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Rechtsurteile

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Religionsgemeinschaft in der DDR – Körperschaft öffentlichen Rechts?

Eine Religionsgemeinschaft die 1990 von der damaligen DDR staatlich anerkannt wurde, kann keine altkorporierte Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechts i.S.d. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV sein, da die DDR die Rechtsform der Körperschaft öffentlichen Rechts zu der damaligen Zeit nicht kannte. (Leitsatz der Redaktion)


Urteil:

I. Die Klage wird abgewiesen. […]

 

Zum Sachverhalt:

 

Die Klägerin begehrt bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens die Feststellung, dass sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts innehat.

1

Bei der Klägerin handelt es sich nach eigenem Vortrag um eine Religionsgemeinschaft islamischen Glaubens, die am 21. Februar 1990 in Ost-Berlin gegründet wurde. […]

2

Am 1. März 1990 wurde der Klägerin durch den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik – Amt für Kirchenfragen – die staatliche Anerkennung verliehen. Die diesbezügliche Urkunde hat folgenden Inhalt:

3

„Die ‚I. R. in der DDR‘ mit Sitz in Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, ist staatlich anerkannt. Mit der staatlichen Anerkennung ist die Religionsgemeinschaft nach § 15 Abs. 2 der Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen vom 6.11.1975 […] rechtsfähig.“

4

In einem Begleitschreiben vom 9. März 1990 heißt es unter anderem ferner:

5

„Ihre Gemeinschaft gehört damit zu den über 30 Kirchen und Religionsgemeinschaften, die in der DDR auf der Grundlage von Artikel 39 (2) der Verfassung und weiterer gesetzlicher Bestimmungen der DDR ihre Tätigkeit selbständig in voller Freiheit ausüben und Rechtsfähigkeit besitzen."

6

Wohl am 30. Januar 1996 wurde die Klägerin als „I. R. e.V." in das Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin (Charlottenburg) […] eingetragen […]. Durch rechtskräftige Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse wurde der Verein aufgrund des § 42 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgelöst […]. Am 9. April 2015 wurde das Registerblatt geschlossen […]. Nach Hinweis des Beklagten hierauf leitete die Klägerin dem Gericht ein ursprünglich an das Verwaltungsgericht Potsdam gerichtetes Schreiben wohl vom 26. April 2018 zu, in dem sie ausführt, die Klägerin habe mit I. R. e.V. nichts zu tun. Sie habe ihre Rechtsfähigkeit durch den Ministerrat der DDR erhalten, nicht durch Eintragung im Vereinsregister.

7

Am 5. Juni 2005 teilte die Klägerin (in Form des eingetragenen Vereins) der Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin mit, dass sie beabsichtige, als öffentlich-rechtliche Religionskörperschaft von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben. Nach Vorlage einer Steuerordnung sowie des Gemeinschaftssteuerbeschlusses lehnte die Senatsverwaltung für Finanzen die erforderliche Genehmigung mit Bescheid vom 17. November 2005 ab. Eine hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Berlin mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 16. April 2007 maßgeblich mit der Begründung ab, dass die Klägerin keine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei […].

8

Mit Schreiben vom 5. November 2017 stellte die Klägerin, vertreten durch ihren Vorsitzenden, wörtlich „einen Antrag auf Feststellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die i. R.“. Der Antrag war an die Bundeskanzlerin sowie an alle Ministerpräsidenten der Länder gerichtet. Im Antragsschreiben wurde ausgeführt, die Klägerin beantrage im Hinblick auf die staatliche Anerkennung durch den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik die Feststellung, dass die I. R. Bundeskörperschaft des öffentlichen Rechts in der Bundesrepublik Deutschland sowie Körperschaft des öffentlichen Rechts im jeweiligen Bundesland sei. Die Klägerin begründete dies damit, dass sie in der DDR mit Sitz in Berlin durch den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik als Religionsgemeinschaft anerkannt worden sei. Diese Anerkennung sei gleichzusetzen mit dem Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne der Weimarer Reichsverfassung. Zur Begründung werde auf ein im Auftrag der Klägerin erstelltes, von Herrn E. L. verfasstes und nicht datiertes Gutachten Bezug genommen. Dessen Ausführungen mache sich die Klägerin zu Eigen. Die hier gegenständliche Rechtsfrage sei bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin entfalte keine Bindungswirkung und sei inhaltlich falsch.

9

Am 14. Januar 2018 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht Berlin Klage […] und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung […]; Klage und Eilantrag waren sowohl gegen die Bundesrepublik, als auch an alle Bundesländer gerichtet. Nach Abtrennung der Verfahren erklärte sich das Verwaltungsgericht Berlin für örtlich unzuständig und verwies mit Beschlüssen jeweils vom 21. Februar 2018 beide Verfahren an das hiesige Gericht.

10

Die Klägerin beantragt in der Klageschrift wörtlich,

 

den Beklagten zu verurteilen, dem Antrag vom 5. November 2017 zu entsprechen, hilfsweise nach Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. […]

11

Der Beklagte beantragt mit Schreiben vom 27. März 2018,

 

die Klage abzuweisen. […]

13

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Gericht mit Beschluss vom 4. Juni 2018 mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes ab. […]

 

Gründe:

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Die Klage erweist sich bereits als unzulässig und hat darüber hinaus auch in der Sache keinen Erfolg.

18

1. Dabei ist der Antrag der Klägerin zunächst sachdienlich dahingehend auszulegen, dass sie die Feststellung hinsichtlich des Innehabens des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts begehrt. […]

19

[D]as Rechtsschutzziel der Klägerin [ist] vorliegend dahingehend zu bestimmen, dass ein Feststellungsurteil des Inhalts, dass die Klägerin aufgrund der staatlichen Anerkennung in der DDR aus dem Jahr 1990 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, begehrt wird. […]

21

2. Der so verstandene Antrag erweist sich jedoch bereits als unzulässig, da es an einem für eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO notwendigen berechtigten Interesse fehlt. […]

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3. Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.

26

Die Klägerin besitzt im Hoheitsgebiet des Beklagten nicht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S.d. Art. 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Rechtsverfassung (WRV). Demnach sind alle Religionsgemeinschaften in Deutschland, die bereits vor dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts waren oder denen dieser Status unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung verliehen worden ist, weiterhin Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV – sog. Altkorporierte Religionsgemeinschaften). Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten (Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV). Die Klägerin ist – unstreitig – weder eine altkorporierte Religionsgemeinschaft, noch ist ihr ein solcher Status verliehen worden. Die Zuerkennung dieser Eigenschaft erfolgte weder durch die staatliche Anerkennung durch den Ministerrat der DDR – Amt für Kirchenfragen – vom 1. März 1990 (3.1) noch durch die gesetzliche Regelung in § 2 Nr. 4 des Kirchensteuergesetzes der DDR (KirchStG DDR) […].

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3.1 Die der Klägerin am 1. März 1990 durch den Ministerrat der DDR erteilte staatliche Anerkennung beinhaltet nicht die Verleihung von Rechten einer öffentlich-rechtlichen Religionskörperschaft, weil eine derartige Rechtsform dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht der DDR fremd war. Der Rechtsstatus einer öffentlich-rechtlichen Religionskörperschaft war seit 1968 in der Verfassung der DDR nicht mehr vorgesehen war. Diese Verfassung – und ebenso die des Jahres 1974 – garantierte den Kirchen und den anderen Religionsgemeinschaften nur noch das Recht zur Ordnung ihrer Angelegenheiten und zur Ausübung ihrer Tätigkeit "in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik" (Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR). Ohne dass den bisher als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften dieser Rechtsstatus förmlich entzogen worden wäre, wurden sie als andere rechtlich selbständige Organisationen und Vereinigungen angesehen und damit dem Privatrecht unterstellt […]. Daraus folgt, dass die staatliche Anerkennung vom 1. März 1990 schon in Anbetracht des insoweit nicht (mehr) vorhandenen Rechtsstatus der Körperschaft des öffentlichen Rechts einen solchen auch nicht verleihen konnte […].

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3.2 Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts folgt auch nicht aus der Regelung in § 2 Nr. 4 KirchStG DDR. Nach § 2 dieses Gesetzes sind Körperschaften des öffentlichen Rechts neben bestimmten Gliederungen der evangelischen (Nr. 1) und der katholischen (Nr. 2) Kirche sowie der jüdischen Kultusgemeinden (Nr. 3) auch andere Religionsgesellschaften, die die gleichen Rechte haben (Nr. 4). Mit dieser Regelung ging jedoch keine Statusverleihung an die – staatlich anerkannte – Klägerin einher.

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Dies folgt bereits daraus, dass sich dieses Gesetz, wenn es überhaupt auf eine Verleihung von Statusrechten abgezielt haben sollte, allenfalls auf die (hoheitliche) Befugnis zur Erhebung von Kirchensteuern bezogen haben konnte. Damit wären andere wesentliche Elemente des Körperschaftsstatus im Sinne der Weimarer Reichsverfassung, wie die Dienstherrenfähigkeit, das Disziplinarecht und das Vereidigungsrecht, nicht in der Verleihung enthalten und somit nicht mit diesem Status vergleichbar […].

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Zu beachten ist darüber hinaus, dass der mit dem Erlass des KirchStG DDR verfolgte Zweck allein darin bestand, ab Beginn des Steuerjahres 1991 in den neuen Bundesländern die Erhebung von Kirchensteuern in gleichem Umfang wie in den alten Bundesländern zu ermöglichen. Mit diesem Gesetzeszweck ist die Annahme der Verleihung von Statusrechten über § 2 Nr. 4 KirchStG DDR nicht vereinbar. Das KirchStG DDR beinhaltet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit ihm eine Erweiterung des Kreises öffentlichrechtlicher Religionsgemeinschaften auf die vom Ministerrat der DDR staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften bezweckt war. Vielmehr liegt es unter Berücksichtigung von Systematik und Telos des Gesetzes nahe, dass mit „anderen Religionsgesellschaften, die die gleichen Rechte haben“ (§ 2 Nr. 4 KirchStG DDR) nur die (altkorporierten) Religionsgesellschaften zu verstehen sind, die den unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung erlangten Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft aufgrund der sukzessiven Beseitigung dieser Rechte in der DDR verloren haben, diese Statusrechte als Folge der Wiedervereinigung aufgrund Art. 140 GG, 137 Abs. 5 WRV unmittelbar und für den Gesetzgeber des KirchStG DDR vorhersehbar im Geltungsbereich dieses Gesetzes wiedererlangen werden […]. Eine solche (altkorporierte) Körperschaft ist die Klägerin jedoch wie bereits ausgeführt nicht. […]

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