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Rechtsurteile

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Bei der Ehe im Iran versprochene Morgengabe

Der Anspruch auf die im Iran geschlossene Morgengabevereinbarung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil den Ehemann nach der Scheidung nacheheliche Unterhaltspflichten und der gesetzliche Zugewinn- und Versorgungsausgleich treffen, denn diese kann er durch die Berufung auf die fehlende Bedürftigkeit der geschiedenen Ehefrau (§ 1577 BGB) und einer Zugewinnausgleichsforderung der geschiedenen Ehefrau die Morgengabe als Vorausempfang (§ 1308 BGB) geltend machen. (Leitsatz der Redaktion)


Leitsätze:


1. Vor deutschen Gerichten ist die von einem (auch) deutschen Staatsbürger seiner iranischen Braut bei der Eheschließung im Iran versprochene Morgengabe nach deutschem Recht zu beurteilen.

2. Das Versprechen einer Morgengabe von 414 Bahaar-Azadi-Goldmünzen im Wert von umgerechnet mehr als 94.000 € ist nicht sittenwidrig, wenn es den Ehemann nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht krass überfordert.

3. Die Geschäftsgrundlage eines solchen Versprechens ändert sich nicht allein durch den Umzug der Eheleute nach Deutschland und ihre Scheidung nach nicht mehr kurzer Ehedauer.

4. Das Versprechen hält auch der Ausübungskontrolle stand, wenn die Morgengabe bei den Ansprüchen auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt berücksichtigt und dadurch eine einseitige Belastung des Ehemannes durch Kumulation wirtschaftlicher Scheidungsfolgen vermieden werden kann.

5. Minderungs- oder Anpassungsgründe des fremden Rechts, die in der ehevertraglichen Vereinbarung keinen Ausdruck gefunden haben, können nicht herangezogen werden, um den Umfang einer nach deutschem Recht eingeforderten Morgengabe zu korrigieren.

 

Beschluss:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln [...] wird zurückgewiesen. [...]

 

Gründe:

I.

 

Die [...] Antragstellerin besitzt die iranische der [...] Antragsgegner, der seit 1980 in Deutschland lebt, hier Elektrotechnik studiert und eine Ausbildung zum EDV-Kaufmann und Kommunikationselektroniker abgeschlossen hat, die iranische und seit 2006 die deutsche Staatsangehörigkeit. Am 01.04.2009 schlossen die Beteiligten vor einem Heiratsnotariat in Teheran die Ehe. Urkundlich wurde, von beiden unterzeichnet, eine Morgengabe von (einem Band des heiligen Koran, einem Spiegel und einem Paar Kerzenständern sowie) 414 Goldmünzen der Sorte Bahaar-Azadi vereinbart. Die Antragstellerin war im Iran bereits einmal verheiratet; auf die Morgengabe von 214 Goldmünzen hatte sie bei der Scheidung im Oktober 2008 verzichtet. Im September 2009 übersiedelte sie, wie beabsichtigt, zum Antragsgegner nach Deutschland.

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Anfang 2013 trennten sich die Beteiligten. Im Oktober 2013 verlangte die Antragstellerin, die mit der am 02.07.2010 geborenen gemeinsamen Tochter S weiterhin in dem vom Antragsgegner 2004 zu Alleineigentum erworbenen Einfamilienhaus (Reihenhaus) in K lebt, die Aushändigung der Goldmünzen. Im Januar 2014 leitete sie das vorliegende Verfahren ein. Ende März 2014 trat der Antragsgegner nach halbjähriger Arbeitslosigkeit eine neue Arbeitsstelle als Systemadministrator in G an. Im Juni (zugestellt im August) 2014 beantragte die Antragstellerin die Scheidung. Seit dem 02.03.2015 sind die Beteiligten rechtskräftig geschieden [...].

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Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin 414 Bahaar-Azadi-Goldmünzen zu übergeben bzw. nach fruchtlosem Ablauf einer dreiwöchigen Frist ab Rechtskraft zur Erfüllung dieser Verpflichtung an die Antragstellerin 94.338,18 € nebst Zinsen zu zahlen, was dem Wert der Münzen zum 15.10.2013 entspricht.

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Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er meint, die Einbeziehung der Morgengabe in das deutsche Recht führe dazu, dass die Antragstellerin hinsichtlich der Scheidungsfolgen ungerechtfertigt bereichert, er selbst – obwohl deutscher Staatsangehöriger – dagegen gleichheitswidrig benachteiligt werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Antragstellerin nach iranischem Recht keine Morgengabe zustehe, weil sie die Scheidung beantragt habe.

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Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit sorgfältiger Begründung, auf die der Senat zustimmend Bezug nimmt, hat das Familiengericht den verfahrensgegenständlichen Anspruch nach deutschem Sachrecht beurteilt und den Antragsgegner zur Übergabe der versprochenen 414 Bahaar-Azadi-Goldmünzen sowie für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der antragsgemäß gesetzten Erfüllungsfrist zum Schadensersatz [...] verpflichtet. [...]

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2. Die von der Antragstellerin verlangte Entrichtung einer im Iran vereinbarten Morgengabe unterliegt – wie vom Familiengericht richtig ausgeführt – deutschem Sachrecht.

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a) Das tief im islamischen Recht verwurzelte Rechtsinstitut der Morgen- oder Brautgabe ist kollisionsrechtlich als allgemeine Wirkung der Ehe gemäß Art. 14 EGBGB zu qualifizieren [...]. In der Regel – so auch im Streitfall – beruht sie auf einer ehevertraglichen Zusage. [...]

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3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann der Antragsgegner die Erfüllung seiner Zusage nicht mit der Begründung verweigern, dass die Antragstellerin bei Anwendung deutschen Rechts auf die Scheidung und deren Folgen um den Anspruch auf Leistung der Morgengabe ungerechtfertigt bereichert sei (§§ 812, 821 BGB). Die den Rechtsgrund seiner Verbindlichkeit bildenden ehevertraglichen Absprachen sind weder nichtig noch mit dem Umzug der Antragstellerin nach Deutschland hinfällig geworden.

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a) Bedenken gegen die Formwirksamkeit (§ 125 BGB) des im Iran vor einem Notar unter Zeugen abgegebenen und von den Beteiligten unterschriebenen ehevertraglichen Versprechens hat der Senat ebenso wenig wie das Familiengericht. [...]

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b) Gleiches gilt für den vom Familiengericht zu Recht als unerheblich angesehenen Einwand des Antragsgegners, dass er die Heiratsurkunde vor Eintragung der Zahl der Goldmünzen blanko unterschrieben und das beurkundete Versprechen erkennbar nicht ernst gemeint habe (§ 118 BGB). [...]

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c) Die Vereinbarung der Morgengabe ist auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). [...] Soweit es sich um Scheidungsfolgenregelungen handelt, wird im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB insbesondere geprüft, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer einseitigen Lastenverteilung führen musste [...]. Bei der Würdigung von im Ausland abgeschlossenen, nach deutschem Recht zu beurteilenden Verträgen sind insoweit auch die Wertungen des fremden Rechts zu berücksichtigen; die Berücksichtigung darf aber nicht so weit gehen, den Normen des verdrängten Rechts Geltung zu verschaffen [...].

19

Die im Streitfall vereinbarte Morgengabe entspricht, wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, geläufigen iranischen Wertvorstellungen, wobei die Funktion solcher Brautgaben heute vorrangig im Aufbau eines Vermögens für die Ehefrau für den Fall der Scheidung gesehen wird. [...]

20

Auch eine für die Antragstellerin bei der Eheschließung erkennbare krasse Überforderung des Antragsgegners durch die Morgengabe, die als Indiz für eine sittlich anstößige Ausnutzung einer emotionalen oder sozialen Zwangslage anzusehen sein [...] oder zusammen mit weiteren Umständen für eine Erschwerung der Scheidung als einzigen Zweck dieses Geschäfts sprechen könnte [...], hat das Familiengericht zu Recht verneint. [...]

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Danach stellt sich das vom Antragsgegner im April 2009 abgegebene Versprechen, an seine Ehefrau auf deren Anforderung 414 Bahaar-Azadi-Goldmünzen als Morgengabe zu entrichten, keineswegs als eine die Grenzen privatautonomer Vertragsgestaltung grob missachtende Vereinbarung dar. Auch aus den damals vorhandenen und (bei Anforderung der Brautgabe im Fall der Trennung) zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Antragsgegners ergibt sich keine krasse Überforderung. Dieser verfügte in Deutschland, wo er mit der Antragstellerin nach der Heirat zu leben beabsichtigte, über Wohneigentum und nicht ganz unbeträchtliche Einkünfte als ausgebildeter Kommunikationselektroniker und EDV-Kaufmann. Das Versprechen einer Brautgabe in einer im Iran üblichen Höhe stand dazu nicht erkennbar außer Verhältnis.

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d) Dass die Eheleute nach der Heirat einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet haben, führte ersichtlich nicht zum Wegfall des ehevertraglichen Rechtsgrundes der Brautgabe (§ 812 Abs. 1 S. 2 BGB).

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4. Ebenso wenig ist mit der nach Eheschließung durch den Wechsel des Ehewirkungsstatuts eingetretenen Änderung des Rechtsrahmens oder aus anderen Gründen die Geschäftsgrundlage des Morgengabeversprechens entfallen oder nachhaltig gestört worden, so dass es den geänderten Bedingungen anzupassen wäre [...].

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a) Die Beteiligten beabsichtigten von Anfang an, gemeinsam in Deutschland zu leben. Von einem für sie überraschenden Wechsel des anwendbaren Rechts kann schon deshalb keine Rede sein. [...]

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b) Eine Störung der Geschäftsgrundlage durch andere, bei der Eheschließung nicht vorhersehbare Umstände scheidet nach Lage der Dinge ebenfalls aus. [...]

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5. [...] Nach Lage der Dinge kann es der Antragstellerin nicht verwehrt werden, sich auf die sie begünstigende ehevertragliche Zusage zu berufen. Zwar stehen ihr nach Scheidung der Ehe nunmehr grundsätzlich auch die gesetzlichen Folgeansprüche des deutschen Rechts (Zugewinn- und Versorgungsausgleich, nachehelicher Unterhalt) zu. Zu einer grob unbilligen Kumulation dieser Ansprüche mit dem der iranischen Tradition entstammenden Anspruch auf Leistung der Morgengabe, die zu einer einseitigen Überbürdung sämtlicher wirtschaftlicher Scheidungsrisiken auf den Ehemann und zu einer nicht mehr hinzunehmenden unverhältnismäßigen Belastung des Antragsgegners führen müsste, kommt es damit jedoch nicht. [...] Statt denkbare Ansprüche der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt oder Zugewinnausgleich ohne Weiteres auf ihren Morgengabeanspruch anzurechnen [...], genügt es, dass sich der Antragsgegner gegenüber solchen Ansprüchen auf die fehlende Bedürftigkeit seiner geschiedenen Ehefrau berufen könnte, soweit diese sich aus dem ihr mit der Morgengabe zugewendeten Vermögen selbst unterhalten kann (§ 1577 BGB), und einer Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin die Brautgabe als Vorausempfang (§ 1380 BGB) entgegengehalten werden könnte [...]

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6. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, dass bei Auslegung der streitbefangenen Zusage des Antragsgegners auch berücksichtigt werden müsse, dass nach iranischem Recht die Ehefrau den Anspruch auf die Morgengabe verliere, wenn sie die Scheidung beantragt.

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[...] Denn ein Rückgriff auf das durch die Anwendung deutschen Sachrechts verdrängte ausländische Recht als solches findet nicht statt, weshalb gesetzliche Minderungs- oder Anpassungsgründe des fremden Rechts mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine entsprechende Auslegung auch nicht herangezogen werden können, um den Umfang der versprochenen Brautgabe zu korrigieren. [...]

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