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Rechtsurteile

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"Mohammed-Karikaturen" vor der Moschee

Für den Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflage i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG und der damit einhergehenden Beschränkung der Versammlungsfreiheit muss dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig sein und es müssen erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Hierbei müssen die jeweiligen Grundrechte der Religionsfreiheit und der Kunstfreiheit in praktischer Konkordanz gegeneinander abgewogen werden. (Leitsatz der Redaktion)


Beschluss:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen. [...]

 

Gründe:

 

Die Beschwerde der Antragsteller, zu denen nunmehr auch die in der Beschwerdeschrift namentlich näher bezeichneten Vorstandsmitglieder der bisher im Aktivrubrum aufgeführten Antragsteller hinzugetreten sind, ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, das für die Prüfung des angefochtenen Beschlusses maßgeblich ist (§ 146 Abs. 4 S. 3 u. 6 VwGO), rechtfertigt eine Änderung der Entscheidung nicht.

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Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der „Bürgerbewegung P...“ als Anmelderin und den Teilnehmern der Kundgebungen am 18. August 2012 vor der A... in Wedding (12.00 h), vor der A... in Neukölln (14.00 h) und vor der Neuköllner Begegnungsstätte (...16.00 h) eine Auflage zu erteilen, die das Zeigen der sogenannten „MohammedKarikaturen“ während der Kundgebungen untersagt, hilfsweise, das Zeigen dieser Karikaturen in Sichtweite der Moscheen und der Zugangswege zu diesen zu untersagen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es erscheine bereits zweifelhaft, ob die Antragsteller überhaupt antragsbefugt seien. Jedenfalls seien die Anträge unbegründet. Eine Vorwegnahme der Haupt­sacheentscheidung im Wege des § 123 Abs. 1 VwGO komme mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur in Ausnahmefällen, und zwar nur dann in Betracht, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei und dem Rechtsschutzsuchenden schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Bereits ein Anordnungsanspruch sei mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit hier nicht glaubhaft gemacht worden (§ 123 Abs. 1 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), denn den Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG könnten die Antragsteller nicht mit Erfolg verlangen. Die Versammlungsfreiheit habe nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergebe, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig sei. Weiterhin müssten zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung "erkennbare Umstände" dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, was nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraussetze; bloße Vermutungen reichten nicht aus. Hiernach fehlte es bereits an der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die Voraussetzung für den Erlass einer Auflage seien, denn es stehe nicht fest, dass das Zeigen der „Mohammed­Karikaturen“ strafrechtlich relevant sei. Für die Erfüllung des Straftatbestandes des § 166 StGB fehle es erkennbar an einer „Beschimpfung“ im Sinne des Verächtlichmachens des religiösen Bekenntnisses. Zudem sei zu beachten, dass die Karikaturen unter die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG fielen, was der Verwirklichung des Straftatbestandes zusätzlich entgegenstehe. Ebenso wenig sei anzunehmen, dass allein durch das Zeigen der Mohammed­Karikaturen zum Hass oder zu Gewaltmaßnahmen gegen einzelne Bevölkerungsgruppen aufgefordert werde und damit der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllt wäre. Schließlich sei der Umstand, dass die Verbreitung der Karikaturen „international äußerst umstritten“ sei, wie die Antragsteller im Einzelnen ausführten, keine hinreichende Tatsachengrundlage, um hier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung anzunehmen. Schließlich stünde der Erlass einer Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG im pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners, und Gründe, die hier zwingend eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit geböten und damit für eine Ermessenreduzierung auf Null sprächen, seien nicht ersichtlich.

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Die Beschwerde enthält nichts, was diese Begründung durchgreifend in Frage stellen würde. Den zutreffenden rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts, wonach der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nur in Betracht kommt, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, und die Versammlungsfreiheit im Wege einer Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG nur zurückzutreten hat, wenn dies zum Schutze anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist, was bedeutet, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen müssen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, beanstandet die Beschwerde nicht. Soweit sie allein geltend macht, ein Zeigen der „MohammedKarikaturen“ sei „durchaus strafrechtlich relevant“, denn es fehle keineswegs an einer „Beschimpfung“ im Sinne von § 166 StGB, begründet dieses Vorbringen den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung – auch mit dem Hilfsbegehren nicht. Zum einen vermag der Senat im Rahmen der ihm vorliegenden – hier nur eingeschränkten – Erkenntnismöglichkeiten nicht zu sehen, dass eine Darstellung der hier interessierenden Karikaturen, zumal im Rahmen einer öffentlichen, auf Meinungsdarstellung und entsprechende Kommunikation des fraglichen Anliegens zielenden Versammlung, ein Beschimpfen i.S.v. § 166 StGB schon dem Wortlaut nach erfüllen sollte. [...] Zum anderen und insbesondere setzt sich die Beschwerde nicht mit der Feststellung des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach die fraglichen Karikaturen unter das Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG fallen. Dieser – im Übrigen nicht zu beanstandenden – Einordnung muss sowohl bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals „Beschimpfen“ in § 166 StGB Rechnung getragen werden [...] wie auf Verfassungsebene bei der Frage, wie hier die Abwägung und Vornahme praktischer Konkordanz zwischen dem von den Antragstellern in Anspruch genommenen Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und den Grundrechten auf Versammlungs und Kunstfreiheit andererseits (Art. 8 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 GG) vonstattengehen soll. Entsprechendes wird (auch) mit der Beschwerde nicht ansatzweise geleistet; dass sich hier die Religionsfreiheit der Antragsteller einfachrechtlich in der Weise durchsetzen würde, dass die Darstellung der fraglichen Karikaturen unter Hintanstellung der Versammlungssowie der Kunstfreiheit auf Seiten der Teilnehmer der angestrebten Versammlung in der den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erzwingenden Weise sich als Straftat im Sinne von § 166 StGB darstellen würde, drängt sich dem Senat auch sonst nicht auf. [...]

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