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Rechtsurteile

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Voraussetzungen des Morgengabeanspruches nach iranischem Recht

Das Entstehen eines Morgengabeanspruchs richtet sich gem. Art. 14 I Nr.1 EGBGB dann nach dem ausländischen Ehe- und Scheidungsrecht, wenn beide Ehegatten bei Zustandekommen einer solchen Vereinbarung ausschließlich Staatsangehörige des ausländischen Staates waren. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsätze:

1. Die Beurteilung eines Anspruchs auf Leistung einer Braut- bzw. Morgengabe richtet sich auch dann nach dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung angehörten, wenn einer von ihnen noch Angehöriger dieses Staates ist.

2. Zu den Voraussetzungen des Entstehens und Erlöschens eines Braut- bzw. Morgengabeanspruchs nach iranischem Recht.

 

Beschluss:

Die Beschwerde des Antragsgegners vom 29.11.2015 gegen den am 18.09.2015 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main [...] wird auf seine Kosten zurückgewiesen [...]

 

Gründe:

I.

 

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von 600 Bahare-Azadi-Goldmünzen an die Antragstellerin.

1

Die Beteiligten waren seit ...2003 miteinander verheiratet und leb(t)en seit ...2010 getrennt. Die Eheschließung fand statt in Stadt1/Iran. [...]

2

Die Antragstellerin zog mit ihren Eltern in ihrer Kindheit [...] nach Deutschland [...]. Nach der Eheschließung nahm sie 2004 oder 2005 die deutsche Staatsbürgerschaft an; bis dahin besaß sie die iranische Staatsangehörigkeit.

3

Am ...2003 heiratete sie nach ein oder zwei "Kennenlerntreffen" im Iran den Antragsgegner [...], der bis dahin bei seinen Eltern im Iran lebte, dort die Schule besuchte und einige Monate (Oktober 2003) nach der Eheschließung nach Deutschland zur Antragstellerin verzog. Im Zuge der Eheschließung wurde eine mehrseitige Eheurkunde aufgestellt, in der die Beteiligten jeweils ca. 21-mal ihre Unterschrift leisteten [...]. Auf einer Seite verpflichtet sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin eine Morgengabe (mahr) von 600 Ein-Bahare-Azadi-Goldmünzen zu entrichten; allein diese Seite wurde von beiden Beteiligten je zweimal mit ihrem jeweiligen Namenszug (unter-)schrieben [...]. Die Echtheit der Eheurkunde und der Unterschriften der Beteiligten steht inzwischen nicht (mehr) in Streit [...]. Der Antragsgegner hat(te) durchgängig die iranische Staatsangehörigkeit.

4

Nennenswertes Vermögen besaßen die Beteiligten weder zur Eheschließung noch heute [...].

5

Mit Schriftsatz vom 21.06.2013, zugestellt am 26.07.2013, beantragte zunächst der Antragsgegner die Ehescheidung. In einem Termin vom 17.04.2015 erklärte die Antragstellerin, sie würde einem Scheidungsantrag des Antragsgegners zustimmen und auch auf die Morgengabe verzichten; auf Vorhalt des Antragsgegnervertreters, dass ein Morgengabeverzicht nach iranischem Recht anwaltlich bestätigt sein muss, erklärte die Antragstellerin, dass sie keinen Anwalt beauftragen wolle [...].

6

Mit Schriftsatz vom 27.05.2015 beantragte die Antragstellerin - nun doch anwaltlich vertreten - ebenfalls die Scheidung der Ehe sowie - im Wege der Folgesache, die Verurteilung des Antragsgegners zur Herausgabe von 600 der genannten Goldmünzen, hilfsweise € 163.305, 64 Schadenersatz [...].

7

In einer anschließenden mündlichen Verhandlung vom 28.08.2015 [...], beantragte nur die Antragstellerin die Ehescheidung, wobei der Antragsgegner nicht zustimmte. [...]

8

Infolge dieses Termins zur mündlichen Verhandlung verkündete das Familiengericht am 18.09.2015 einen Beschluss, in dem es die Ehe der Beteiligten unter Anwendung deutschen Sachrechts schied, den Versorgungsausgleich durch Teilung beiderseitiger Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung (mit einem höheren Ausgleichswert zu Gunsten des Antragsgegners) durchführte und dem Antragsgegner gebot, an die Antragstellerin binnen eines Monats ab Rechtskraft der Entscheidung 600 Ein-Bahare-Azadi-Goldmünzen bzw. nach Ablauf dieser Frist € 163.305,68 zu zahlen. [...]

9

Während der Antragsgegner weiterhin unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Zurückweisung des (Folgesachen-)Antrages der Antragstellerin begehrt, verteidigt diese dieselbe uneingeschränkt. [...]

10

Der Antragsgegner behauptet nunmehr, es sei übereinstimmender Wille mit der Antragstellerin gewesen, dass die Morgengabevereinbarung nur zum Scherz und nicht ernstlich abgeschlossen werde. Zuvor hatte der Antragsgegner behauptet, in die Vereinbarung nicht eingebunden gewesen zu sein und diese nicht abgeschlossen zu haben. Er erachtet sie aus diversen Gründen für unwirksam, meint, die Antragstellerin habe am 17.04.2015 verzichtet, wobei das Protokoll falsch erstellt worden sei, und macht hilfsweise eine Anpassung geltend. [...]

II.

11

Die Beschwerde ist zulässig. [...]

Die Beschwerde ist unbegründet.

Den Anträgen der Antragstellerin begegnen keine Zulässigkeitsbedenken. [...]

12

13

14

Da der Ausspruch des Familiengerichts zu Scheidung und Versorgungsausgleich aber nicht von den Beteiligten angefochten wurde, so dass dieser Wirksamkeit erlangte, § 148 FamFG, kann auch die Folgesachenentscheidung Wirksamkeit erlangen. Das Verfahren unterscheidet sich daher nicht mehr von dem eines isolierten Vorgehens [...].

15

Die Antragstellerin hat Anspruch auf die 600 Goldmünzen - hilfsweise Schadenersatz über € 163.305,68 -, da zu ihren Gunsten ein Anspruch dem Grunde und der Höhe nach besteht aus der Vereinbarung der Beteiligten anlässlich der Eheschließung, dieser Anspruch nicht erloschen ist, z.B. durch Erlass, und ggf. dieser Anspruch sich in einen Schadenersatzanspruch o.ä. wandelt. [...]

16

Das Entstehen eine solchen Anspruchs richtet sich nach iranischem Sachrecht, da beide Beteiligten bei Zustandekommen einer solchen Vereinbarung iranische Staatsangehörige waren. Zwar findet das Deutsch-Iranische Niederlassungsabkommen vorliegend keine Anwendung (mehr), da die Beteiligten nun nicht mehr beide eine gemeinsame Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten besitzen [...]. Aber nach der Rechtsprechung des BGH [...] bestimmt eine Vereinbarung über eine Morgengabe die allgemeinen Wirkungen der Ehe mit, unterfällt also ihr Entstehen und ihr weiteres rechtliche Schicksal dem Ehewirkungsstatut der Ehegatten. [...] Dies führt vorliegend zunächst zur Anwendbarkeit iranischen Rechts, weil die Beteiligten zur Zeit der Eheschließung 2003 beide die iranische Staatsangehörigkeit besaßen, Art. 14 I 1 1. Alt. EGBGB. [...]

17

Die Modalitäten der Entstehung der geltend gemachten Verpflichtung und ihrer ggf. Veränderung unterliegen daher ausschließlich iranischem Recht [...].

18

Nach § 1080 ZGB-Iran haben die Ehegatten die Verpflichtung, eine Einigung über die Höhe des mahr vor/bei der Eheschließung zu erzielen; diese Einigungsverpflichtung besteht auch nach Eheschließung fort, § 1087 S. 1 ZGB-Iran. Nach Vollzug der Ehe hat die Ehefrau bei ausgebliebener Einigung zur Höhe einen Anspruch auf ein übliches mahr, § 1087 S. 2 ZGB-Iran. Die Einigung der Ehegatten kann auch dahingehen, die Bestimmung der Höhe eines mahr einem von ihnen oder einem Dritten zu überlassen, § 1089f. ZGB-Iran. Die Vereinbarung zur Höhe des mahr ist von der Wirksamkeit der Eheschließung komplett unabhängig [...].

19

Gesichtspunkte des deutschen ordre public gemäß Art. 6 EGBGB stehen einer Anwendung der iranischen Vorschriften über die Morgengabe nicht entgegen. [...]

20

Die Höhe des auf § 1078 ff. ZGB-Iran basierenden Anspruchs der Antragstellerin auf Zahlung einer Morgengabe über 600 Bahare-Azadi-Münzen ergibt sich aus dem von beiden Beteiligten unterzeichneten notariellen Ehevertrag vom ...2003. Dieser Vertrag ist von beiden Beteiligten mittels Unterschrift geschlossen worden, wie auch der Antragsgegner am 24.02.2016 bestätigte.

21

Weder bestehen gegen dessen Wirksamkeit Bedenken noch hat die Antragstellerin später auf ihre Ansprüche verzichtet.

22

Der Vortrag des Antragsgegners, bei der Hochzeit sei es Konsens der Beteiligten gewesen, dass es sich um keine ernstliche Vertragserklärungen handele, ist in sich widersprüchlich und damit unbeachtlich, unabhängig davon, ob es eine den §§ 117, 118 BGB vergleichbare Bestimmungen im iranischen Recht gibt. [...] Der fehlenden Ernstlichkeit steht auch entgegen, dass nach dem anzuwendenden iranischen Sachrecht - wie ausgeführt - eine Verpflichtung der Ehegatten besteht, den von Gesetzes wegen gegebenen Anspruch auf ein mahr mittels einer Vereinbarung der Höhe nach zu bestimmen. [...]

23

Den Abschluss eines wirksamen Verzichtsvertrages hat der Antragsgegner nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Unabhängig davon, dass der Anspruch der Ehefrau von Gesetzes wegen zusteht und dem Grund nach keiner vertraglichen Abrede zugänglich ist, ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin eine Erklärung abgab, dass dieser Anspruch untergehen solle. Dies betrifft insbesondere ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2015, sie möchte die Scheidung und würde einem Scheidungsantrag des Antragsgegners zustimmen und auch auf die Morgengabe verzichten. Bereits aus dem Wortlaut wird deutlich, dass die Antragsgegnerin keinen endgültigen Verzicht zu diesem Zeitpunkt wollte, zumal dann nicht, wenn nicht unmittelbar die Scheidung ausgesprochen wird, was nicht erfolgte. [...]

24

Dass die Beteiligten ein "Lösegeld" im Sinne der §§ 1146, 1147 ZGB-Iran vereinbarten, ist ebenfalls nicht erkennbar, zumal der Antragsgegner selbst nicht unmittelbar zu erkennen gab, die Antragstellerin aus der Ehe entlassen zu wollen. [...]

25

[...] Zwar ist vorliegend unstreitig, dass die Ehe der Beteiligten letztlich aufgrund des Antrages der Antragstellerin geschieden wurde, dies allein rechtfertigt aber nicht eine Kürzung, weil auch dann noch ihr Scheidungsantrag infolge ggf. bestehender vertraglicher, § 1119 ZGB-Iran, bzw. gesetzlicher, §§ 1129f. ZGB-Iran, Tatbestände nach iranischem Scheidungsrecht begründet gewesen sein könnte.

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Der Forderung des mahr steht auch nicht § 1101 ZGB-Iran entgegen, wonach die Ehefrau für den Fall, dass eine Eheschließung vor dem Geschlechtsverkehr aus irgendeinem Grund aufgelöst wird, im Grundsatz keinen Anspruch auf ein mahr hat. Denn es handelt sich um eine Einwendung des Ehemannes; hierfür ist er aber darlegungsfällig geblieben. Zum ggf. ausgebliebenen Vollzug der Ehe ist seinerseits nichts vorgetragen. Der Charakter der Vorschrift als Einwendung ergibt sich dabei aus § 1082 ZGB-Iran, wonach die Ehefrau nach der Eheschließung (und ohne Berücksichtigung eines etwaigen Vollzugs der Ehe) Eigentümerin des mahr wird, also mit der Eheschließung sofortige Fälligkeit eintritt. [...]

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Die Antragstellerin kann hilfsweise unter den Voraussetzungen der §§ 113 I 2 FamFG, 255 I , 259 ZPO vom Antragsgegner Wertersatz über € 163.305,68 verlangen. [...]

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