“ gewesen. Die Einordnung der HAMAS als gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßend, sei zwar „möglicherweise“ zutreffend. Aber auch wenn die HAMAS eine islamistische Organisation sei, werde diese für viele Menschen in der arabischen Welt eine Befreiungsbewegung bleiben, die ihnen Hoffnung gegeben habe und gebe. Dies müsse man nicht gutheißen, aber ihre „Verteufelung“ und ihr Verbot würden eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt verhindern. Sie bestehe darauf, mit allen Beteiligten zu reden, sich alle Argumente - auch jene der HAMAS - anzuhören und zu reflektieren, ohne sie pauschal zu verteufeln oder sie sich zu eigen zu machen. Die pauschale Ablehnung eines „bewaffneten Widerstandes“ - wie ihn der Bescheid verlange - verkenne die derzeitige Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den Ukraine-Konflikt, wo ein solch „brachialer“ Widerstand für gutgeheißen werde. Vielmehr ergebe sich nach den Maßstäben des Rechts und nach verschiedenen Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates und des UN-Strafgerichtshofes, dass das palästinensische Volk unterdrückt werde und damit ein Recht auf (bewaffneten) Widerstand als Mittel der Selbstverteidigung habe. Der „bewaffnete Befreiungskampf“ sei im Nahen Osten Realität, der man sich stellen müsse. Das rechtlich verbriefte Selbstverteidigungsrecht der Palästinenser müsse man zur Kenntnis nehmen. Für sie bestehe deshalb keine Veranlassung, sich von ihren Aussagen, ihrem Tun, ihrer Weltanschauung oder vom H. e. V. zu distanzieren, dessen Positionierung sie teile. Bei dem H. e. V. handle es sich nach ihren eigenen Angaben um eine antikoloniale Gruppe in L., nach deren Verständnis die Palästina-Frage nicht kompliziert, sondern sehr deutlich und einfach eine antikoloniale Frage und Aufgabe sei. Der H. e. V. sei entschieden gegen Antisemitismus im Sinne einer Gleichsetzung aller Juden in der Welt mit einem rassistischen Staat. Er fordere gleiche Rechte für alle Menschen, die im historischen Palästina leben - vom Jordan bis zum Mittelmeer. Die Palästinenser hätten sich „ihre Siedler“ nicht ausgesucht. Vielmehr hätten sich die Siedler die Palästinenser ausgesucht und sähen sich dazu befugt, die Palästinenser als Reaktion auf den Holocaust zu vertreiben. Nach der siedlerkolonialistischen und nationalistischen Ideologie des Zionismus sollten europäische Juden ihr Land Palästina besiedeln. Die europäischen Siedler dieses ethnokratischen, zionistischen Staates seien in ihre Häuser gezogen und hätten ihre Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Die Siedler würden über sie herrschen und die fruchtbarsten Landstriche bewohnen, auf Schnellstraßen fahren, welche sie nicht nutzen dürften und die Siedler würden den einheimischen Bewohnern das Wasser abziehen und diese täglich terrorisieren, um die Vertreibung fortzusetzen. Hier stünde der Antragsgegnerin eine Bewertung der Position der Antragstellerin nicht zu. Denn der „Nahostkonflikt“ gehe den Betroffenen unter die „tiefsten Hautschichten“. Einig sei man sich darin, Achtung und Freiheit im Staatsgebiet erlangen zu wollen oder wenigstens von der Staatengemeinschaft dieselben Rechte wie Israel zu erhalten.

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Auch wenn die Antragstellerin mit ihren Ausführungen vereinzelt, formelhaft und vordergründig auf eine Gleichberechtigung der Palästinenser mit jüdischen Staatsbürgern des Staates Israel abstellt, ergibt sich aus einer lebensnahen Gesamtbetrachtung ihrer Einlassungen doch unmissverständlich, dass sie das Existenzrecht des Staates Israel in Abrede stellt und dass das von ihr gewählte Versammlungsmotto mithin als Chiffre für die Vernichtung Israels und damit als strafbar verbotenes Kennzeichen der Terrororganisation HAMAS verwendet werden soll.

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Schon ihr Hinweis, wonach die HAMAS nur „möglicherweise“ gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoße, das Massaker vom 7. Oktober 2023 „sehr vielschichtig“ gewesen sei, die „Verteufelung“ der HAMAS eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt verhindere, stellt sich als Verharmlosung dieser Terrororganisation und ihrer Gräueltaten dar. Trotz ihrer formelhaften Beteuerungen äußert die Antragstellerin sehr wohl Verständnis für deren bewaffneten Kampf, und zwar gleich an mehreren Stellen, wenn sie die Ablehnung des „bewaffneten Widerstandes“ der Palästinenser durch die Bundesregierung als willkürlich und menschenverachtend bewertet und die Überzeugung vertritt, das palästinensische Volk sei zum (bewaffneten) Widerstand als Mittel der Selbstverteidigung berechtigt.

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Ob dies für sich genommen bereits ausreichen würde, um das von der Antragstellerin gewählte Versammlungsmotto als objektiv strafbar und dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderlaufend zu bewerten, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn bezogen auf die konkret im Raume stehende Formulierung des Versammlungsmottos hat die Antragstellerin unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie die Palästina-Frage nicht für kompliziert, sondern sehr deutlich und einfach für eine antikoloniale Frage und Aufgabe halte: Die europäischen Siedler dieses ethnokratischen zionistischen Staates seien in die Häuser der Palästinenser gezogen und hätten deren Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Die jüdischen Siedler würden über die Palästinenser herrschen und die fruchtbarsten Landstriche bewohnen, auf Schnellstraßen fahren, welche die Palästinenser nicht nutzen dürften, würden den einheimischen Bewohnern das Wasser abziehen und sie täglich terrorisieren, um die Vertreibung fortzusetzen.

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Ausgehend von einem solchen Verständnis des Konflikts lassen die Ausführungen der Antragstellerin nur den Schluss zu, dass es sich bei dem Staat Israel ihrer Auffassung nach um einen illegitimen Kolonialstaat handelt. Jüdische Siedler werden hier schon sprachlich einheimischen Bewohnern gegenübergestellt. Indem sie ferner auf von Juden bewohnte palästinensische Häuser und Landstriche abstellt, gibt sie zweifelsfrei zu erkennen, dass sich das von ihr gewählte Versammlungsmotto „From the river to the sea - Palestine will be free“ keineswegs auf eine Zweistaatenlösung bezieht, sondern vielmehr auch das israelische Staatsgebiet und dessen Rückgabe - als vermeintliches Kolonialgebiet, in dem jüdische Siedler einheimischen Bewohnern gegenüberstehen - in den Blick nimmt. Indem die Antragstellerin darüber hinaus Gewaltanwendung durch Palästinenser als legitim erachtet, macht sich die Antragstellerin die diesbezügliche Haltung der Terrororganisation HAMAS zu eigen und verwendet auch die streitbefangene Parole exakt in jenem strafbaren, gegen die Völkerverständigung verstoßenden und verbotenen Kontext. Zur Überzeugung des Senats gibt sie damit der Versammlung eine die HAMAS unterstützende Prägung. Ihre gegenteiligen Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 27. Juli 2024 wertet der Senat als bloßes Lippenbekenntnis.

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Dieses Verständnis ihrer Einlassungen bestätigt die Antragstellerin noch zusätzlich, wenn sie darauf abstellt, dass man Achtung und Freiheit im Staatsgebiet erlangen oder „wenigstens“ von der Staatengemeinschaft dieselben Rechte wie Israel erhalten wolle. Damit erklärt sie eine Zweistaatenlösung selbst zum nachrangigen Minimalziel und bestätigt dadurch das primär aggressiv kämpferische Verständnis ihres Versammlungsmottos - im Sinne eines Kennzeichens der Terrororganisation HAMAS - nochmals.

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Soweit die Antragstellerin auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2024 verweist, so stellt auch diese Entscheidung darauf ab, dass die Gefahren-prognose von den Umständen des Einzelfalls abhängt, insbesondere von einem erkennbaren Bezug der Parole zur HAMAS oder anderer verbotener Vereinigungen und von einer ausnahmsweise bestehenden Sozialadäquanz der Verwendung ab (BayVGH, Beschl. v. 26. Juni 2024 - 10 CS 24.1062 -, juris Rn. 26, 28 unter Hinweis auf HessVGH, Beschl. v. 22. März 2024 - 8 B 560/24 - juris Rn. 29). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in dem dort entschiedenen Einzelfall mit einer bislang sicherheitsrelevant nicht in Erscheinung getretenen Veranstalterin, 20 Teilnehmenden am Vormittag eines Montages, des zu erwartenden Teilnehmerkreises und des dortigen Themas einen konkreten Bezug zur HAMAS verneint (BayVGH, Beschl. v. 26. Juni 2024 - 10 CS 24.1062 -, juris Rn. 29). Dagegen ist wie oben ausgeführt für die vorliegende Versammlung davon auszugehen, dass die Parole als alleiniges Versammlungsmotto mit einem konkreten Bezug zur HAMAS oder anderen verbotenen Vereinigungen und dementsprechend auch von Versammlungsteilnehmern verwendet werden wird.

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Durchgreifende Bedenken gegen die Ermessensausübung der Antragsgegnerin zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf und sind für den Senat nicht erkennbar. Im angegriffenen Bescheid hat die Antragsgegnerin - wenngleich in knapper Form - mildere Mittel gegenüber einem Versammlungsverbot als ultima ratio verneint. Sie durfte hierbei ermessensfehlerfrei (§ 114 VwGO) berücksichtigen, dass die Antragstellerin eine im Kooperationsgespräch angesprochene Änderung des Versammlungsmottos verweigert hat und dass es ihr als Versammlungsbehörde nicht zusteht, der Veranstalterin ein alternatives Versammlungsmotto aufzuzwingen oder eine Durchführung ohne Motto zu verfügen. Frei von Ermessensfehlern geht die Antragsgegnerin davon aus, dass vielmehr damit zu rechnen wäre, dass die Teilnehmer trotz eines ggf. verfügten Verwendungsverbots das Versammlungsmotto im Rahmen der Versammlung skandieren oder anderweitig verwenden würden. Nicht zu beanstanden sind die weiteren Ausführungen im Bescheid zur Angemessenheit des Versammlungsverbots, wonach bei einer Versammlung wie angezeigt gerade durch das Skandieren der in Rede stehenden Parole mit einer massenhaften Begehung von Straftaten zu rechnen sei und es der Veranstalterin ohne weiteres möglich gewesen wäre, ihr Anliegen, für die Belange der Palästinenser zu demonstrieren, unter Verzicht auf die Verwendung der in Rede stehenden Parole umzusetzen.

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3. Über den Eilantrag wäre auch dann nicht anders zu entscheiden, wenn man die Erfolgsaussichten des vom Antragsteller gegen die angefochtene Auflage eingelegten Widerspruchs derzeit mit Blick auf die tatsächlichen Grundlagen der strafrechtlichen Würdigung als offen ansehen wollte. Der Senat folgt auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss (vgl. S. 11 bis 13 des Beschlussabdrucks) und macht sie sich zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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IV. Hinsichtlich der nach §§ 4753 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG zu bemessenden Streitwerthöhe legt der Senat die nicht angegriffene Festsetzung des Verwaltungsgerichts zugrunde.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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