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Rechtsurteile

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Befreiung vom Schwimmunterricht (veraltete Rechtsprechung)

Die Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht aufgrund islamisch religiöser Kleidungsvorschriften beeinträchtigt nicht den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag in einem solchen Maße, dass die Befreiung versagt werden könnte. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsatz:

Ein besonderer Ausnahmefall iSd § 11 Abs 1 S 1 ASchO (SchulO NW), der eine Befreiung vom Unterricht rechtfertigen kann, ist in verfassungskonformer Auslegung jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Durchsetzung der Teilnahmepflicht an einer bestimmten Unterrichtseinheit grundrechtlich geschützte Positionen des Kindes und/oder seiner Eltern verletzen würde; hier: Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht in der Grundschule im Hinblick auf Bekleidungsvorschriften des Koran.

 

Zum Sachverhalt:

 

Die Kläger sind türkische Staatsangehörige islamischer Religionszugehörigkeit. Ihre 1980 geborene Tochter besucht eine Realschule. Die Kläger beantragten, ihre Tochter vom koedukativen Schwimmunterricht zu befreien, weil sie sich als überzeugte, ihren Glauben auch sonst praktizierende Muslime im Hinblick auf die Bekleidungsvorschriften des Koran vor dem Gewissen gehindert sähen, ihrer Tochter die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht zu erlauben. Die beklagte Schulaufsichtsbehörde lehnte eine Befreiung ab. Die Klage der Eltern hatte Erfolg, die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

 

Gründe:

1

Die Weigerung des Beklagten, die Tochter N. der Kläger vom Schwimmunterricht in der Grundschule zu befreien, war rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG iVm Art. 6 Abs. 2 GG. Die Kläger konnten die beantragte Befreiung beanspruchen, weil ein besonderer Ausnahmefall im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 ASchO gegeben war, der den Beklagten zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtete.

2

Zwar besteht im Lande Nordrhein-Westfalen allgemeine Schulpflicht (Art. 8 Abs. 2 LV), die den Schüler gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 ASchO unter anderem verpflichtet, regelmäßig und pünktlich am Unterricht und an den sonstigen für verbindlich erklärten Schulveranstaltungen teilzunehmen; die Eltern haben für die Erfüllung dieser Pflicht Sorge zu tragen (§ 16 Abs. 2 SchPflG). Sport gehört zu den Pflichtfächern der Grundschule […]. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 ASchO kann indes die Schulaufsichtsbehörde in Ausformung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Schüler in einem besonderen Ausnahmefall auf Antrag der Erziehungsberechtigten vom Unterricht in einzelnen Fächern befreien. Diese Vorschrift findet auf alle Fächer, mithin auch auf das Fach Sport Anwendung. Zwar wird in § 11 Abs. 2 ASchO der Sportunterricht beispielhaft im Zusammenhang mit der Befreiung aus gesundheitlichen Gründen angesprochen. Nach Wortlaut, Systematik und Zweck handelt es sich dabei aber lediglich um den für körperliche Beeinträchtigungen häufigsten Anwendungsfall der Befreiung, ohne daß damit eine abschließende Regelung für die Befreiung vom Sportunterricht -- oder wie hier einer Sportart -- getroffen wäre. Vielmehr ist § 11 Abs. 1 Satz 1 ASchO auch für das Fach Sport anzuwenden, wenn die Befreiung aus anderen Gründen als einer körperlichen Beeinträchtigung begehrt wird, […].

3

Entgegen der Auffassung des Beklagten lag ein die beantragte Befreiung rechtfertigender "besonderer Ausnahmefall" iSd § 11 Abs. 1 Satz 1 ASchO vor. Auch wenn dieser unbestimmte Rechtsbegriff, mittels dessen eine Ausnahme von der dem staatlichen Bildungsauftrag entsprechenden allgemeinen Schulpflicht gerechtfertigt werden soll, restriktiv auszulegen ist, ergibt eine verfassungskonforme Anwendung, daß ein "besonderer Ausnahmefall" jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die Durchsetzung der Teilnahmepflicht an einem bestimmten Fach oder einer bestimmten schulischen Veranstaltung eine grundrechtlich geschützte Position des Kindes und/oder seiner Eltern verletzen würde. Im Falle der Kläger mußte der in Art. 7 Abs. 1 GG normierte staatliche Erziehungsauftrag hinter das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und das dieses Recht hier besonders prägende Recht der Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) zurücktreten; damit ist zugleich gesagt, daß ein "besonderer Ausnahmefall" iSd § 11 Abs. 1 Satz 1 ASchO gegeben war.

5

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährt den Eltern das Recht, die Pflege und Erziehung ihrer Kinder nach ihren eigenen Vorstellungen frei und -- vorbehaltlich des Art. 7 GG -- mit Vorrang vor anderen Erziehungsträgern zu gestalten. […]

6

Hierzu gehört auch das Recht der Erziehung der Kinder in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht. […].

8

Auch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vermittelt den Eltern das Recht, ihren Kindern die von ihnen für richtig gehaltene religiöse oder weltanschauliche Überzeugung nahezubringen. […]

10

Andererseits erteilt Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat einen verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrag hinsichtlich der Schulerziehung. Zum staatlichen Gestaltungsbereich, der im Schulwesen den Ländern übertragen ist, gehört nicht nur die organisatorische Gliederung der Schule, sondern auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele. Der Staat kann daher in der Schule grundsätzlich unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen. Der Erziehungsauftrag des Staates ist eigenständig und dem Erziehungsrecht der Eltern gleichgeordnet; weder dem Elternrecht noch dem Erziehungsauftrag des Staates kommt ein absoluter Vorrang zu. […]

12

Da es in einer pluralistischen Gesellschaft faktisch unmöglich ist, bei der weltanschaulichen Gestaltung der öffentlichen Pflichtschule allen Elternwünschen vollständig Rechnung zu tragen, ist davon auszugehen, daß für den einzelnen die Ausübung seines Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Beschränkungen unterliegt. Die dadurch hervorgerufenen Spannungen sind unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Gebots der Toleranz nach dem Prinzip der Konkordanz zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. […]

14

Das hatte hier durch eine "partielle Entpflichtung" […]

16

von der Schulbesuchspflicht der Tochter der Kläger im Wege der Erteilung der beantragten Befreiung vom Schwimmunterricht zu geschehen.

18

Den Klägern war es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verwehrt, sich auf das ihr Elternrecht prägende Grundrecht der Glaubens- und Kultusfreiheit zu berufen. Der Islam ist ein "Glaube", eine "Religion" im Sinne des Art. 4 GG. […]

19

Die Religionsfreiheit ist nicht nur den Mitgliedern anerkannter christlich-abendländischer Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen gewährleistet. Das folgt aus dem für den Staat verbindlichen Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität und dem Grundsatz der Parität der Kirchen und Bekenntnisse. […]

21

Das Grundrecht der Religionsfreiheit umfaßt nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Dazu gehört das Recht des einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Zu der durch Art. 4 Abs. 2 GG gewährleisteten Religionsausübung gehören nicht nur kultische Handlungen und die Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch andere Äußerungen des religiösen Lebens, jedenfalls soweit sie sich im Rahmen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker halten. […]

23

Nicht nur die Befolgung imperativer Glaubenssätze, sondern auch Überzeugungen, die für bestimmte Lebenssituationen eine ausschließlich religiöse Reaktion für das beste und adäquate Mittel halten, um sich dem Glauben entsprechend zu verhalten, sind durch die Glaubensfreiheit geschützt, weil sich anderenfalls die Glaubensfreiheit nicht voll entfalten könnte. […]

25

Davon ausgehend, werden grundsätzlich auch Bekleidungsvorschriften vom Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfaßt. Denn Bekleidungsvorschriften bilden vielfach einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Lebensführung von Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. […]

27

Das Grundrecht der Religionsfreiheit ist ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet. Seine Grenzen dürfen deshalb nur von der Verfassung selbst, d. h. nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsystems gezogen werden. […]

29

Der damit einhergehenden Gefahr einer extensiven Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist dadurch zu begegnen, daß derjenige, der sich darauf beruft, die religiösen oder weltanschaulichen Motive seines Handelns als für ihn verpflichtend darstellen und begründen können muß; auch bedarf es einer ausreichenden Objektivierbarkeit hinsichtlich des Inhalts des als verpflichtend dargestellten religiösen oder weltanschaulichen Gebots […].

31

Die Kläger wissen sich nach ihrem Vortrag verpflichtet zu verhindern, daß sich ihre Tochter in Gegenwart von männlichen Mitschülern in der Weise teilweise entblößt zeigt, wie es zwangsläufig bei ihrer Teilnahme am koedukativ durchgeführten Schwimmunterricht der Fall wäre. Nach der Befragung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung steht es zur Überzeugung des Senats fest, daß sich die Einhaltung einer derartigen Bekleidungsvorschrift, die sie dem Koran entnehmen, für die Kläger nicht lediglich als Frage bloßer Äußerlichkeiten darstellt, sondern für sie in der von ihnen verstandenen Weise einen verbindlichen Teil der personalen und familiären Lebensführung bildet. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt, daß die islamischen Werte, Regeln und Gebräuche seine persönliche Lebensführung und die seiner Familie prägen. Dazu zählten nicht nur Bekleidungsregeln, sondern auch der weitgehend regelmäßige Besuch des Freitagsgebets sowie das strikte Einhalten des Ramadanfastens. Der Koran, und insoweit auch die darin enthaltenen Bekleidungsvorschriften (Sure 24, Vers 31 und Sure 33, Vers 59), stelle sich für ihn als "Gesetz" dar, dem es zu folgen gelte. Die Klägerin hat in ihrer schriftlichen Äußerung vom 10.7.1991 klargestellt, daß sie die religiöse Einstellung ihres Ehemannes teile und es daher nicht hinnehmen könne, daß ihre Tochter an einem Schwimmunterricht teilnehme, der nicht nach Geschlechtern getrennt stattfinde.

33

Die Ernsthaftigkeit der Einstellung der Kläger kann nicht -- wie es der Beklagte tut – mit dem Einwand in Frage gestellt werden, der Koran sei für den gläubigen Moslem, der sich im nicht-islamischen Ausland aufhalte, nicht verpflichtend. Denn abgesehen davon, daß selbst Außenseitern und Sektierern die ungestörte Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß ihren subjektiven Glaubensüberzeugungen gestattet ist, […]

34

betont die Mehrzahl der Koranschulen die Pflicht der gläubigen Muslime, auch im fremden Land die Vorschriften und Anordnungen des islamischen Gesetzes zu befolgen. […]

36

Eine Bewertung dieser Glaubenshaltung oder eine Überprüfung ihrer theologischen Richtigkeit, insbesondere die vom Beklagten vorgenommene Interpretation der dafür einschlägigen Stellen des Koran Sure 24, Vers 31 ist dem Staat und dem staatlichen Gericht verwehrt, […]

38

jedenfalls dann, wenn wie hier die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist. […]

40

Es spielt deshalb auch keine Rolle, ob die von den Klägern aus dem Koran gewonnene Überzeugung, daß Sich-Zeigen in Schwimmkleidung sei nicht nur den Frauen, sondern auch schon den Mädchen verboten, im islamischen Raum allgemein oder nur von Streng-Gläubigen, Orthodoxen bzw. islamischen Fundamentalisten geteilt wird. Außer Betracht zu bleiben hat ferner der Umstand, daß die islamische Kleiderordnung, die u. a. für Frauen den "Hedschab" vorschreibt, d. h. die züchtige Bedeckung von Kopf, Haaren und Schultern, nach westlichen Beurteilungsmaßstäben einseitig zu Lasten der -- heranwachsenden -- Frauen geht, die dadurch in eine Außenseiterrolle in der hiesigen Gesellschaft gedrängt werden können. Denn der gesellschaftlichen Auswirkung der Glaubenshaltung  kommt hinsichtlich der Schutzfähigkeit einer subjektiven religiösen Überzeugung grundsätzlich keine Bedeutung zu. […]

41

Anders ist es nur dann, wenn die subjektive Glaubensüberzeugung und das darauf gegründete Verhalten in Widerspruch zu anderen Wertentscheidungen der Verfassung geraten und dadurch fühlbare Beeinträchtigungen für das Gemeinwesen und die Grundrechte Dritter erwachsen. […]

43

Das wäre indessen durch die mit der beantragten Befreiung erstrebte Nichtteilnahme der Tochter der Kläger am Schwimmunterricht der Grundschule nicht zu befürchten gewesen. Daß dadurch die innerstaatliche Friedensordnung nicht berührt wäre, bedarf keiner weiteren Vertiefung. Aber auch der staatliche Bildungsauftrag oder Grundrechte Dritter, hier insbesondere der Mitschüler der Tochter der Kläger, wären nicht fühlbar beeinträchtigt gewesen.

45

Zwar bildet der Sportunterricht wegen seiner positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Schüler und die Entwicklung der sportlichen Fähigkeiten einen wichtigen Bestandteil des staatlichen Bildungsauftrages (vgl. § 1 Abs. 3 SchOG); hinzu kommt – beim Schwimmen möglicherweise weniger ausgeprägt -- die Einübung sozialen Verhaltens. Der staatliche Bildungsauftrag als solcher wäre indes durch die Befreiung der Tochter der Kläger vom Schwimmunterricht nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden. Die Funktionsfähigkeit der Schule als Bildungseinrichtung wäre durch eine Befreiung vom Sportunterricht im Einzelfall nicht beeinträchtigt gewesen. Besondere, durch die Befreiung der Tochter N. der Kläger begründete organisatorische Schwierigkeiten sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Soweit es zum staatlichen Bildungsauftrag gehört, die im Grundgesetz verankerten Rechte im Unterricht zu vermitteln, wäre dieser Auftrag nicht etwa deshalb in Frage gestellt gewesen, weil die Beweggründe für die Nichtteilnahme der Tochter der Kläger am Schwimmunterricht nach hiesigem Verständnis mit der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht zu vereinbaren sind. Im Gegenteil hätte der "Fall" der Kläger Anlaß geben können, den Schülern den Inhalt des Art. 3 Abs. 2 GG zu verdeutlichen.

46

Durch die Nichtteilnahme der Tochter N. der Kläger am Schwimmunterricht wären die Durchführung dieser Unterrichtsveranstaltung für die übrigen Schüler und damit deren Bildungsanspruch in der Sportart Schwimmen nicht gefährdet gewesen. Denn im Hinblick auf die beantragte vollständige Befreiung hätte nicht die Gefahr bestanden, daß die Mitschüler auf die Tochter der Kläger hätten Rücksicht nehmen müssen, wie es etwa der Fall gewesen wäre, wenn sie nach einer befristeten Befreiung in den Schwimmunterricht zurückgekehrt wäre.

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Schließlich wäre auch die Möglichkeit der Erlangung eines vollwertigen Schulabschlussesdurch die Tochter der Kläger nicht entscheidend berührt worden. Zwar sieht die Stundentafel für die Grundschule ein Sportangebot von drei Wochenstunden vor. Abgesehen davon, daß diese Vorgabe nicht zwingend ist (vgl. § 7 Abs. 1 AO-GS), ging es hier nicht darum, die Tochter der Kläger vom Sportunterricht insgesamt zu befreien. Es entspricht im übrigen der Schulwirklichkeit, daß Schwimmunterricht nicht durchgängig über alle Klassen hinweg angeboten werden kann; so war es auch im Fall der Tochter der Kläger, die erst im Verlaufe der Klasse 3 der Grundschule mit dem Angebot des Schwimmunterrichts konfrontiert worden war. Schließlich fällt in diesem Zusammenhang weiter ins Gewicht, daß § 11 Abs. 2 ASchO die -- grundsätzlich auch unbefristet mögliche – Befreiung vom Sportunterricht insgesamt nicht ausschließt; diese Bestimmung belegt mithin, daß der Durchführung des Sportunterrichts im Rahmen der Gewährleistung des staatlichen Bildungsauftrages jedenfalls keine so wesentliche Bedeutung für den einzelnen Schüler beizumessen ist, daß seine Befreiung ausgeschlossen wäre. Schließlich ist zwar die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß die Tochter N. der Kläger wegen ihrer Nichtteilnahme am Schwimmunterricht innerhalb des jeweiligen Klassenverbandes in eine Außenseiterrolle gedrängt werden könnte, die sich auf ihre Gesamtpersönlichkeit vielleicht nachteilig auswirken kann. Diese mögliche Folge konsequenter Religionsausübung muß sie aber hinnehmen, wenn sich ihre Eltern für sie auf die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung berufen.

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Unterrichtsgestaltungen, die den von den Klägern dargelegten Glaubenskonflikt hätten vermeiden helfen, sind vom Beklagten nicht geltend gemacht oder sonst wie ersichtlich. Es kam somit nur eine Befreiung in Betracht. Zwar stand deren Erteilung im Ermessen des Beklagten, doch hatte sich hier der Handlungsspielraum der Schulaufsichtsbehörde auf dem Hintergrund des dargestellten Spannungsverhältnisses von staatlichem Bildungsauftrag einerseits und elterlichem, an der Glaubensfreiheit orientierten Erziehungsrecht andererseits derart verdichtet, daß nur die Erteilung der beantragten Befreiung ermessensgerecht gewesen wäre.

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