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Rechtsurteile

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Die Brautgabe, der Ehevertrag und das Grundgesetz

Eine Brautgabe, die für den Vollzug der Ehe vereinbart ist, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Vor allem steht eine solche Abrede in Widerspruch mit dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG und mit der Freiheit der Eheschließung. (Leitsatz der Redaktion)


Orientierungssatz:

Die Abrede eine sog. Morgengabe zu zahlen ist, wegen der enthaltenen Verpflichtung für den Vollzug der Ehe zu zahlen, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

 

Beschluss:

Der Antrag wird zurückgewiesen. […]

 

Gründe:

I.

 

Die Antragstellerin und der Antragsgegner schlossen am 16.09.1999 die Ehe. Die Eheschließung erfolgte in X-Stadt im Iran. Anlässlich der Eheschließung vereinbarten die Beteiligten als Brautgabe einen Betrag von 100.262 Rial, einen Koran, 100.000.000 Rial als Brautgeld, zwei Anteile eines Hauses, 650 Azadi Goldmünzen und 100 Meshgal Gold. Die Vereinbarung hielten die Beteiligten in einer notariellen Heiratsurkunde fest. Die Zahlungsverpflichtung sollte mit der Eheschließung und unabhängig von der Bedürftigkeit entstehen. Die Parteien waren sich einig, dass Sinn und Zweck dieser Brautgabe sein sollte, dass sie für die Erfüllung der ehelichen Pflichten, mithin den Vollzug der Ehe und die Versorgung der Ehefrau nach der Trennung gezahlt wird. Entsprechend gingen die Beteiligten davon aus, dass ein Anspruch nicht entstehe, wenn die Ehe nicht vollzogen wird. Die Beteiligten waren sich weiter bewusst, dass die Verpflichtung auch im Falle der Scheidung bestehen solle. Ihnen war bekannt, dass der Anspruch regelmäßig im Falle der Scheidung geltend gemacht wird, zudem, dass es üblich, entsprechende Verträge zu schließen, unabhängig von dem Einkommen der Eheleute. Schließlich wussten sie, dass der Anspruch auf Leistung der Brautgabe im Iran regelmäßig durchgesetzt werde. Häufig führe diese zu Gefängnisaufenthalten (Ersatzhaft).

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Die Ehe der Beteiligten wurde geschieden.

Der Wert der 650 Azadi Goldmünzen und 100 Meshgal Gold liegt bei insgesamt über 180.000,00 €.

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Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner zu verurteilen, an die Antragstellerin 650 Azadi Goldmünzen und 100 Meshgal Gold zu zahlen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner behauptet, er habe den Anspruch durch Übergabe von Schmuck und Grundstücksteilen überobligatorisch erfüllt. Er ist ferner der Ansicht, es sei nach iranischem Recht ein Ehebruch zu berücksichtigen, welcher seine Leistungspflicht ausschließe. Schließlich handele es sich nicht um ein ernstgemeintes Versprechen.


II.

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Der Antrag ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch aus dem bezeichneten Vertrag.

Der Vertrag ist, wegen der Verpflichtung für den Vollzug der Ehe zu zahlen, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Abrede, eine hohe Geldsumme für den Vollzug der Ehe zu zahlen, entspricht nicht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und widerspricht somit den guten Sitten.

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Im Einzelnen:

Die Brautgeldabrede ist dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG sowie mit dem Grundsatz der Freiheit der Eheschließung nicht in Einklang zu bringen. Art. 6 GG ist dabei Ausdruck und Beleg des Grundgedankens der bestehenden Werteordnung, er konkretisiert diese. Die auf diese Weise festgehaltene Freiheit der Eheschließung besteht als Freiheit in der Ehe fort und umfasst auch das Leben und Zusammenleben der Eheleute in der Ehezeit.

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Diese Freiheit konkurriert mit dem ebenfalls vom Grundgesetz geschützten und der objektiven Werteordnung zugrundeliegende Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Sitten. Die Freiheit ist mit dieser in Einklang und einen Ausgleich zu bringen. Dabei darf keiner der Werte derart zurückgedrängt werden, dass er faktisch nicht mehr besteht. Mit anderen Worten, werden die in Art. 6 ausgedrückten Freiheit erheblich beeinträchtigt, so kann und muss die entgegenstehende Gepflogenheit zum Erhalt der Freiheit zurückgedrängt werden (vgl. OLG Hamm, 18 U 88/10; Bemerkung: die Fallkonstellation des OLG Hamm ist anders gelagert, insofern nicht gleichzusetzten).

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Durch den in Aussicht gestellten Erhalt von Geldsummen oder auch die in Aussicht gestellte Haftung für Geldsummen bei Vollzug oder nicht Vollzug der Ehe, wird die Freiheit in der Ehe erheblich eingeschränkt. Diese Einschränkung entspricht daher nicht den guten Sitten. Die Geldforderung kann daher nicht als wirksam betrachtet werden. Bei dieser Entscheidung und vorzunehmenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass eine Geldforderung bereits abstrakt geringer wertig ist als die eheliche Freiheit und die Freiheit beim ehelichen Zusammenleben. Auch in der konkreten Abwägung kann ihre wichtige Bedeutung, die Ehefrau abzusichern, diese Freiheit aus Art. 6 GG nicht übersteigen. Das bestehende Rechtssystem hält eine Vielzahl von Instrumenten bereit, welche den Ehepartner verpflichten auch nach der Ehescheidung für den Partner zu sorgen. Es besteht mithin auch kein praktisches Erfordernis den Wert der Brautgeldabrede höher anzusetzen als erfolgt.

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Die Vereinbarung widerspricht schließlich der Freiheit der Ehescheidung. Das Recht, frei und unabhängig von äußeren Einflüssen darüber zu entscheiden, wann man sich trennen möchte um die Voraussetzungen für eine Scheidung zu schaffen, bzw., wann man die staatliche Ehe beenden möchte, wird zwar nicht von Art. 6 GG geschützt, es stellt jedoch auch ein Freiheitsrecht der objektiven Werteordnung dar und findet einfachgesetzliche Ausprägung. Durch die Inaussichtstellung einer folgenschweren Haftung bei Scheidung wird diese Freiheit erheblich eingeschränkt. Unstreitig wird der zuvor entstandene Anspruch regelmäßig im Falle der Scheidung geltend gemacht. Die Aussicht, dass mit der Scheidung ein hoher Geldbetrag zu zahlen ist, schränkt die Freiheit des Verpflichteten ein.

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Soweit die Antragsteller-Vertreterin § 1300 a.F. BGB anführt und erklärt, dass der Gedanke, dass unbescholtene Verlobte von ihrem Verlobten, welchem sie die Beiwohnung erlaubten, Schadensersatz verlangen können, dem deutschen Recht nicht fremd sei, daher ein Aufwiegen mit Geld als möglich anzusehen sei, ist anzumerken, dass die Norm nach überwiegender und richtiger Auffassung bereits vor Abschaffung verfassungswidrig war. […]

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